[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.an die d. Ges. von Greifswalde. auspressen kan? Nach meinem schwachen Sin-ne waltet dieser Unterscheid zwischen beyden, daß die Critick zur Absicht hat zu unterrichten und zu verbessern; die Satyre hingegen zu beschämen, zu bestraffen und zu warnen: Beyde suchen die Verbesserung des Nebenmenschen; die Critick durch bescheidenen Unterricht; die Satyre durch die Beschämung. Wenn hiemit die Critick ei- nen heilsamen Eingang zur Verbesserung finden soll, so muß derjenige, dessen Verbesserung sie suchet, fähig seyn einen guten und wohlgemein- ten Unterricht mit stillem Gemüthe anzunehmen, und zu seiner Verbesserung anzuwenden. Jst jemand nicht in dieser Gemüths-Verfassung, so ist er für die Critick unverbesserlich. Folglich müßte man solche Menschen, die doch den weit grössern Theil ausmachen, ihrem Verderben völlig überlassen, wenn nicht noch ein ander Mit- tel übrig wäre, wodurch man nicht ohne Hoff- nung fürfahren könnte, an deren Verbesserung zu arbeiten. Stoltze, eigensinnige Köpfe sind schwerlich durch blossen Unterricht zurecht zu brin- gen, weil es bey ihnen nicht so fast an der Ver- standes-Fähigkeit als an dem Willen fehlet; darum muß bey solchen die Satyre der Critick zu Hülffe kommen, wo man ihre Verbesserung nicht gäntzlich verlohren geben will. Dadurch muß man ihnen den Stoltz und Eigensinn zuerst brechen, damit sie wider fähig werden den Un- terricht der Critick zu ihrer Besserung anzuneh- men. Giebt es denn aber solche hartnäckige Sünder, die alle Mittel zu ihrer Verbesserung muth- C 3
an die d. Geſ. von Greifswalde. auspreſſen kan? Nach meinem ſchwachen Sin-ne waltet dieſer Unterſcheid zwiſchen beyden, daß die Critick zur Abſicht hat zu unterrichten und zu verbeſſern; die Satyre hingegen zu beſchaͤmen, zu beſtraffen und zu warnen: Beyde ſuchen die Verbeſſerung des Nebenmenſchen; die Critick durch beſcheidenen Unterricht; die Satyre durch die Beſchaͤmung. Wenn hiemit die Critick ei- nen heilſamen Eingang zur Verbeſſerung finden ſoll, ſo muß derjenige, deſſen Verbeſſerung ſie ſuchet, faͤhig ſeyn einen guten und wohlgemein- ten Unterricht mit ſtillem Gemuͤthe anzunehmen, und zu ſeiner Verbeſſerung anzuwenden. Jſt jemand nicht in dieſer Gemuͤths-Verfaſſung, ſo iſt er fuͤr die Critick unverbeſſerlich. Folglich muͤßte man ſolche Menſchen, die doch den weit groͤſſern Theil ausmachen, ihrem Verderben voͤllig uͤberlaſſen, wenn nicht noch ein ander Mit- tel uͤbrig waͤre, wodurch man nicht ohne Hoff- nung fuͤrfahren koͤnnte, an deren Verbeſſerung zu arbeiten. Stoltze, eigenſinnige Koͤpfe ſind ſchwerlich durch bloſſen Unterricht zurecht zu brin- gen, weil es bey ihnen nicht ſo faſt an der Ver- ſtandes-Faͤhigkeit als an dem Willen fehlet; darum muß bey ſolchen die Satyre der Critick zu Huͤlffe kommen, wo man ihre Verbeſſerung nicht gaͤntzlich verlohren geben will. Dadurch muß man ihnen den Stoltz und Eigenſinn zuerſt brechen, damit ſie wider faͤhig werden den Un- terricht der Critick zu ihrer Beſſerung anzuneh- men. Giebt es denn aber ſolche hartnaͤckige Suͤnder, die alle Mittel zu ihrer Verbeſſerung muth- C 3
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an die d. Geſ. von Greifswalde.
auspreſſen kan? Nach meinem ſchwachen Sin-
ne waltet dieſer Unterſcheid zwiſchen beyden, daß
die Critick zur Abſicht hat zu unterrichten und zu
verbeſſern; die Satyre hingegen zu beſchaͤmen,
zu beſtraffen und zu warnen: Beyde ſuchen die
Verbeſſerung des Nebenmenſchen; die Critick
durch beſcheidenen Unterricht; die Satyre durch
die Beſchaͤmung. Wenn hiemit die Critick ei-
nen heilſamen Eingang zur Verbeſſerung finden
ſoll, ſo muß derjenige, deſſen Verbeſſerung ſie
ſuchet, faͤhig ſeyn einen guten und wohlgemein-
ten Unterricht mit ſtillem Gemuͤthe anzunehmen,
und zu ſeiner Verbeſſerung anzuwenden. Jſt
jemand nicht in dieſer Gemuͤths-Verfaſſung,
ſo iſt er fuͤr die Critick unverbeſſerlich. Folglich
muͤßte man ſolche Menſchen, die doch den weit
groͤſſern Theil ausmachen, ihrem Verderben
voͤllig uͤberlaſſen, wenn nicht noch ein ander Mit-
tel uͤbrig waͤre, wodurch man nicht ohne Hoff-
nung fuͤrfahren koͤnnte, an deren Verbeſſerung
zu arbeiten. Stoltze, eigenſinnige Koͤpfe ſind
ſchwerlich durch bloſſen Unterricht zurecht zu brin-
gen, weil es bey ihnen nicht ſo faſt an der Ver-
ſtandes-Faͤhigkeit als an dem Willen fehlet;
darum muß bey ſolchen die Satyre der Critick
zu Huͤlffe kommen, wo man ihre Verbeſſerung
nicht gaͤntzlich verlohren geben will. Dadurch
muß man ihnen den Stoltz und Eigenſinn zuerſt
brechen, damit ſie wider faͤhig werden den Un-
terricht der Critick zu ihrer Beſſerung anzuneh-
men. Giebt es denn aber ſolche hartnaͤckige
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