[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.Hr. Pr. Gottscheds Schreiben machen können, daß es einen offenbaren Wider-spruch einschliesse, und also schlechterdings unmög- lich sey, daß ich, oder ein andrer sonst ehrlicher, berühmter und nicht ungeschickter Mann, ein elen- des und abgeschmacktes Buch von der Dichtkunst schreiben könne? Jhr suchet ferner das spöttische Urtheil der Schweitzer von meiner Dichtkunst da- durch verdächtig zu machen, daß sie zehn Jahre lang der Verführung so Vieler ungewarnet zuge- sehen, ohne derselben durch die frühere Eröffnung ihres Urtheiles Einhalt zu thun: Gerade als ob sie einen Beruff hätten unsere Thorheiten, so bald sie dieselben einsehen und erkennen, in öffentlichen Schriften der Welt bekannt zu machen! Oder als wenn ein langmüthiger Aufschub der Straffe, bis die Bosheit überhand nimmt, die Verbrechen der Menschen gäntzlich entschuldigte und rechtferti- gete, und den Richter seines Straffamts verlustig machete! Oder als wenn dieses Urtheil der Schwei- zer von meiner Dichtkunst, da es erst nach zehn Jahren bekannt worden, für meinen Ruhm nicht noch allzufrühe erschollen wäre; daserne man aus- ser Stand seyn sollte, die Begründtniß desselben directe und geradezu zu widerlegen! Auf diesen Fuß liesse sich ja der elende Scribent Philippi ge- gen die schwere Züchtigung eines Liscovs mit eben so gutem Grunde vertheidigen. Wie wenig feh- let es überdas nicht, daß ihr euch nicht selbst wie- dersprechet, da ihr das Urtheil der Schweitzer izo unter dem Scheine der Feindseligkeit verdächtig zu machen suchet; nachdem ihr oben Bl. 425. nicht undeutlich zu verstehen gegeben habet, daß die Schwei-
Hr. Pr. Gottſcheds Schreiben machen koͤnnen, daß es einen offenbaren Wider-ſpruch einſchlieſſe, und alſo ſchlechterdings unmoͤg- lich ſey, daß ich, oder ein andrer ſonſt ehrlicher, beruͤhmter und nicht ungeſchickter Mann, ein elen- des und abgeſchmacktes Buch von der Dichtkunſt ſchreiben koͤnne? Jhr ſuchet ferner das ſpoͤttiſche Urtheil der Schweitzer von meiner Dichtkunſt da- durch verdaͤchtig zu machen, daß ſie zehn Jahre lang der Verfuͤhrung ſo Vieler ungewarnet zuge- ſehen, ohne derſelben durch die fruͤhere Eroͤffnung ihres Urtheiles Einhalt zu thun: Gerade als ob ſie einen Beruff haͤtten unſere Thorheiten, ſo bald ſie dieſelben einſehen und erkennen, in oͤffentlichen Schriften der Welt bekannt zu machen! Oder als wenn ein langmuͤthiger Aufſchub der Straffe, bis die Bosheit uͤberhand nimmt, die Verbrechen der Menſchen gaͤntzlich entſchuldigte und rechtferti- gete, und den Richter ſeines Straffamts verluſtig machete! Oder als wenn dieſes Urtheil der Schwei- zer von meiner Dichtkunſt, da es erſt nach zehn Jahren bekannt worden, fuͤr meinen Ruhm nicht noch allzufruͤhe erſchollen waͤre; daſerne man auſ- ſer Stand ſeyn ſollte, die Begruͤndtniß deſſelben directe und geradezu zu widerlegen! Auf dieſen Fuß lieſſe ſich ja der elende Scribent Philippi ge- gen die ſchwere Zuͤchtigung eines Liſcovs mit eben ſo gutem Grunde vertheidigen. Wie wenig feh- let es uͤberdas nicht, daß ihr euch nicht ſelbſt wie- derſprechet, da ihr das Urtheil der Schweitzer izo unter dem Scheine der Feindſeligkeit verdaͤchtig zu machen ſuchet; nachdem ihr oben Bl. 425. nicht undeutlich zu verſtehen gegeben habet, daß die Schwei-
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Hr. Pr. Gottſcheds Schreiben
machen koͤnnen, daß es einen offenbaren Wider-
ſpruch einſchlieſſe, und alſo ſchlechterdings unmoͤg-
lich ſey, daß ich, oder ein andrer ſonſt ehrlicher,
beruͤhmter und nicht ungeſchickter Mann, ein elen-
des und abgeſchmacktes Buch von der Dichtkunſt
ſchreiben koͤnne? Jhr ſuchet ferner das ſpoͤttiſche
Urtheil der Schweitzer von meiner Dichtkunſt da-
durch verdaͤchtig zu machen, daß ſie zehn Jahre
lang der Verfuͤhrung ſo Vieler ungewarnet zuge-
ſehen, ohne derſelben durch die fruͤhere Eroͤffnung
ihres Urtheiles Einhalt zu thun: Gerade als ob ſie
einen Beruff haͤtten unſere Thorheiten, ſo bald ſie
dieſelben einſehen und erkennen, in oͤffentlichen
Schriften der Welt bekannt zu machen! Oder als
wenn ein langmuͤthiger Aufſchub der Straffe, bis
die Bosheit uͤberhand nimmt, die Verbrechen
der Menſchen gaͤntzlich entſchuldigte und rechtferti-
gete, und den Richter ſeines Straffamts verluſtig
machete! Oder als wenn dieſes Urtheil der Schwei-
zer von meiner Dichtkunſt, da es erſt nach zehn
Jahren bekannt worden, fuͤr meinen Ruhm nicht
noch allzufruͤhe erſchollen waͤre; daſerne man auſ-
ſer Stand ſeyn ſollte, die Begruͤndtniß deſſelben
directe und geradezu zu widerlegen! Auf dieſen
Fuß lieſſe ſich ja der elende Scribent Philippi ge-
gen die ſchwere Zuͤchtigung eines Liſcovs mit eben
ſo gutem Grunde vertheidigen. Wie wenig feh-
let es uͤberdas nicht, daß ihr euch nicht ſelbſt wie-
derſprechet, da ihr das Urtheil der Schweitzer izo
unter dem Scheine der Feindſeligkeit verdaͤchtig zu
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