[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.Hr. Pr. Gottscheds Schreiben dieses Wercks erst noch so mühsam zu beweisen?Ein Beweis läßt ja allemahl vermuthen, daß die Sache nicht völlig unstreitig und ausser Zweifel sey, und dergleichen Verdacht ist zuweilen von grösserer Kraft, als der Beweis, womit man ihn heben will. Lasse man die Leute in ihrem Wahn im- merhin ungestört, sonst dürfte man einen eben so schlechten Danck davon tragen, als jene beym Horatz, die sich alle Mühe gegeben, den glückseli- gen Wahnwitzigen zu curieren, dafür aber statt des erwarteten Dancks hören müssen: - - - Pol me oecidistis amici, Non servastis, ait, cui sic extorta voluptas, Et demtus per vim mentis gratissimus error! Das weit schlimmere dabey ist wohl dieses, daß und
Hr. Pr. Gottſcheds Schreiben dieſes Wercks erſt noch ſo muͤhſam zu beweiſen?Ein Beweis laͤßt ja allemahl vermuthen, daß die Sache nicht voͤllig unſtreitig und auſſer Zweifel ſey, und dergleichen Verdacht iſt zuweilen von groͤſſerer Kraft, als der Beweis, womit man ihn heben will. Laſſe man die Leute in ihrem Wahn im- merhin ungeſtoͤrt, ſonſt duͤrfte man einen eben ſo ſchlechten Danck davon tragen, als jene beym Horatz, die ſich alle Muͤhe gegeben, den gluͤckſeli- gen Wahnwitzigen zu curieren, dafuͤr aber ſtatt des erwarteten Dancks hoͤren muͤſſen: ‒ ‒ ‒ Pol me oecidiſtis amici, Non ſervaſtis, ait, cui ſic extorta voluptas, Et demtus per vim mentis gratiſſimus error! Das weit ſchlimmere dabey iſt wohl dieſes, daß und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0010" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Hr. Pr. Gottſcheds Schreiben</hi></fw><lb/> dieſes Wercks erſt noch ſo muͤhſam zu beweiſen?<lb/> Ein Beweis laͤßt ja allemahl vermuthen, daß die<lb/> Sache nicht voͤllig unſtreitig und auſſer Zweifel ſey,<lb/> und dergleichen Verdacht iſt zuweilen von groͤſſerer<lb/> Kraft, als der Beweis, womit man ihn heben<lb/> will. Laſſe man die Leute in ihrem Wahn im-<lb/> merhin ungeſtoͤrt, ſonſt duͤrfte man einen eben ſo<lb/> ſchlechten Danck davon tragen, als jene beym<lb/> Horatz, die ſich alle Muͤhe gegeben, den gluͤckſeli-<lb/> gen Wahnwitzigen zu curieren, dafuͤr aber ſtatt<lb/> des erwarteten Dancks hoͤren muͤſſen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‒ ‒ ‒ <hi rendition="#aq">Pol me oecidiſtis amici,</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Non ſervaſtis, ait, cui ſic extorta voluptas,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Et demtus per vim mentis gratiſſimus error!</hi> </l> </lg><lb/> <p>Das weit ſchlimmere dabey iſt wohl dieſes, daß<lb/> die Art euers Beweiſes die Schaͤtzbarkeit meines<lb/> Buchs, im Grunde gantz verdaͤchtig und zweifel-<lb/> haft machet, in waͤhrender zeit, daß ihr ſelbige<lb/> zu verfechten und anzupreiſen vermeinet: Jhr neh-<lb/> met euern Erweis her von dem ſtarcken Abgang und<lb/> allgemeinen Beyfall, den mein Buch in einer Zeit<lb/> von wenig Jahren in gantz Deutſchland gefunden:<lb/> Allein ihr gebet ja in dem <hi rendition="#aq">I.</hi> St. eurer Beytraͤge<lb/> Bl. 6. ſelbſt mit duͤrren Worten zu verſtehen, daß<lb/><hi rendition="#fr">der allgemeine Beyfall, den eine Sache erhaͤlt,<lb/> die wuͤrckliche Guͤte derſelben nicht unwieder-<lb/> ſprechlich ausmache.</hi> Und es kan euch nicht ver-<lb/> borgen ſeyn, wie wenig meine tadelſuͤchtigen<lb/> Schweitzeriſchen Gegner aus dieſem Grund, auf<lb/> den ich ehedem in meinen Vorreden auch ſelbſt ge-<lb/> trotzet hatte, gehen laſſen, und wie ſie ſich hier<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0010]
Hr. Pr. Gottſcheds Schreiben
dieſes Wercks erſt noch ſo muͤhſam zu beweiſen?
Ein Beweis laͤßt ja allemahl vermuthen, daß die
Sache nicht voͤllig unſtreitig und auſſer Zweifel ſey,
und dergleichen Verdacht iſt zuweilen von groͤſſerer
Kraft, als der Beweis, womit man ihn heben
will. Laſſe man die Leute in ihrem Wahn im-
merhin ungeſtoͤrt, ſonſt duͤrfte man einen eben ſo
ſchlechten Danck davon tragen, als jene beym
Horatz, die ſich alle Muͤhe gegeben, den gluͤckſeli-
gen Wahnwitzigen zu curieren, dafuͤr aber ſtatt
des erwarteten Dancks hoͤren muͤſſen:
‒ ‒ ‒ Pol me oecidiſtis amici,
Non ſervaſtis, ait, cui ſic extorta voluptas,
Et demtus per vim mentis gratiſſimus error!
Das weit ſchlimmere dabey iſt wohl dieſes, daß
die Art euers Beweiſes die Schaͤtzbarkeit meines
Buchs, im Grunde gantz verdaͤchtig und zweifel-
haft machet, in waͤhrender zeit, daß ihr ſelbige
zu verfechten und anzupreiſen vermeinet: Jhr neh-
met euern Erweis her von dem ſtarcken Abgang und
allgemeinen Beyfall, den mein Buch in einer Zeit
von wenig Jahren in gantz Deutſchland gefunden:
Allein ihr gebet ja in dem I. St. eurer Beytraͤge
Bl. 6. ſelbſt mit duͤrren Worten zu verſtehen, daß
der allgemeine Beyfall, den eine Sache erhaͤlt,
die wuͤrckliche Guͤte derſelben nicht unwieder-
ſprechlich ausmache. Und es kan euch nicht ver-
borgen ſeyn, wie wenig meine tadelſuͤchtigen
Schweitzeriſchen Gegner aus dieſem Grund, auf
den ich ehedem in meinen Vorreden auch ſelbſt ge-
trotzet hatte, gehen laſſen, und wie ſie ſich hier
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |