[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.oder die Bekehrung. Zustande zu haben, und eine heimliche Prophe-zeyung in sich zu fassen. Doch sagte er niemanden was davon, als dem kleinen Bathyll, dem er gewohnt ist seine Gedancken zu zeigen, wann sie noch ohne Gestalt und Form mit einem halben Leben unausgebrütet in seinem Kopf liegen und noch nicht französisches Phöbus stammeln kön- nen. Bathyll ließ ihn nicht ungetröstet, er be- deutete ihm, daß der gantze Traum nichts an- ders wäre, als eine Nachäffung der gaukleri- schen Phantasie, welche auf die Erfindung des Kupferstiches vor Pops Duncias gearbeitet hätte. Sie hatten voriges Tages die Auflage dieses satyrischen Gedichtes von 1729. empfan- gen, und sich lange bey der hieroglyphischen Fi- gur des Kupferbildes aufgehalten. Strukaras bemühete sich dem Bathyll zu glauben, doch konnte er nicht davor, daß nicht das Gesichte ihm beständig in den Gedancken schwebete; es schwindelte ihm noch im wachen, und er bildete sich immerfort ein, daß er noch säncke. Jn der andern Nacht stieg Phantasos wieder nem E 3
oder die Bekehrung. Zuſtande zu haben, und eine heimliche Prophe-zeyung in ſich zu faſſen. Doch ſagte er niemanden was davon, als dem kleinen Bathyll, dem er gewohnt iſt ſeine Gedancken zu zeigen, wann ſie noch ohne Geſtalt und Form mit einem halben Leben unausgebruͤtet in ſeinem Kopf liegen und noch nicht franzoͤſiſches Phoͤbus ſtammeln koͤn- nen. Bathyll ließ ihn nicht ungetroͤſtet, er be- deutete ihm, daß der gantze Traum nichts an- ders waͤre, als eine Nachaͤffung der gaukleri- ſchen Phantaſie, welche auf die Erfindung des Kupferſtiches vor Pops Duncias gearbeitet haͤtte. Sie hatten voriges Tages die Auflage dieſes ſatyriſchen Gedichtes von 1729. empfan- gen, und ſich lange bey der hieroglyphiſchen Fi- gur des Kupferbildes aufgehalten. Strukaras bemuͤhete ſich dem Bathyll zu glauben, doch konnte er nicht davor, daß nicht das Geſichte ihm beſtaͤndig in den Gedancken ſchwebete; es ſchwindelte ihm noch im wachen, und er bildete ſich immerfort ein, daß er noch ſaͤncke. Jn der andern Nacht ſtieg Phantaſos wieder nem E 3
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oder die Bekehrung.
Zuſtande zu haben, und eine heimliche Prophe-
zeyung in ſich zu faſſen. Doch ſagte er niemanden
was davon, als dem kleinen Bathyll, dem er
gewohnt iſt ſeine Gedancken zu zeigen, wann ſie
noch ohne Geſtalt und Form mit einem halben
Leben unausgebruͤtet in ſeinem Kopf liegen und
noch nicht franzoͤſiſches Phoͤbus ſtammeln koͤn-
nen. Bathyll ließ ihn nicht ungetroͤſtet, er be-
deutete ihm, daß der gantze Traum nichts an-
ders waͤre, als eine Nachaͤffung der gaukleri-
ſchen Phantaſie, welche auf die Erfindung des
Kupferſtiches vor Pops Duncias gearbeitet
haͤtte. Sie hatten voriges Tages die Auflage
dieſes ſatyriſchen Gedichtes von 1729. empfan-
gen, und ſich lange bey der hieroglyphiſchen Fi-
gur des Kupferbildes aufgehalten. Strukaras
bemuͤhete ſich dem Bathyll zu glauben, doch
konnte er nicht davor, daß nicht das Geſichte
ihm beſtaͤndig in den Gedancken ſchwebete; es
ſchwindelte ihm noch im wachen, und er bildete
ſich immerfort ein, daß er noch ſaͤncke.
Jn der andern Nacht ſtieg Phantaſos wieder
hinunter, in die Phantaſie des Strukaras un-
erhoͤrte Geſtalten zu ſchildern. Er ließ ihn
einen wuͤſten und wilden Ort ſehen, ein greuli-
ches Gefaͤngniß, das rundherum wie ein uner-
meßlicher Offen brannte, wo aber die Flammen
kein Licht von ſich gaben, ſondern nur eine dun-
kele Daͤmmerung zeigeten, in welcher man trau-
rige Anblicke, und Gegenden voller Schmertzen
ſehen konnte. Hier brannte das Land mit einem
feſten geronnenen Feuer, und die See mit ei-
nem
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