Auch der Haubert erleidet wesentliche Veränderungen in seinem Schnitte. Er wird allgemach enger oder doch mehr in die Weichen geschnitten. Um 1320 beginnt eine bemerkenswerte Mode, den Schwertgürtel sehr tief an den Lenden zu tragen. Aus dem Schwert- gürtel bildete sich jener steife, ringförmige Gürtel, der als ein Zeichen ritterlicher Würde tief an den Lenden getragen wurde. Gegen die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts wird er immer reicher verziert. Einzelne derselben gehören zu den schönsten Werken der Gold- schmiedekunst. Der ritterliche Gürtel (cingulum militare, im Deutschen "Dupsing" genannt), der auch am bürgerlichen Kleide, vorzugsweise aber auf dem Harnische getragen wurde, war vorzüglich in Frank- reich und England, aber auch in Deutschland, weniger in Italien üblich. Er erhält sich bis zur Umänderung des Plattenharnisches in der Renaissance. (Fig. 150.)
Um 1330 verschwinden die faltigen Waffenhemden (cottes d'armes, gambisons) aus den ritterlichen Kriegskörpern und machen eng anliegen- den Platz, die nun auch mit farbiger Seide, Stickerei und Tapisserie geziert werden. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts bildet sich aus dem Haubert allgemach der Lentner. Anfänglich erscheint er als eng anliegendes Überkleid aus dickem Leder, das über dem eng anschliessenden Haubert rückwärts geschnürt getragen wird (juste au corps); später wird der Haubert zum einfachen Kettenhemde, über welches der scharf in die Weichen geschnittene Lentner angezogen und an der Brust zugeschnürt wird, wie wir in Fig. 150 ersehen. Die Helmbrünne, nun vom Kettenhemd getrennt, fällt als Kragen über Brust und Schultern herab. In dieser Periode ist das aus Platten gebildete Arm- und Beinzeug bereits allenthalben üblich, wenn auch Arm- und Beinbekleidungen aus Panzerzeug und selbst aus Schuppen- werk immer und lange noch nebenher im Gebrauch bleiben. In Frankreich wird noch der bliaud, zuweilen auch gezaddelt, getragen. Zwei Modeerscheinungen treten um 1350 auf, die übertrieben spitzen Eisen- schuhe und die Schellengürtel. Sie sind für den Beginn eines über- triebenen Luxus im gesamten ritterlichen Leben der Zeit charak- teristisch. In der 2. Hälfte des Jahrhunderts verschwindet das Nasenband, jener Lappen aus Panzerzeug, der an der Brünne vom Kinne über das Gesicht hinaufgeschlagen und an der Beckenhaube be- festigt wurde, gänzlich, dafür wird immer häufiger das Visier, das in vielen Gestalten auftritt. Nicht selten ist es schnabelförmig spitz ge- bildet in einer Form, die an die Hundeschnauze erinnert und davon im östlichen Deutschland, wo die gemeine Beckenhaube im Volks- munde "Gugel" hiess, Hundsgugel genannt wurde. Sie verschwindet erst um 1430. Seit dem 14. Jahrhundert tragen auch Ritter den Eisenhut mit oft breiter Krempe in Verbindung mit der Halsbrünne.
Von etwa 1360 an tritt das Bestreben auf, den immerhin wenig hiebfesten Lentner durch Eisenplatten zu verstärken. Das geschieht
Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
Auch der Haubert erleidet wesentliche Veränderungen in seinem Schnitte. Er wird allgemach enger oder doch mehr in die Weichen geschnitten. Um 1320 beginnt eine bemerkenswerte Mode, den Schwertgürtel sehr tief an den Lenden zu tragen. Aus dem Schwert- gürtel bildete sich jener steife, ringförmige Gürtel, der als ein Zeichen ritterlicher Würde tief an den Lenden getragen wurde. Gegen die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts wird er immer reicher verziert. Einzelne derselben gehören zu den schönsten Werken der Gold- schmiedekunst. Der ritterliche Gürtel (cingulum militare, im Deutschen „Dupsing“ genannt), der auch am bürgerlichen Kleide, vorzugsweise aber auf dem Harnische getragen wurde, war vorzüglich in Frank- reich und England, aber auch in Deutschland, weniger in Italien üblich. Er erhält sich bis zur Umänderung des Plattenharnisches in der Renaissance. (Fig. 150.)
Um 1330 verschwinden die faltigen Waffenhemden (cottes d’armes, gambisons) aus den ritterlichen Kriegskörpern und machen eng anliegen- den Platz, die nun auch mit farbiger Seide, Stickerei und Tapisserie geziert werden. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts bildet sich aus dem Haubert allgemach der Lentner. Anfänglich erscheint er als eng anliegendes Überkleid aus dickem Leder, das über dem eng anschlieſsenden Haubert rückwärts geschnürt getragen wird (juste au corps); später wird der Haubert zum einfachen Kettenhemde, über welches der scharf in die Weichen geschnittene Lentner angezogen und an der Brust zugeschnürt wird, wie wir in Fig. 150 ersehen. Die Helmbrünne, nun vom Kettenhemd getrennt, fällt als Kragen über Brust und Schultern herab. In dieser Periode ist das aus Platten gebildete Arm- und Beinzeug bereits allenthalben üblich, wenn auch Arm- und Beinbekleidungen aus Panzerzeug und selbst aus Schuppen- werk immer und lange noch nebenher im Gebrauch bleiben. In Frankreich wird noch der bliaud, zuweilen auch gezaddelt, getragen. Zwei Modeerscheinungen treten um 1350 auf, die übertrieben spitzen Eisen- schuhe und die Schellengürtel. Sie sind für den Beginn eines über- triebenen Luxus im gesamten ritterlichen Leben der Zeit charak- teristisch. In der 2. Hälfte des Jahrhunderts verschwindet das Nasenband, jener Lappen aus Panzerzeug, der an der Brünne vom Kinne über das Gesicht hinaufgeschlagen und an der Beckenhaube be- festigt wurde, gänzlich, dafür wird immer häufiger das Visier, das in vielen Gestalten auftritt. Nicht selten ist es schnabelförmig spitz ge- bildet in einer Form, die an die Hundeschnauze erinnert und davon im östlichen Deutschland, wo die gemeine Beckenhaube im Volks- munde „Gugel“ hieſs, Hundsgugel genannt wurde. Sie verschwindet erst um 1430. Seit dem 14. Jahrhundert tragen auch Ritter den Eisenhut mit oft breiter Krempe in Verbindung mit der Halsbrünne.
Von etwa 1360 an tritt das Bestreben auf, den immerhin wenig hiebfesten Lentner durch Eisenplatten zu verstärken. Das geschieht
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
Auch der Haubert erleidet wesentliche Veränderungen in seinem
Schnitte. Er wird allgemach enger oder doch mehr in die Weichen
geschnitten. Um 1320 beginnt eine bemerkenswerte Mode, den
Schwertgürtel sehr tief an den Lenden zu tragen. Aus dem Schwert-
gürtel bildete sich jener steife, ringförmige Gürtel, der als ein Zeichen
ritterlicher Würde tief an den Lenden getragen wurde. Gegen die
2. Hälfte des 14. Jahrhunderts wird er immer reicher verziert.
Einzelne derselben gehören zu den schönsten Werken der Gold-
schmiedekunst. Der ritterliche Gürtel (cingulum militare, im Deutschen
„Dupsing“ genannt), der auch am bürgerlichen Kleide, vorzugsweise
aber auf dem Harnische getragen wurde, war vorzüglich in Frank-
reich und England, aber auch in Deutschland, weniger in Italien
üblich. Er erhält sich bis zur Umänderung des Plattenharnisches in
der Renaissance. (Fig. 150.)
Um 1330 verschwinden die faltigen Waffenhemden (cottes d’armes,
gambisons) aus den ritterlichen Kriegskörpern und machen eng anliegen-
den Platz, die nun auch mit farbiger Seide, Stickerei und Tapisserie
geziert werden. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts bildet sich aus
dem Haubert allgemach der Lentner. Anfänglich erscheint er als
eng anliegendes Überkleid aus dickem Leder, das über dem eng
anschlieſsenden Haubert rückwärts geschnürt getragen wird (juste au
corps); später wird der Haubert zum einfachen Kettenhemde, über
welches der scharf in die Weichen geschnittene Lentner angezogen
und an der Brust zugeschnürt wird, wie wir in Fig. 150 ersehen.
Die Helmbrünne, nun vom Kettenhemd getrennt, fällt als Kragen über
Brust und Schultern herab. In dieser Periode ist das aus Platten
gebildete Arm- und Beinzeug bereits allenthalben üblich, wenn auch
Arm- und Beinbekleidungen aus Panzerzeug und selbst aus Schuppen-
werk immer und lange noch nebenher im Gebrauch bleiben. In
Frankreich wird noch der bliaud, zuweilen auch gezaddelt, getragen. Zwei
Modeerscheinungen treten um 1350 auf, die übertrieben spitzen Eisen-
schuhe und die Schellengürtel. Sie sind für den Beginn eines über-
triebenen Luxus im gesamten ritterlichen Leben der Zeit charak-
teristisch. In der 2. Hälfte des Jahrhunderts verschwindet das
Nasenband, jener Lappen aus Panzerzeug, der an der Brünne vom
Kinne über das Gesicht hinaufgeschlagen und an der Beckenhaube be-
festigt wurde, gänzlich, dafür wird immer häufiger das Visier, das in
vielen Gestalten auftritt. Nicht selten ist es schnabelförmig spitz ge-
bildet in einer Form, die an die Hundeschnauze erinnert und davon
im östlichen Deutschland, wo die gemeine Beckenhaube im Volks-
munde „Gugel“ hieſs, Hundsgugel genannt wurde. Sie verschwindet
erst um 1430. Seit dem 14. Jahrhundert tragen auch Ritter den
Eisenhut mit oft breiter Krempe in Verbindung mit der Halsbrünne.
Von etwa 1360 an tritt das Bestreben auf, den immerhin wenig
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/157>, abgerufen am 24.11.2024.
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