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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

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Nachrichten von crit. Geschichten.
Platz, den geschickte Schriften selbst mit besserm Rechte
eingenommen hätten, der Vertheidigung der Kunstmittel,
dadurch sie zum Reitzen und Entzücken tüchtig gemacht
werden, einzuräumen. Und weil die Angriffe, die zwar
an sich hertzlich schwach waren, dennoch mit ungestümem
Geschrey und Wüthen gethan, und etliche mahl widerho-
let wurden, so ist es so gekommen, daß der niederreissen-
den Schriften mehr geworden sind, als der aufbauenden.
Dennoch hat man in der Zeit, da man mit der einen Hand
auf den Feind zuschlug, nicht unterlassen mit der andern
fortzubauen. Oefters hat man mitten im Niederwerffen
die Zeichnung und die Materialien zu einem geschicktern
Bau gegeben.

Die Hoffnung, die wir bey der Unternehmung dieser
Sammlung zu der Beyhülffe geschickter Männer bey uns
genehret hatten, hat uns nicht betrogen. Kunstverstän-
dige Männer, welche mitten unter den schlimmen Poeten
und Kunstlehrern lebeten, aber dem Elend, das sie zwar
längst eingesehen hatten, sich nicht mit der nöthigen Si-
cherheit und Freyheit entgegen setzen konnten, sind zu uns
getreten, und haben uns die schändliche Nachrede bestrei-
ten helffen, in welche die Nation durch die ungezäumte
Frechheit ihrer Landsleute gesezt worden; sie haben uns
nicht allein die nöthigen Nachrichten von den Bestrebun-
gen, und dem Fortgange der schlimmen Critik mitgetheilt,
sondern auch unsere Sammlung mit etlichen absonderli-
chen Schriften, da sie es so hinter dem Berge thun konn-
ten, vermehret. Andere sind durch unser Beyspiel ermun-
tert,
oder wenn das zuviel gesagt ist, wenigstens veran-
lasset worden, für sich selbst, und in ihrer Heimat den
Eingriffen des verderbten Geschmakes, so weit sie Gele-
genheit gefunden, es mit Sicherheit zu thun, zu widerste-
hen. Wir leben versichert, daß die guten Wirckungen
von diesem allen sich täglich stärcker und häufiger erzeigen
werden.

Die Falschheit siehet man nur eine Zeitlang ehren,
Der Wahrheit Feuer weiß sie endlich zu verzehren.
Regi-

Nachrichten von crit. Geſchichten.
Platz, den geſchickte Schriften ſelbſt mit beſſerm Rechte
eingenommen haͤtten, der Vertheidigung der Kunſtmittel,
dadurch ſie zum Reitzen und Entzuͤcken tuͤchtig gemacht
werden, einzuraͤumen. Und weil die Angriffe, die zwar
an ſich hertzlich ſchwach waren, dennoch mit ungeſtuͤmem
Geſchrey und Wuͤthen gethan, und etliche mahl widerho-
let wurden, ſo iſt es ſo gekommen, daß der niederreiſſen-
den Schriften mehr geworden ſind, als der aufbauenden.
Dennoch hat man in der Zeit, da man mit der einen Hand
auf den Feind zuſchlug, nicht unterlaſſen mit der andern
fortzubauen. Oefters hat man mitten im Niederwerffen
die Zeichnung und die Materialien zu einem geſchicktern
Bau gegeben.

Die Hoffnung, die wir bey der Unternehmung dieſer
Sammlung zu der Beyhuͤlffe geſchickter Maͤnner bey uns
genehret hatten, hat uns nicht betrogen. Kunſtverſtaͤn-
dige Maͤnner, welche mitten unter den ſchlimmen Poeten
und Kunſtlehrern lebeten, aber dem Elend, das ſie zwar
laͤngſt eingeſehen hatten, ſich nicht mit der noͤthigen Si-
cherheit und Freyheit entgegen ſetzen konnten, ſind zu uns
getreten, und haben uns die ſchaͤndliche Nachrede beſtrei-
ten helffen, in welche die Nation durch die ungezaͤumte
Frechheit ihrer Landsleute geſezt worden; ſie haben uns
nicht allein die noͤthigen Nachrichten von den Beſtrebun-
gen, und dem Fortgange der ſchlimmen Critik mitgetheilt,
ſondern auch unſere Sammlung mit etlichen abſonderli-
chen Schriften, da ſie es ſo hinter dem Berge thun konn-
ten, vermehret. Andere ſind durch unſer Beyſpiel ermun-
tert,
oder wenn das zuviel geſagt iſt, wenigſtens veran-
laſſet worden, fuͤr ſich ſelbſt, und in ihrer Heimat den
Eingriffen des verderbten Geſchmakes, ſo weit ſie Gele-
genheit gefunden, es mit Sicherheit zu thun, zu widerſte-
hen. Wir leben verſichert, daß die guten Wirckungen
von dieſem allen ſich taͤglich ſtaͤrcker und haͤufiger erzeigen
werden.

Die Falſchheit ſiehet man nur eine Zeitlang ehren,
Der Wahrheit Feuer weiß ſie endlich zu verzehren.
Regi-
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[88/0090] Nachrichten von crit. Geſchichten. Platz, den geſchickte Schriften ſelbſt mit beſſerm Rechte eingenommen haͤtten, der Vertheidigung der Kunſtmittel, dadurch ſie zum Reitzen und Entzuͤcken tuͤchtig gemacht werden, einzuraͤumen. Und weil die Angriffe, die zwar an ſich hertzlich ſchwach waren, dennoch mit ungeſtuͤmem Geſchrey und Wuͤthen gethan, und etliche mahl widerho- let wurden, ſo iſt es ſo gekommen, daß der niederreiſſen- den Schriften mehr geworden ſind, als der aufbauenden. Dennoch hat man in der Zeit, da man mit der einen Hand auf den Feind zuſchlug, nicht unterlaſſen mit der andern fortzubauen. Oefters hat man mitten im Niederwerffen die Zeichnung und die Materialien zu einem geſchicktern Bau gegeben. Die Hoffnung, die wir bey der Unternehmung dieſer Sammlung zu der Beyhuͤlffe geſchickter Maͤnner bey uns genehret hatten, hat uns nicht betrogen. Kunſtverſtaͤn- dige Maͤnner, welche mitten unter den ſchlimmen Poeten und Kunſtlehrern lebeten, aber dem Elend, das ſie zwar laͤngſt eingeſehen hatten, ſich nicht mit der noͤthigen Si- cherheit und Freyheit entgegen ſetzen konnten, ſind zu uns getreten, und haben uns die ſchaͤndliche Nachrede beſtrei- ten helffen, in welche die Nation durch die ungezaͤumte Frechheit ihrer Landsleute geſezt worden; ſie haben uns nicht allein die noͤthigen Nachrichten von den Beſtrebun- gen, und dem Fortgange der ſchlimmen Critik mitgetheilt, ſondern auch unſere Sammlung mit etlichen abſonderli- chen Schriften, da ſie es ſo hinter dem Berge thun konn- ten, vermehret. Andere ſind durch unſer Beyſpiel ermun- tert, oder wenn das zuviel geſagt iſt, wenigſtens veran- laſſet worden, fuͤr ſich ſelbſt, und in ihrer Heimat den Eingriffen des verderbten Geſchmakes, ſo weit ſie Gele- genheit gefunden, es mit Sicherheit zu thun, zu widerſte- hen. Wir leben verſichert, daß die guten Wirckungen von dieſem allen ſich taͤglich ſtaͤrcker und haͤufiger erzeigen werden. Die Falſchheit ſiehet man nur eine Zeitlang ehren, Der Wahrheit Feuer weiß ſie endlich zu verzehren. Regi-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/90>, abgerufen am 23.11.2024.