von den alten auf den Lederhandschuh gebundenen Scheibchen her- schreibt, so lässt doch die Beschränkung ihres späteren Vorkommens auf den linksseitigen Handschuh erkennen, dass sie entweder zur sicheren Befestigung der Zügelriemen, oder beim Gebrauche eines Schildes zu dessen festerer Anlehnung diente.
Am Beginne des 16. Jahrhunderts hatten sich die Handschuhe schon vollständig ausgebildet, ja man begegnet schon um 1510 Ver- suchen, der Nachteile derselben sich zu erwehren. So kommen in dieser Periode schon durchlöcherte Handschuhe vor, um die Aus- dünstung der Hände zu befördern. Wir bringen hier einen solchen von einem Harnische des Kaisers Maximilians I. (Fig. 79.)
Am Ende des 15. Jahrhunderts um 1470 etwa begegnen wir an Nürnberger Harnischen Handschuhen von vollendet schöner Form im Stile der Spätgotik. Die zahlreichen Folgen sind seicht gekehlt und an den Rändern, den sogenannten Fürfeilen, gezackt ge- schnitten und durchbrochen gearbeitet. Die ganze Arbeit erinnert an ein Spitzengewebe. Die Knöchel bedecken spitz getriebene Eisen- oder Messingbuckel von eleganter Zeichnung. Die Ränder der langen, spitz geschnittenen Stulpen sind von Messing mit zarten lilienförmigen Dessins. Das Ende des 15. Jahrhunderts ist die Blütezeit der Plattnerei, es zeigt sich das nicht wenig in der Form des Hand- schuhes. (Fig. 80.)
Im 16. Jahrhundert ging man im allgemeinen wieder auf die älteren Formen zurück. Die Hauptformen ändern sich wenig, die dekorative Ausstattung soll den Mangel einer entsprechenden Weiter- bildung der Form ersetzen. Um 1510 treten die geriffelten Formen auf, welche die Maximiliansharnische charakterisieren. Die Stulpen werden bei wenig konischer Bildung wieder kurz. Die gefingerten Handschuhe werden gebräuchlicher, die Hentzen seltener. (Fig. 81.)
Einer Eigentümlichkeit an Handschuhen deutscher Arbeit müssen wir gedenken. Man wird nämlich an solchen, nahezu durchweg am äusseren Knöchel der Handwurzel, einen kleinen Buckel aufgetrieben finden. Wir haben es hier mit einer Handwerksgewohnheit deutscher Werkstätten zu thun, die sich aus dem 15. Jahrhundert herschreibt. Italienische Meister, welche den Knöchelauftrieb fertigen, waren sicher einst in deutschen Werkstätten beschäftigt. Man findet solchen übrigens an italienischen Arbeiten äusserst selten.
Um 1530, in jener Periode, in welcher der Einfluss des Lands- knechtwesens mächtig wird, erwacht das Bestreben, die Handschuhe leichter und beweglicher zu machen. In dieser Zeit treffen wir Hand- schuhe zwar mit etwas längeren, öfter geschweiften Stulpen, aber ohne Fingergeschübe. Der Schutz der Finger wird durch Streifen von Panzer- zeug, aus kleinen Eisenringelchen (Panzerstücken) bestehend, gebildet, welche auf die obere Seite des Lederhandschuhes genäht werden (Fig. 82). Diese Form erhält sich bis ins 17. Jahrhundert. Um 1540 wird
I. Die Schutzwaffen.
von den alten auf den Lederhandschuh gebundenen Scheibchen her- schreibt, so läſst doch die Beschränkung ihres späteren Vorkommens auf den linksseitigen Handschuh erkennen, daſs sie entweder zur sicheren Befestigung der Zügelriemen, oder beim Gebrauche eines Schildes zu dessen festerer Anlehnung diente.
Am Beginne des 16. Jahrhunderts hatten sich die Handschuhe schon vollständig ausgebildet, ja man begegnet schon um 1510 Ver- suchen, der Nachteile derselben sich zu erwehren. So kommen in dieser Periode schon durchlöcherte Handschuhe vor, um die Aus- dünstung der Hände zu befördern. Wir bringen hier einen solchen von einem Harnische des Kaisers Maximilians I. (Fig. 79.)
Am Ende des 15. Jahrhunderts um 1470 etwa begegnen wir an Nürnberger Harnischen Handschuhen von vollendet schöner Form im Stile der Spätgotik. Die zahlreichen Folgen sind seicht gekehlt und an den Rändern, den sogenannten Fürfeilen, gezackt ge- schnitten und durchbrochen gearbeitet. Die ganze Arbeit erinnert an ein Spitzengewebe. Die Knöchel bedecken spitz getriebene Eisen- oder Messingbuckel von eleganter Zeichnung. Die Ränder der langen, spitz geschnittenen Stulpen sind von Messing mit zarten lilienförmigen Dessins. Das Ende des 15. Jahrhunderts ist die Blütezeit der Plattnerei, es zeigt sich das nicht wenig in der Form des Hand- schuhes. (Fig. 80.)
Im 16. Jahrhundert ging man im allgemeinen wieder auf die älteren Formen zurück. Die Hauptformen ändern sich wenig, die dekorative Ausstattung soll den Mangel einer entsprechenden Weiter- bildung der Form ersetzen. Um 1510 treten die geriffelten Formen auf, welche die Maximiliansharnische charakterisieren. Die Stulpen werden bei wenig konischer Bildung wieder kurz. Die gefingerten Handschuhe werden gebräuchlicher, die Hentzen seltener. (Fig. 81.)
Einer Eigentümlichkeit an Handschuhen deutscher Arbeit müssen wir gedenken. Man wird nämlich an solchen, nahezu durchweg am äuſseren Knöchel der Handwurzel, einen kleinen Buckel aufgetrieben finden. Wir haben es hier mit einer Handwerksgewohnheit deutscher Werkstätten zu thun, die sich aus dem 15. Jahrhundert herschreibt. Italienische Meister, welche den Knöchelauftrieb fertigen, waren sicher einst in deutschen Werkstätten beschäftigt. Man findet solchen übrigens an italienischen Arbeiten äuſserst selten.
Um 1530, in jener Periode, in welcher der Einfluſs des Lands- knechtwesens mächtig wird, erwacht das Bestreben, die Handschuhe leichter und beweglicher zu machen. In dieser Zeit treffen wir Hand- schuhe zwar mit etwas längeren, öfter geschweiften Stulpen, aber ohne Fingergeschübe. Der Schutz der Finger wird durch Streifen von Panzer- zeug, aus kleinen Eisenringelchen (Panzerstücken) bestehend, gebildet, welche auf die obere Seite des Lederhandschuhes genäht werden (Fig. 82). Diese Form erhält sich bis ins 17. Jahrhundert. Um 1540 wird
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I. Die Schutzwaffen.
von den alten auf den Lederhandschuh gebundenen Scheibchen her-
schreibt, so läſst doch die Beschränkung ihres späteren Vorkommens
auf den linksseitigen Handschuh erkennen, daſs sie entweder zur
sicheren Befestigung der Zügelriemen, oder beim Gebrauche eines
Schildes zu dessen festerer Anlehnung diente.
Am Beginne des 16. Jahrhunderts hatten sich die Handschuhe
schon vollständig ausgebildet, ja man begegnet schon um 1510 Ver-
suchen, der Nachteile derselben sich zu erwehren. So kommen in
dieser Periode schon durchlöcherte Handschuhe vor, um die Aus-
dünstung der Hände zu befördern. Wir bringen hier einen solchen
von einem Harnische des Kaisers Maximilians I. (Fig. 79.)
Am Ende des 15. Jahrhunderts um 1470 etwa begegnen wir
an Nürnberger Harnischen Handschuhen von vollendet schöner Form
im Stile der Spätgotik. Die zahlreichen Folgen sind seicht gekehlt
und an den Rändern, den sogenannten Fürfeilen, gezackt ge-
schnitten und durchbrochen gearbeitet. Die ganze Arbeit erinnert
an ein Spitzengewebe. Die Knöchel bedecken spitz getriebene Eisen-
oder Messingbuckel von eleganter Zeichnung. Die Ränder der langen,
spitz geschnittenen Stulpen sind von Messing mit zarten lilienförmigen
Dessins. Das Ende des 15. Jahrhunderts ist die Blütezeit der
Plattnerei, es zeigt sich das nicht wenig in der Form des Hand-
schuhes. (Fig. 80.)
Im 16. Jahrhundert ging man im allgemeinen wieder auf die
älteren Formen zurück. Die Hauptformen ändern sich wenig, die
dekorative Ausstattung soll den Mangel einer entsprechenden Weiter-
bildung der Form ersetzen. Um 1510 treten die geriffelten Formen
auf, welche die Maximiliansharnische charakterisieren. Die Stulpen
werden bei wenig konischer Bildung wieder kurz. Die gefingerten
Handschuhe werden gebräuchlicher, die Hentzen seltener. (Fig. 81.)
Einer Eigentümlichkeit an Handschuhen deutscher Arbeit müssen
wir gedenken. Man wird nämlich an solchen, nahezu durchweg am
äuſseren Knöchel der Handwurzel, einen kleinen Buckel aufgetrieben
finden. Wir haben es hier mit einer Handwerksgewohnheit deutscher
Werkstätten zu thun, die sich aus dem 15. Jahrhundert herschreibt.
Italienische Meister, welche den Knöchelauftrieb fertigen, waren sicher
einst in deutschen Werkstätten beschäftigt. Man findet solchen
übrigens an italienischen Arbeiten äuſserst selten.
Um 1530, in jener Periode, in welcher der Einfluſs des Lands-
knechtwesens mächtig wird, erwacht das Bestreben, die Handschuhe
leichter und beweglicher zu machen. In dieser Zeit treffen wir Hand-
schuhe zwar mit etwas längeren, öfter geschweiften Stulpen, aber ohne
Fingergeschübe. Der Schutz der Finger wird durch Streifen von Panzer-
zeug, aus kleinen Eisenringelchen (Panzerstücken) bestehend, gebildet,
welche auf die obere Seite des Lederhandschuhes genäht werden (Fig. 82).
Diese Form erhält sich bis ins 17. Jahrhundert. Um 1540 wird
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/100>, abgerufen am 21.11.2024.
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