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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
nennen sie aus diesem Grunde richtiger Maximiliansharnische.
Gegen den Hieb hatte sich die Voraussetzung des Erfinders aller-
dings bewährt, nicht aber gegen die Geschosse der Fernwaffen. Der
geringe Vorteil und die bedeutenderen Kosten waren Ursache, dass
diese eigenartigen Formen um 1530 wieder verschwanden. Eine
Variante dieser Maximiliansharnische ist in dem sogenannten "Pfeifen-
harnisch
" zu erblicken, der mit hohl ausgetriebenen Stäben (Pfeifen)
ausgestattet ist. (Fig. 165.)

Der Plattenharnisch war um 1500 zu allgemeiner Beliebtheit
gekommen; er erschien von da an ebenso in der Schlacht, im Turnier,
wie bei festlicher Gelegenheit und im bürgerlichen Leben. Unter
solchen Verhältnissen bildete sich derselbe auch zum reich ausgestatteten
Prunkkleide. Zunächst waren die Plattner bestrebt, einen und den-
selben Harnisch derart auszustatten, dass derselbe für das Feld, wie
auch für die verschiedenen Turnierarten, wie nicht minder als knech-
tischer oder leichter Trabharnisch in Gebrauch genommen werden
konnte. Dadurch bildeten sich ganze Harnischgarnituren, die durch
Zusammenstellung der verschiedenartigsten Wechsel- und Verstärkungs-
stücke für alle Fälle zu verwenden waren. Die älteste derlei Gar-
nitur, die dem Verfasser vor Augen gekommen ist, datiert von un-
gefähr 1510. Diese Garnituren gelangen um 1520 zu einer un-
gemeinen Beliebtheit; einzelne gestatten die Bildung von höfischen
Kleidern, die die Landsknecht- oder überhaupt irgend eine Mode-
tracht darstellen, wie der prächtige Harnisch G. 23 im Artillerie-
museum in Paris, oder der Harnisch des Wilhelm von Roggendorff
mit den weiten bauschigen Ärmeln in der kaiserlichen Waffensamm-
lung zu Wien, die zu den Meisterwerken der Plattnerkunst zählen.
(Fig. 166.) Noch 1549 findet der Augsburger Plattner Mathäus
Frauenbreys es nötig, einer Harnischgarnitur für Maximilian II. die
Wechselstücke für einen Harnisch für den Fusskampf (mit kurzem
Schurze) beizugeben, der längst ausser Übung gekommen war. Von
1500 bis 1530 etwa begegnen wir Helmen mit Visieren, die eine
abschreckende Fratze darstellen, den sogenannten "Teufelsschembart".
Hier berührt sich deutscher Geschmack mit jenem der Japaner und
Chinesen. Es war eben eine Zeit der Ungebundenheit, der lockeren
Sitte über das deutsche Kriegsvolk gekommen, die sich auch in dem
obscönen "Latz" (latus) kennzeichnet, den der übermütige, rohe Lands-
knecht mit ebenso wenig Schamgefühl wie der turnierfähige Ritter trägt.

In das Ende der oben bezeichneten Zeitperiode fällt auch die
übertriebene Ausgestaltung der Bruststücke zum Tapul, eine Form,
die mehr den Landsknechtkreisen angehört. (Fig. 167.) An ritter-
lichen Harnischen verlängert sich um 1547 allmählich die Brust, die
nun der Länge nach einen flachen Grat erhält. Die Harnischformen
zeigen unwesentliche Veränderungen am Helm, dessen Visier spitzer
und selbst in geschweiften Linien hervortritt und dessen Kamm all-

Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
nennen sie aus diesem Grunde richtiger Maximiliansharnische.
Gegen den Hieb hatte sich die Voraussetzung des Erfinders aller-
dings bewährt, nicht aber gegen die Geschosse der Fernwaffen. Der
geringe Vorteil und die bedeutenderen Kosten waren Ursache, daſs
diese eigenartigen Formen um 1530 wieder verschwanden. Eine
Variante dieser Maximiliansharnische ist in dem sogenannten „Pfeifen-
harnisch
“ zu erblicken, der mit hohl ausgetriebenen Stäben (Pfeifen)
ausgestattet ist. (Fig. 165.)

Der Plattenharnisch war um 1500 zu allgemeiner Beliebtheit
gekommen; er erschien von da an ebenso in der Schlacht, im Turnier,
wie bei festlicher Gelegenheit und im bürgerlichen Leben. Unter
solchen Verhältnissen bildete sich derselbe auch zum reich ausgestatteten
Prunkkleide. Zunächst waren die Plattner bestrebt, einen und den-
selben Harnisch derart auszustatten, daſs derselbe für das Feld, wie
auch für die verschiedenen Turnierarten, wie nicht minder als knech-
tischer oder leichter Trabharnisch in Gebrauch genommen werden
konnte. Dadurch bildeten sich ganze Harnischgarnituren, die durch
Zusammenstellung der verschiedenartigsten Wechsel- und Verstärkungs-
stücke für alle Fälle zu verwenden waren. Die älteste derlei Gar-
nitur, die dem Verfasser vor Augen gekommen ist, datiert von un-
gefähr 1510. Diese Garnituren gelangen um 1520 zu einer un-
gemeinen Beliebtheit; einzelne gestatten die Bildung von höfischen
Kleidern, die die Landsknecht- oder überhaupt irgend eine Mode-
tracht darstellen, wie der prächtige Harnisch G. 23 im Artillerie-
museum in Paris, oder der Harnisch des Wilhelm von Roggendorff
mit den weiten bauschigen Ärmeln in der kaiserlichen Waffensamm-
lung zu Wien, die zu den Meisterwerken der Plattnerkunst zählen.
(Fig. 166.) Noch 1549 findet der Augsburger Plattner Mathäus
Frauenbreys es nötig, einer Harnischgarnitur für Maximilian II. die
Wechselstücke für einen Harnisch für den Fuſskampf (mit kurzem
Schurze) beizugeben, der längst auſser Übung gekommen war. Von
1500 bis 1530 etwa begegnen wir Helmen mit Visieren, die eine
abschreckende Fratze darstellen, den sogenannten „Teufelsschembart“.
Hier berührt sich deutscher Geschmack mit jenem der Japaner und
Chinesen. Es war eben eine Zeit der Ungebundenheit, der lockeren
Sitte über das deutsche Kriegsvolk gekommen, die sich auch in dem
obscönen „Latz“ (latus) kennzeichnet, den der übermütige, rohe Lands-
knecht mit ebenso wenig Schamgefühl wie der turnierfähige Ritter trägt.

In das Ende der oben bezeichneten Zeitperiode fällt auch die
übertriebene Ausgestaltung der Bruststücke zum Tapul, eine Form,
die mehr den Landsknechtkreisen angehört. (Fig. 167.) An ritter-
lichen Harnischen verlängert sich um 1547 allmählich die Brust, die
nun der Länge nach einen flachen Grat erhält. Die Harnischformen
zeigen unwesentliche Veränderungen am Helm, dessen Visier spitzer
und selbst in geschweiften Linien hervortritt und dessen Kamm all-

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[153/0171] Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit. nennen sie aus diesem Grunde richtiger Maximiliansharnische. Gegen den Hieb hatte sich die Voraussetzung des Erfinders aller- dings bewährt, nicht aber gegen die Geschosse der Fernwaffen. Der geringe Vorteil und die bedeutenderen Kosten waren Ursache, daſs diese eigenartigen Formen um 1530 wieder verschwanden. Eine Variante dieser Maximiliansharnische ist in dem sogenannten „Pfeifen- harnisch“ zu erblicken, der mit hohl ausgetriebenen Stäben (Pfeifen) ausgestattet ist. (Fig. 165.) Der Plattenharnisch war um 1500 zu allgemeiner Beliebtheit gekommen; er erschien von da an ebenso in der Schlacht, im Turnier, wie bei festlicher Gelegenheit und im bürgerlichen Leben. Unter solchen Verhältnissen bildete sich derselbe auch zum reich ausgestatteten Prunkkleide. Zunächst waren die Plattner bestrebt, einen und den- selben Harnisch derart auszustatten, daſs derselbe für das Feld, wie auch für die verschiedenen Turnierarten, wie nicht minder als knech- tischer oder leichter Trabharnisch in Gebrauch genommen werden konnte. Dadurch bildeten sich ganze Harnischgarnituren, die durch Zusammenstellung der verschiedenartigsten Wechsel- und Verstärkungs- stücke für alle Fälle zu verwenden waren. Die älteste derlei Gar- nitur, die dem Verfasser vor Augen gekommen ist, datiert von un- gefähr 1510. Diese Garnituren gelangen um 1520 zu einer un- gemeinen Beliebtheit; einzelne gestatten die Bildung von höfischen Kleidern, die die Landsknecht- oder überhaupt irgend eine Mode- tracht darstellen, wie der prächtige Harnisch G. 23 im Artillerie- museum in Paris, oder der Harnisch des Wilhelm von Roggendorff mit den weiten bauschigen Ärmeln in der kaiserlichen Waffensamm- lung zu Wien, die zu den Meisterwerken der Plattnerkunst zählen. (Fig. 166.) Noch 1549 findet der Augsburger Plattner Mathäus Frauenbreys es nötig, einer Harnischgarnitur für Maximilian II. die Wechselstücke für einen Harnisch für den Fuſskampf (mit kurzem Schurze) beizugeben, der längst auſser Übung gekommen war. Von 1500 bis 1530 etwa begegnen wir Helmen mit Visieren, die eine abschreckende Fratze darstellen, den sogenannten „Teufelsschembart“. Hier berührt sich deutscher Geschmack mit jenem der Japaner und Chinesen. Es war eben eine Zeit der Ungebundenheit, der lockeren Sitte über das deutsche Kriegsvolk gekommen, die sich auch in dem obscönen „Latz“ (latus) kennzeichnet, den der übermütige, rohe Lands- knecht mit ebenso wenig Schamgefühl wie der turnierfähige Ritter trägt. In das Ende der oben bezeichneten Zeitperiode fällt auch die übertriebene Ausgestaltung der Bruststücke zum Tapul, eine Form, die mehr den Landsknechtkreisen angehört. (Fig. 167.) An ritter- lichen Harnischen verlängert sich um 1547 allmählich die Brust, die nun der Länge nach einen flachen Grat erhält. Die Harnischformen zeigen unwesentliche Veränderungen am Helm, dessen Visier spitzer und selbst in geschweiften Linien hervortritt und dessen Kamm all-

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/171>, abgerufen am 26.11.2024.