Beigabe, aber um 1410 erscheinen die kleinen Achselstücke geschoben und bereits in Verbindung mit dem Brust- und Rückenstücke und von beiden letzteren herab verbreiten sich einem Schurze gleich die Bauch- und Gesässreifen in 3 bis 5 Geschüben. (Fig. 152.) Ebenso beginnt man die ungedeckten Stellen an den Achselhöhlen durch Schwebescheiben zu sichern. An den Mäuseln und Kniebuckeln erscheinen Muscheln von anfänglich sehr geringen Dimensionen. Wir nähern uns der Periode der Zaddeltracht, die auch bei dem ge- harnischten Manne zumal bei festlichen Gelegenheiten zur Geltung gelangt. In Italien werden bis ans Ende des 15. Jahrhunderts über den Rücken gezogene Mäntel getragen, von den Achseln fallen lange gezaddelte, weite Ärmel, bei manchem bis auf den Boden herab. Überhaupt kommen in Italien um diese Periode kurze, bis an die, Kniee reichende Harnischhemden in Aufnahme, die, meist ärmellos in der Mitte des Leibes durch einen Gürtel gehalten werden. (Fig. 153 und 154.)
Das Bestreben, den Unterleib ausgiebiger zu schützen, veran- lasst um 1430 den anfänglich schüchtern auftretenden Versuch, an den Unterrand der Bauchreifen eine weitere Folge derart anzufügen, dass diese, um zu Pferde nicht hinderlich zu sein, frei beweglich bleiben; damit ersehen wir die ersten Beintaschen erstehen. Um 1420 begegnen wir bereits Achselstücken mit Flügen; die rechts- seitigen sind meist tiefer eingeschnitten, um den Spiess in die Achsel- höhle setzen zu können. Der linke Mäusel erhält eine Verstärkung, die anfänglich angebunden wird. Dieser "Stechmäusel" erhält zu- weilen grosse Dimensionen. An der linken Achsel (Hiebseite) treten die ersten Stauchen oder Brechränder auf, um den wenig gesicherten Hals ausreichender zu schützen. Vom ersten Auftreten des Platten- harnisches an wird unter selbem das Panzerhemd aus ineinanderge- flochtenen Ringen getragen, anfänglich auch derlei Beinkleider mit den Schuhen in Verbindung. Bei den ältesten sind noch alle Ringe verschweisst, bei jenen des 15. Jahrhunderts findet sich nur jeder zweite verschweisst, der andere vernietet, was aus dem Nietköpfchen zu erkennen ist, das sich an jedem derlei Ringe findet; im 16. Jahr- hundert werden die Panzerhemden, besonders die italienischen und spanischen, ungemein fein gearbeitet, sie besitzen durchweg genietete Ringelchen. (Fig. 155, 156.)
Die Bestimmung des Alters und des Erzeugungsortes eines Panzerhemdes ist eine schwierige Aufgabe, zumal diesem Gegenstande noch wenig Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Deutsche des 15. Jahrhunderts bestehen im allgemeinen aus grösseren Ringen, während in jener Zeit die italienischen, besonders die mailändischen bedeutend feiner sind. Auch in der Art der Verflechtung der Ringe finden sich Unterschiede. Von etwa 1420 an trägt man in Italien auch zwei Panzerhemden übereinander; ein gröberes über ein feineres,
I. Die Schutzwaffen.
Beigabe, aber um 1410 erscheinen die kleinen Achselstücke geschoben und bereits in Verbindung mit dem Brust- und Rückenstücke und von beiden letzteren herab verbreiten sich einem Schurze gleich die Bauch- und Gesäſsreifen in 3 bis 5 Geschüben. (Fig. 152.) Ebenso beginnt man die ungedeckten Stellen an den Achselhöhlen durch Schwebescheiben zu sichern. An den Mäuseln und Kniebuckeln erscheinen Muscheln von anfänglich sehr geringen Dimensionen. Wir nähern uns der Periode der Zaddeltracht, die auch bei dem ge- harnischten Manne zumal bei festlichen Gelegenheiten zur Geltung gelangt. In Italien werden bis ans Ende des 15. Jahrhunderts über den Rücken gezogene Mäntel getragen, von den Achseln fallen lange gezaddelte, weite Ärmel, bei manchem bis auf den Boden herab. Überhaupt kommen in Italien um diese Periode kurze, bis an die, Kniee reichende Harnischhemden in Aufnahme, die, meist ärmellos in der Mitte des Leibes durch einen Gürtel gehalten werden. (Fig. 153 und 154.)
Das Bestreben, den Unterleib ausgiebiger zu schützen, veran- laſst um 1430 den anfänglich schüchtern auftretenden Versuch, an den Unterrand der Bauchreifen eine weitere Folge derart anzufügen, daſs diese, um zu Pferde nicht hinderlich zu sein, frei beweglich bleiben; damit ersehen wir die ersten Beintaschen erstehen. Um 1420 begegnen wir bereits Achselstücken mit Flügen; die rechts- seitigen sind meist tiefer eingeschnitten, um den Spieſs in die Achsel- höhle setzen zu können. Der linke Mäusel erhält eine Verstärkung, die anfänglich angebunden wird. Dieser „Stechmäusel“ erhält zu- weilen groſse Dimensionen. An der linken Achsel (Hiebseite) treten die ersten Stauchen oder Brechränder auf, um den wenig gesicherten Hals ausreichender zu schützen. Vom ersten Auftreten des Platten- harnisches an wird unter selbem das Panzerhemd aus ineinanderge- flochtenen Ringen getragen, anfänglich auch derlei Beinkleider mit den Schuhen in Verbindung. Bei den ältesten sind noch alle Ringe verschweiſst, bei jenen des 15. Jahrhunderts findet sich nur jeder zweite verschweiſst, der andere vernietet, was aus dem Nietköpfchen zu erkennen ist, das sich an jedem derlei Ringe findet; im 16. Jahr- hundert werden die Panzerhemden, besonders die italienischen und spanischen, ungemein fein gearbeitet, sie besitzen durchweg genietete Ringelchen. (Fig. 155, 156.)
Die Bestimmung des Alters und des Erzeugungsortes eines Panzerhemdes ist eine schwierige Aufgabe, zumal diesem Gegenstande noch wenig Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Deutsche des 15. Jahrhunderts bestehen im allgemeinen aus gröſseren Ringen, während in jener Zeit die italienischen, besonders die mailändischen bedeutend feiner sind. Auch in der Art der Verflechtung der Ringe finden sich Unterschiede. Von etwa 1420 an trägt man in Italien auch zwei Panzerhemden übereinander; ein gröberes über ein feineres,
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I. Die Schutzwaffen.
Beigabe, aber um 1410 erscheinen die kleinen Achselstücke geschoben
und bereits in Verbindung mit dem Brust- und Rückenstücke und
von beiden letzteren herab verbreiten sich einem Schurze gleich die
Bauch- und Gesäſsreifen in 3 bis 5 Geschüben. (Fig. 152.) Ebenso
beginnt man die ungedeckten Stellen an den Achselhöhlen durch
Schwebescheiben zu sichern. An den Mäuseln und Kniebuckeln
erscheinen Muscheln von anfänglich sehr geringen Dimensionen. Wir
nähern uns der Periode der Zaddeltracht, die auch bei dem ge-
harnischten Manne zumal bei festlichen Gelegenheiten zur Geltung
gelangt. In Italien werden bis ans Ende des 15. Jahrhunderts über
den Rücken gezogene Mäntel getragen, von den Achseln fallen lange
gezaddelte, weite Ärmel, bei manchem bis auf den Boden herab.
Überhaupt kommen in Italien um diese Periode kurze, bis an die,
Kniee reichende Harnischhemden in Aufnahme, die, meist ärmellos
in der Mitte des Leibes durch einen Gürtel gehalten werden. (Fig. 153
und 154.)
Das Bestreben, den Unterleib ausgiebiger zu schützen, veran-
laſst um 1430 den anfänglich schüchtern auftretenden Versuch, an
den Unterrand der Bauchreifen eine weitere Folge derart anzufügen,
daſs diese, um zu Pferde nicht hinderlich zu sein, frei beweglich
bleiben; damit ersehen wir die ersten Beintaschen erstehen. Um
1420 begegnen wir bereits Achselstücken mit Flügen; die rechts-
seitigen sind meist tiefer eingeschnitten, um den Spieſs in die Achsel-
höhle setzen zu können. Der linke Mäusel erhält eine Verstärkung,
die anfänglich angebunden wird. Dieser „Stechmäusel“ erhält zu-
weilen groſse Dimensionen. An der linken Achsel (Hiebseite) treten
die ersten Stauchen oder Brechränder auf, um den wenig gesicherten
Hals ausreichender zu schützen. Vom ersten Auftreten des Platten-
harnisches an wird unter selbem das Panzerhemd aus ineinanderge-
flochtenen Ringen getragen, anfänglich auch derlei Beinkleider mit
den Schuhen in Verbindung. Bei den ältesten sind noch alle Ringe
verschweiſst, bei jenen des 15. Jahrhunderts findet sich nur jeder
zweite verschweiſst, der andere vernietet, was aus dem Nietköpfchen
zu erkennen ist, das sich an jedem derlei Ringe findet; im 16. Jahr-
hundert werden die Panzerhemden, besonders die italienischen und
spanischen, ungemein fein gearbeitet, sie besitzen durchweg genietete
Ringelchen. (Fig. 155, 156.)
Die Bestimmung des Alters und des Erzeugungsortes eines
Panzerhemdes ist eine schwierige Aufgabe, zumal diesem Gegenstande
noch wenig Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Deutsche des 15.
Jahrhunderts bestehen im allgemeinen aus gröſseren Ringen, während
in jener Zeit die italienischen, besonders die mailändischen bedeutend
feiner sind. Auch in der Art der Verflechtung der Ringe finden
sich Unterschiede. Von etwa 1420 an trägt man in Italien auch
zwei Panzerhemden übereinander; ein gröberes über ein feineres,
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/160>, abgerufen am 25.11.2024.
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