[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.Prüffung der Uebersetzung Ganz recht, ich geb es zu, und mach es selber so.Allein man mische nie das Feuer in das Stroh. Kein ne und wunderbare Erdichtungen die Leser zu überraschen. Hr. Gottsched hergegen führet einen Stümper redend ein, dem giebt er folgenden Ausspruch in den Mund: "Ein Mahler und ein Poet folge seinem eigenen Kopf, er mahle oder dichte, wenn ihn die Lust ankömmt; und erkühne sich auf eine geist- und sinnreiche Art hervor zu bringen, was ihm nur immer beliebt;" Allein der Gottschedische Stüm- per muß seinen Horatz nicht recht gefasset haben, der in seinem lateinischen Text durch die potest[o]rem quidlibet au- dendi, die Kühnheit in der Dichtung oder das Ungemeine und Wunderbare verstehet. Doch wer wollte solches einem Stümper nicht zu gute halten: zumahlen da Hr. Gottsched in seinem Vorbericht rund bekennet: Es ist nicht eines jeden Werck, sich mit dem Latein der alten Poeten so bek mit zu machen, daß er seinen Horaz ohne Mühe verstehen, geschweige dann mit Lust lesen könnt. Jch kan mich nicht entbrechen, hier des Hrn. von Eckards Uebersetzung dieser Stelle annoch beyzufügen; und mit Hrn. Gottsched in dem Vorberichte auszuruffen: Welcher es nun besser oder schlechter getroffen habe, mag der geneigte Leser selbst beurtheilen: Doch soll man wissen, daß die genaue Kenntniß der Eckardischen Ue- bersetzung den Hrn. Gottsched vornemlich vermögen hat, ei- ne neue zu wagen. Beym Eckard heißt es: Ein Maler und Poet kan zwar nach altem Brauch Der gröste Fehler dieser Uebersetzung in Vergleichung mit derErdichten was er will. Wir wissens, geben auch Dieselbe Freyheit uns, und gönnen sie den andern, Doch muß nicht ganz und gar sie aus den Schrancken wandern. Gottschedischen mag wohl die allzu grosse Deutlichkeit seyn. V. 18. Allein man mische nie das Feuer in das Stroh.)
Beym Horaz heißt es: Sed non ut placidis coeant im- mitia. d. i. Man soll nicht zahmes und wildes, hiemit Pruͤffung der Ueberſetzung Ganz recht, ich geb es zu, und mach es ſelber ſo.Allein man miſche nie das Feuer in das Stroh. Kein ne und wunderbare Erdichtungen die Leſer zu uͤberraſchen. Hr. Gottſched hergegen fuͤhret einen Stuͤmper redend ein, dem giebt er folgenden Ausſpruch in den Mund: „Ein Mahler und ein Poet folge ſeinem eigenen Kopf, er mahle oder dichte, wenn ihn die Luſt ankoͤmmt; und erkuͤhne ſich auf eine geiſt- und ſinnreiche Art hervor zu bringen, was ihm nur immer beliebt;„ Allein der Gottſchediſche Stuͤm- per muß ſeinen Horatz nicht recht gefaſſet haben, der in ſeinem lateiniſchen Text durch die poteſt[o]rem quidlibet au- dendi, die Kuͤhnheit in der Dichtung oder das Ungemeine und Wunderbare verſtehet. Doch wer wollte ſolches einem Stuͤmper nicht zu gute halten: zumahlen da Hr. Gottſched in ſeinem Vorbericht rund bekennet: Es iſt nicht eines jeden Werck, ſich mit dem Latein der alten Poeten ſo bek mit zu machen, daß er ſeinen Horaz ohne Muͤhe verſtehen, geſchweige dann mit Luſt leſen koͤnnt. Jch kan mich nicht entbrechen, hier des Hrn. von Eckards Ueberſetzung dieſer Stelle annoch beyzufuͤgen; und mit Hrn. Gottſched in dem Vorberichte auszuruffen: Welcher es nun beſſer oder ſchlechter getroffen habe, mag der geneigte Leſer ſelbſt beurtheilen: Doch ſoll man wiſſen, daß die genaue Kenntniß der Eckardiſchen Ue- berſetzung den Hrn. Gottſched vornemlich vermoͤgen hat, ei- ne neue zu wagen. Beym Eckard heißt es: Ein Maler und Poet kan zwar nach altem Brauch Der groͤſte Fehler dieſer Ueberſetzung in Vergleichung mit derErdichten was er will. Wir wiſſens, geben auch Dieſelbe Freyheit uns, und goͤnnen ſie den andern, Doch muß nicht ganz und gar ſie aus den Schrancken wandern. Gottſchediſchen mag wohl die allzu groſſe Deutlichkeit ſeyn. V. 18. Allein man miſche nie das Feuer in das Stroh.)
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Pruͤffung der Ueberſetzung
Ganz recht, ich geb es zu, und mach es ſelber ſo.
Allein man miſche nie das Feuer in das Stroh.
Kein
V. 18. Allein man miſche nie das Feuer in das Stroh.)
Beym Horaz heißt es: Sed non ut placidis coëant im-
mitia. d. i. Man ſoll nicht zahmes und wildes, hiemit
ne und wunderbare Erdichtungen die Leſer zu uͤberraſchen.
Hr. Gottſched hergegen fuͤhret einen Stuͤmper redend ein,
dem giebt er folgenden Ausſpruch in den Mund: „Ein
Mahler und ein Poet folge ſeinem eigenen Kopf, er mahle
oder dichte, wenn ihn die Luſt ankoͤmmt; und erkuͤhne ſich
auf eine geiſt- und ſinnreiche Art hervor zu bringen, was
ihm nur immer beliebt;„ Allein der Gottſchediſche Stuͤm-
per muß ſeinen Horatz nicht recht gefaſſet haben, der in
ſeinem lateiniſchen Text durch die poteſtorem quidlibet au-
dendi, die Kuͤhnheit in der Dichtung oder das Ungemeine
und Wunderbare verſtehet. Doch wer wollte ſolches einem
Stuͤmper nicht zu gute halten: zumahlen da Hr. Gottſched
in ſeinem Vorbericht rund bekennet: Es iſt nicht eines
jeden Werck, ſich mit dem Latein der alten Poeten
ſo bek mit zu machen, daß er ſeinen Horaz ohne
Muͤhe verſtehen, geſchweige dann mit Luſt leſen
koͤnnt. Jch kan mich nicht entbrechen, hier des Hrn.
von Eckards Ueberſetzung dieſer Stelle annoch beyzufuͤgen;
und mit Hrn. Gottſched in dem Vorberichte auszuruffen:
Welcher es nun beſſer oder ſchlechter getroffen habe,
mag der geneigte Leſer ſelbſt beurtheilen: Doch ſoll
man wiſſen, daß die genaue Kenntniß der Eckardiſchen Ue-
berſetzung den Hrn. Gottſched vornemlich vermoͤgen hat, ei-
ne neue zu wagen. Beym Eckard heißt es:
Ein Maler und Poet kan zwar nach altem Brauch
Erdichten was er will. Wir wiſſens, geben auch
Dieſelbe Freyheit uns, und goͤnnen ſie den andern,
Doch muß nicht ganz und gar ſie aus den Schrancken
wandern.
Der groͤſte Fehler dieſer Ueberſetzung in Vergleichung mit der
Gottſchediſchen mag wohl die allzu groſſe Deutlichkeit ſeyn.
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