Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeck, Josef Phileas: Marmorirkunst. 2. Aufl. Wien u. a., 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

haltene Zeichnung bleibt so lange unverändert stehen, daß
man genügend Zeit hat, sie mittelst des Buchschnittes oder
eines Blattes abzuheben. Je mehr Farben aufgesprengt
werden, um so bunter ist natürlich der Farbenteppich und
der durch Abheben erhaltene Marmor, und je größer die
Farbencontraste sind, um so greller ist auch der Marmor;
man wird aber immer trachten, die Farben so zu wählen,
daß sie harmoniren.

Besprengt man einen sehr schwachen Farbenteppich aus
zwei oder drei Farben mittelst eines Reisstrohbesens mit
Seifenwasser (venetianische Seife in Wasser gelöst) ziemlich
reich, so ziehen sich die Farben zu sehr feinen Adern zu-
sammen und lassen die weitaus größere Fläche des Grundes
unbedeckt; wird nun diese Farbe abgehoben, so bleiben die
feinen Adern auf dem Schnitte oder dem Papierblatte haften
und lassen jene Stellen, an welchen sich das Seifenwasser
auf dem Grunde befand, weiß (Spinnschnitt, Feinadermarmor)..
Wird auf einem satten Farbenteppich oder auf einem mit
dem Kamm oder in anderer Weise behandelten Farbenteppich
nur sehr wenig Seifenwasser und in größeren Tropfen auf-
gesprengt, so treibt dieser Tropfen die Farbe an derselben
Stelle zusammen und es erscheint beim Abheben ein weißer
Fleck - auf der ganzen Fläche vertheilt, sind dann natürlich
mehrere solcher Flecke, eine ganze Anzahl größerer oder
kleinerer, welche der Zeichnung den fleckigen Charakter des
Oelschnittes verleihen.

Wie aus dem Vorgesagten ersichtlich, ist das Princip
des Marmorirens ein äußerst einfaches - Aufsprengen einer
dünnen Farbenschicht auf einen diese nicht aufnehmenden
flüssigen Grund und Abheben mittelst einer eingetauchten
Fläche - und es kann in der That auch jedermann, der
dieses Princip und die Eigenschaften, welche Galle und
Seifenwasser den Farben verleihen, erfaßt hat, die Kunst
des Marmorirens leicht ausüben. Daß eine längere Praxis
schönere Marmorirungen zu Wege bringt, als es bei Beginn
der Arbeit möglich ist, ist umsomehr einleuchtend, als die
verschiedenen kleinen Vortheile nur durch die Praxis erlernt
werden können; die langathmigsten Erklärungen, und seien

haltene Zeichnung bleibt so lange unveraͤndert stehen, daß
man genuͤgend Zeit hat, sie mittelst des Buchschnittes oder
eines Blattes abzuheben. Je mehr Farben aufgesprengt
werden, um so bunter ist natuͤrlich der Farbenteppich und
der durch Abheben erhaltene Marmor, und je groͤßer die
Farbencontraste sind, um so greller ist auch der Marmor;
man wird aber immer trachten, die Farben so zu waͤhlen,
daß sie harmoniren.

Besprengt man einen sehr schwachen Farbenteppich aus
zwei oder drei Farben mittelst eines Reisstrohbesens mit
Seifenwasser (venetianische Seife in Wasser geloͤst) ziemlich
reich, so ziehen sich die Farben zu sehr feinen Adern zu-
sammen und lassen die weitaus groͤßere Flaͤche des Grundes
unbedeckt; wird nun diese Farbe abgehoben, so bleiben die
feinen Adern auf dem Schnitte oder dem Papierblatte haften
und lassen jene Stellen, an welchen sich das Seifenwasser
auf dem Grunde befand, weiß (Spinnschnitt, Feinadermarmor)..
Wird auf einem satten Farbenteppich oder auf einem mit
dem Kamm oder in anderer Weise behandelten Farbenteppich
nur sehr wenig Seifenwasser und in groͤßeren Tropfen auf-
gesprengt, so treibt dieser Tropfen die Farbe an derselben
Stelle zusammen und es erscheint beim Abheben ein weißer
Fleck – auf der ganzen Flaͤche vertheilt, sind dann natuͤrlich
mehrere solcher Flecke, eine ganze Anzahl groͤßerer oder
kleinerer, welche der Zeichnung den fleckigen Charakter des
Oelschnittes verleihen.

Wie aus dem Vorgesagten ersichtlich, ist das Princip
des Marmorirens ein aͤußerst einfaches – Aufsprengen einer
duͤnnen Farbenschicht auf einen diese nicht aufnehmenden
fluͤssigen Grund und Abheben mittelst einer eingetauchten
Flaͤche – und es kann in der That auch jedermann, der
dieses Princip und die Eigenschaften, welche Galle und
Seifenwasser den Farben verleihen, erfaßt hat, die Kunst
des Marmorirens leicht ausuͤben. Daß eine laͤngere Praxis
schoͤnere Marmorirungen zu Wege bringt, als es bei Beginn
der Arbeit moͤglich ist, ist umsomehr einleuchtend, als die
verschiedenen kleinen Vortheile nur durch die Praxis erlernt
werden koͤnnen; die langathmigsten Erklaͤrungen, und seien

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="11"/>
haltene Zeichnung bleibt so lange
                     unvera&#x0364;ndert stehen, daß<lb/>
man genu&#x0364;gend Zeit hat, sie mittelst
                     des Buchschnittes oder<lb/>
eines Blattes abzuheben. Je mehr Farben
                     aufgesprengt<lb/>
werden, um so bunter ist natu&#x0364;rlich der Farbenteppich
                     und<lb/>
der durch Abheben erhaltene Marmor, und je gro&#x0364;ßer
                     die<lb/>
Farbencontraste sind, um so greller ist auch der Marmor;<lb/>
man wird
                     aber immer trachten, die Farben so zu wa&#x0364;hlen,<lb/>
daß sie
                     harmoniren.</p><lb/>
        <p>Besprengt man einen sehr schwachen Farbenteppich aus<lb/>
zwei oder drei Farben
                     mittelst eines Reisstrohbesens mit<lb/>
Seifenwasser (venetianische Seife in
                     Wasser gelo&#x0364;st) ziemlich<lb/>
reich, so ziehen sich die Farben zu sehr
                     feinen Adern zu-<lb/>
sammen und lassen die weitaus gro&#x0364;ßere
                     Fla&#x0364;che des Grundes<lb/>
unbedeckt; wird nun diese Farbe abgehoben, so
                     bleiben die<lb/>
feinen Adern auf dem Schnitte oder dem Papierblatte
                     haften<lb/>
und lassen jene Stellen, an welchen sich das Seifenwasser<lb/>
auf dem
                     Grunde befand, weiß (Spinnschnitt, Feinadermarmor)..<lb/>
Wird auf einem satten
                     Farbenteppich oder auf einem mit<lb/>
dem Kamm oder in anderer Weise behandelten
                     Farbenteppich<lb/>
nur sehr wenig Seifenwasser und in gro&#x0364;ßeren Tropfen
                     auf-<lb/>
gesprengt, so treibt dieser Tropfen die Farbe an derselben<lb/>
Stelle
                     zusammen und es erscheint beim Abheben ein weißer<lb/>
Fleck &#x2013; auf der
                     ganzen Fla&#x0364;che vertheilt, sind dann natu&#x0364;rlich<lb/>
mehrere solcher
                     Flecke, eine ganze Anzahl gro&#x0364;ßerer oder<lb/>
kleinerer, welche der
                     Zeichnung den fleckigen Charakter des<lb/>
Oelschnittes verleihen.</p><lb/>
        <p>Wie aus dem Vorgesagten ersichtlich, ist das Princip<lb/>
des Marmorirens ein
                     a&#x0364;ußerst einfaches &#x2013; Aufsprengen einer<lb/>
du&#x0364;nnen
                     Farbenschicht auf einen diese nicht aufnehmenden<lb/>
flu&#x0364;ssigen Grund und
                     Abheben mittelst einer eingetauchten<lb/>
Fla&#x0364;che &#x2013; und es kann in
                     der That auch jedermann, der<lb/>
dieses Princip und die Eigenschaften, welche
                     Galle und<lb/>
Seifenwasser den Farben verleihen, erfaßt hat, die Kunst<lb/>
des
                     Marmorirens leicht ausu&#x0364;ben. Daß eine la&#x0364;ngere
                     Praxis<lb/>
scho&#x0364;nere Marmorirungen zu Wege bringt, als es bei
                     Beginn<lb/>
der Arbeit mo&#x0364;glich ist, ist umsomehr einleuchtend, als
                     die<lb/>
verschiedenen kleinen Vortheile nur durch die Praxis erlernt<lb/>
werden
                     ko&#x0364;nnen; die langathmigsten Erkla&#x0364;rungen, und seien
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0021] haltene Zeichnung bleibt so lange unveraͤndert stehen, daß man genuͤgend Zeit hat, sie mittelst des Buchschnittes oder eines Blattes abzuheben. Je mehr Farben aufgesprengt werden, um so bunter ist natuͤrlich der Farbenteppich und der durch Abheben erhaltene Marmor, und je groͤßer die Farbencontraste sind, um so greller ist auch der Marmor; man wird aber immer trachten, die Farben so zu waͤhlen, daß sie harmoniren. Besprengt man einen sehr schwachen Farbenteppich aus zwei oder drei Farben mittelst eines Reisstrohbesens mit Seifenwasser (venetianische Seife in Wasser geloͤst) ziemlich reich, so ziehen sich die Farben zu sehr feinen Adern zu- sammen und lassen die weitaus groͤßere Flaͤche des Grundes unbedeckt; wird nun diese Farbe abgehoben, so bleiben die feinen Adern auf dem Schnitte oder dem Papierblatte haften und lassen jene Stellen, an welchen sich das Seifenwasser auf dem Grunde befand, weiß (Spinnschnitt, Feinadermarmor).. Wird auf einem satten Farbenteppich oder auf einem mit dem Kamm oder in anderer Weise behandelten Farbenteppich nur sehr wenig Seifenwasser und in groͤßeren Tropfen auf- gesprengt, so treibt dieser Tropfen die Farbe an derselben Stelle zusammen und es erscheint beim Abheben ein weißer Fleck – auf der ganzen Flaͤche vertheilt, sind dann natuͤrlich mehrere solcher Flecke, eine ganze Anzahl groͤßerer oder kleinerer, welche der Zeichnung den fleckigen Charakter des Oelschnittes verleihen. Wie aus dem Vorgesagten ersichtlich, ist das Princip des Marmorirens ein aͤußerst einfaches – Aufsprengen einer duͤnnen Farbenschicht auf einen diese nicht aufnehmenden fluͤssigen Grund und Abheben mittelst einer eingetauchten Flaͤche – und es kann in der That auch jedermann, der dieses Princip und die Eigenschaften, welche Galle und Seifenwasser den Farben verleihen, erfaßt hat, die Kunst des Marmorirens leicht ausuͤben. Daß eine laͤngere Praxis schoͤnere Marmorirungen zu Wege bringt, als es bei Beginn der Arbeit moͤglich ist, ist umsomehr einleuchtend, als die verschiedenen kleinen Vortheile nur durch die Praxis erlernt werden koͤnnen; die langathmigsten Erklaͤrungen, und seien

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-22T15:09:30Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Marc Kuse: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-22T15:09:30Z)
Thomas Gloning: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-07-22T15:09:30Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeck_marmorirkunst_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeck_marmorirkunst_1896/21
Zitationshilfe: Boeck, Josef Phileas: Marmorirkunst. 2. Aufl. Wien u. a., 1896, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeck_marmorirkunst_1896/21>, abgerufen am 21.11.2024.