Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Versuch eines Gedichtes
Er stets bemüht wollt seyn. Damit als er ansieht
Der Nymphen schöne Reih, ermahnt ihn seine Pflicht,
Zu dancken dieser Schaar, die so sein Lob besungen,
Das ihm so wär ins Hertz und zu Gemüth gedrungen,
Daß es ihn angefrischt zu streben mit Begier
Nach solcher Heldenthat, der so ein Lob gebühr.
Maacha sprach hierauf in ihrer aller Nahmen:
Du hast in Jsrael in allen ihren Stammen
So grosse Werck verübt, daß billig deine Ehr
Von uns erhebt sollt seyn bis an der Sternen Heer.520.
Die schöne Michal schwieg hiezu, der sonst gebühret,
Zu sprechen diese Wort, weil sie den Chor geführet,
Dann sie war so entsetzt darob was sie gehört,
Daß sie gantz aus sich selbst schier ward von Pein verzehrt.
Ein jeder spürte nun dieß hochverwirrte Wesen,
Weil sich des Hertzens Quaal ließ aus den Augen lesen,
Und keiner wust dabey recht was den andern war.
Des Königs Eifersucht war keinem offenbar;
Der Merob Ehgelübd mit dem Meholathiter
War nicht bey Hofe kund; und dieser edle Ritter530.
Sah wie ein Schatten aus, ohn daß man wust die Pein,
Und Michal Freudigkeit verlohre ihren Schein,
Eh man es nahm in Acht. Wie David sich erzeigte,
So schien es mehr, daß den die Traur als Freude neigte.
Der edle Jonathan sah dieß verwundernsvoll,
Und weiß bey diesem Thun nicht was er sagen soll,
Drum trug er groß Begierd dieß Wesen zu ergründen,
Darinn der ganze Hof sich selbst nicht konnte finden,
Und Saul so bald er konnt hub die Gesellschaft auf,
Und ließ, wie er allein, dem Trauren seinen Lauf.540.
Drauf gieng ein jeder heim und war nun allermassen
Das Gibea erfreut, die Häuser und die Gassen
Ertöneten von Freud, man bracht den Abend zu
Mit lauter Siegsgeschrey und in gewünschter Ruh.
Und weil der König wollt zu Nacht allein verbleiben,
Und speisen im Gemach, um aus dem Sinn zu treiben
Das Trauren so ihn plagt, so stellte Jonathan
Jn seinem Sommerhauß die Abendmahlzeit an.
Die
Verſuch eines Gedichtes
Er ſtets bemuͤht wollt ſeyn. Damit als er anſieht
Der Nymphen ſchoͤne Reih, ermahnt ihn ſeine Pflicht,
Zu dancken dieſer Schaar, die ſo ſein Lob beſungen,
Das ihm ſo waͤr ins Hertz und zu Gemuͤth gedrungen,
Daß es ihn angefriſcht zu ſtreben mit Begier
Nach ſolcher Heldenthat, der ſo ein Lob gebuͤhr.
Maacha ſprach hierauf in ihrer aller Nahmen:
Du haſt in Jſrael in allen ihren Stammen
So groſſe Werck veruͤbt, daß billig deine Ehr
Von uns erhebt ſollt ſeyn bis an der Sternen Heer.520.
Die ſchoͤne Michal ſchwieg hiezu, der ſonſt gebuͤhret,
Zu ſprechen dieſe Wort, weil ſie den Chor gefuͤhret,
Dann ſie war ſo entſetzt darob was ſie gehoͤrt,
Daß ſie gantz aus ſich ſelbſt ſchier ward von Pein verzehrt.
Ein jeder ſpuͤrte nun dieß hochverwirrte Weſen,
Weil ſich des Hertzens Quaal ließ aus den Augen leſen,
Und keiner wuſt dabey recht was den andern war.
Des Koͤnigs Eiferſucht war keinem offenbar;
Der Merob Ehgeluͤbd mit dem Meholathiter
War nicht bey Hofe kund; und dieſer edle Ritter530.
Sah wie ein Schatten aus, ohn daß man wuſt die Pein,
Und Michal Freudigkeit verlohre ihren Schein,
Eh man es nahm in Acht. Wie David ſich erzeigte,
So ſchien es mehr, daß den die Traur als Freude neigte.
Der edle Jonathan ſah dieß verwundernsvoll,
Und weiß bey dieſem Thun nicht was er ſagen ſoll,
Drum trug er groß Begierd dieß Weſen zu ergruͤnden,
Darinn der ganze Hof ſich ſelbſt nicht konnte finden,
Und Saul ſo bald er konnt hub die Geſellſchaft auf,
Und ließ, wie er allein, dem Trauren ſeinen Lauf.540.
Drauf gieng ein jeder heim und war nun allermaſſen
Das Gibea erfreut, die Haͤuſer und die Gaſſen
Ertoͤneten von Freud, man bracht den Abend zu
Mit lauter Siegsgeſchrey und in gewuͤnſchter Ruh.
Und weil der Koͤnig wollt zu Nacht allein verbleiben,
Und ſpeiſen im Gemach, um aus dem Sinn zu treiben
Das Trauren ſo ihn plagt, ſo ſtellte Jonathan
Jn ſeinem Sommerhauß die Abendmahlzeit an.
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0080" n="80"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ver&#x017F;uch eines Gedichtes</hi> </fw><lb/>
            <l>Er &#x017F;tets bemu&#x0364;ht wollt &#x017F;eyn. Damit als er an&#x017F;ieht</l><lb/>
            <l>Der Nymphen &#x017F;cho&#x0364;ne Reih, ermahnt ihn &#x017F;eine Pflicht,</l><lb/>
            <l>Zu dancken die&#x017F;er Schaar, die &#x017F;o &#x017F;ein Lob be&#x017F;ungen,</l><lb/>
            <l>Das ihm &#x017F;o wa&#x0364;r ins Hertz und zu Gemu&#x0364;th gedrungen,</l><lb/>
            <l>Daß es ihn angefri&#x017F;cht zu &#x017F;treben mit Begier</l><lb/>
            <l>Nach &#x017F;olcher Heldenthat, der &#x017F;o ein Lob gebu&#x0364;hr.</l><lb/>
            <l>Maacha &#x017F;prach hierauf in ihrer aller Nahmen:</l><lb/>
            <l>Du ha&#x017F;t in J&#x017F;rael in allen ihren Stammen</l><lb/>
            <l>So gro&#x017F;&#x017F;e Werck veru&#x0364;bt, daß billig deine Ehr</l><lb/>
            <l>Von uns erhebt &#x017F;ollt &#x017F;eyn bis an der Sternen Heer.<note place="right">520.</note></l><lb/>
            <l>Die &#x017F;cho&#x0364;ne Michal &#x017F;chwieg hiezu, der &#x017F;on&#x017F;t gebu&#x0364;hret,</l><lb/>
            <l>Zu &#x017F;prechen die&#x017F;e Wort, weil &#x017F;ie den Chor gefu&#x0364;hret,</l><lb/>
            <l>Dann &#x017F;ie war &#x017F;o ent&#x017F;etzt darob was &#x017F;ie geho&#x0364;rt,</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ie gantz aus &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chier ward von Pein verzehrt.</l><lb/>
            <l>Ein jeder &#x017F;pu&#x0364;rte nun dieß hochverwirrte We&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Weil &#x017F;ich des Hertzens Quaal ließ aus den Augen le&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und keiner wu&#x017F;t dabey recht was den andern war.</l><lb/>
            <l>Des Ko&#x0364;nigs Eifer&#x017F;ucht war keinem offenbar;</l><lb/>
            <l>Der Merob Ehgelu&#x0364;bd mit dem Meholathiter</l><lb/>
            <l>War nicht bey Hofe kund; und die&#x017F;er edle Ritter<note place="right">530.</note></l><lb/>
            <l>Sah wie ein Schatten aus, ohn daß man wu&#x017F;t die Pein,</l><lb/>
            <l>Und Michal Freudigkeit verlohre ihren Schein,</l><lb/>
            <l>Eh man es nahm in Acht. Wie David &#x017F;ich erzeigte,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;chien es mehr, daß den die Traur als Freude neigte.</l><lb/>
            <l>Der edle Jonathan &#x017F;ah dieß verwundernsvoll,</l><lb/>
            <l>Und weiß bey die&#x017F;em Thun nicht was er &#x017F;agen &#x017F;oll,</l><lb/>
            <l>Drum trug er groß Begierd dieß We&#x017F;en zu ergru&#x0364;nden,</l><lb/>
            <l>Darinn der ganze Hof &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht konnte finden,</l><lb/>
            <l>Und Saul &#x017F;o bald er konnt hub die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft auf,</l><lb/>
            <l>Und ließ, wie er allein, dem Trauren &#x017F;einen Lauf.<note place="right">540.</note></l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Drauf gieng ein jeder heim und war nun allerma&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Das Gibea erfreut, die Ha&#x0364;u&#x017F;er und die Ga&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Erto&#x0364;neten von Freud, man bracht den Abend zu</l><lb/>
            <l>Mit lauter Siegsge&#x017F;chrey und in gewu&#x0364;n&#x017F;chter Ruh.</l><lb/>
            <l>Und weil der Ko&#x0364;nig wollt zu Nacht allein verbleiben,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;pei&#x017F;en im Gemach, um aus dem Sinn zu treiben</l><lb/>
            <l>Das Trauren &#x017F;o ihn plagt, &#x017F;o &#x017F;tellte Jonathan</l><lb/>
            <l>Jn &#x017F;einem Sommerhauß die Abendmahlzeit an.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0080] Verſuch eines Gedichtes Er ſtets bemuͤht wollt ſeyn. Damit als er anſieht Der Nymphen ſchoͤne Reih, ermahnt ihn ſeine Pflicht, Zu dancken dieſer Schaar, die ſo ſein Lob beſungen, Das ihm ſo waͤr ins Hertz und zu Gemuͤth gedrungen, Daß es ihn angefriſcht zu ſtreben mit Begier Nach ſolcher Heldenthat, der ſo ein Lob gebuͤhr. Maacha ſprach hierauf in ihrer aller Nahmen: Du haſt in Jſrael in allen ihren Stammen So groſſe Werck veruͤbt, daß billig deine Ehr Von uns erhebt ſollt ſeyn bis an der Sternen Heer. Die ſchoͤne Michal ſchwieg hiezu, der ſonſt gebuͤhret, Zu ſprechen dieſe Wort, weil ſie den Chor gefuͤhret, Dann ſie war ſo entſetzt darob was ſie gehoͤrt, Daß ſie gantz aus ſich ſelbſt ſchier ward von Pein verzehrt. Ein jeder ſpuͤrte nun dieß hochverwirrte Weſen, Weil ſich des Hertzens Quaal ließ aus den Augen leſen, Und keiner wuſt dabey recht was den andern war. Des Koͤnigs Eiferſucht war keinem offenbar; Der Merob Ehgeluͤbd mit dem Meholathiter War nicht bey Hofe kund; und dieſer edle Ritter Sah wie ein Schatten aus, ohn daß man wuſt die Pein, Und Michal Freudigkeit verlohre ihren Schein, Eh man es nahm in Acht. Wie David ſich erzeigte, So ſchien es mehr, daß den die Traur als Freude neigte. Der edle Jonathan ſah dieß verwundernsvoll, Und weiß bey dieſem Thun nicht was er ſagen ſoll, Drum trug er groß Begierd dieß Weſen zu ergruͤnden, Darinn der ganze Hof ſich ſelbſt nicht konnte finden, Und Saul ſo bald er konnt hub die Geſellſchaft auf, Und ließ, wie er allein, dem Trauren ſeinen Lauf. Drauf gieng ein jeder heim und war nun allermaſſen Das Gibea erfreut, die Haͤuſer und die Gaſſen Ertoͤneten von Freud, man bracht den Abend zu Mit lauter Siegsgeſchrey und in gewuͤnſchter Ruh. Und weil der Koͤnig wollt zu Nacht allein verbleiben, Und ſpeiſen im Gemach, um aus dem Sinn zu treiben Das Trauren ſo ihn plagt, ſo ſtellte Jonathan Jn ſeinem Sommerhauß die Abendmahlzeit an. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/80
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/80>, abgerufen am 18.12.2024.