Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.II. Die Angriffswaffen. zuerst die Toledaner Werkstätten, ihnen folgten jene zu Brescia,endlich die Nürnberger. Passau entschloss sich erst spät zu ihrer Einführung. Um 1500 kommt die Tauschierung von Meisterzeichen nur mehr ausnahmsweise bei Solinger Klingen vor. Wir wenden uns nun der orientalischen [Abbildung]
Fig. 290. Klingenerzeugung zu, welche das ganze Mittel-Formen alter hindurch vielfach fördernden Einfluss auf die occidentale Produktion gewonnen hat. In der frühesten Zeit des Islams werden die indischen Schwertklingen und jene von Yemen gerühmt, später in den Kreuzzügen jene aus Syrien und von Damaskus. Diese alten Industrien gingen im 15. Jahrhundert sehr zurück, dafür hoben sich jene in Ägypten, Marokko und Spanien; letztere Orte hatten, wie wir bereits bemerkten, schon zur Zeit der Vandalenherrschaft eine her- vorragende Bedeutung. Vom 9. Jahrhundert an kamen die Klingen aus schwarzem Stahl von Khorassan mit Recht zu hohem Ansehen. Die Klingenfabrikation Toledos fand ihr Entstehen schon im frühen Mittelalter durch die Mauren. Abderhaman II. gestaltete die dortige Industrie vollständig um (822 -- 852), ein Unternehmen, welches von ungemeinem Erfolg begleitet war. Neben Toledo glänzten in der Klingenerzeugung in Spanien im späteren Mittelalter Almeria, Murcia, Granada, vor allem aber Sevilla, im 15. Jahrhundert auch Valencia, Saragossa, Barcelona und Cuelar in der Provinz Segovia. Wir kennen keine spanisch-maurischen Waffen von höherem stätten führen aufser dem Wolf noch das pedum, den bischöflichen Krummstab.
Im 14. Jahrhundert, wenn nicht schon früher, wussten die Passauer Klingen- schmiede ihre Arbeiten mit mystischem Nimbus zu umgeben. Ihre Klingen, angeb- lich unter geheimnisvollen Zeremonien gearbeitet, sollten nicht nur eine stets tödliche Wirkung haben, sondern auch den Träger unverwundbar machen. Dazu mussten allerlei Sprüche, teils religiösen, teils kabbalistischen Inhalts dienen, welche auf den Klingen eingegraben wurden. Ganz analoge Verhältnisse in Bezug auf schlaue Benutzung des Aberglaubens finden sich bei den Waffenschmieden Indiens, Chinas und Japans. Selbst den Türken waren Wolfsklingen und ihre geheime Kraft nicht unbekannt, und die für derlei mystische Vorspiegelungen empfänglichen italienischen Kriegsleute schätzten Wolfsklingen ungemein hoch. II. Die Angriffswaffen. zuerst die Toledaner Werkstätten, ihnen folgten jene zu Brescia,endlich die Nürnberger. Passau entschloſs sich erst spät zu ihrer Einführung. Um 1500 kommt die Tauschierung von Meisterzeichen nur mehr ausnahmsweise bei Solinger Klingen vor. Wir wenden uns nun der orientalischen [Abbildung]
Fig. 290. Klingenerzeugung zu, welche das ganze Mittel-Formen alter hindurch vielfach fördernden Einfluſs auf die occidentale Produktion gewonnen hat. In der frühesten Zeit des Islams werden die indischen Schwertklingen und jene von Yemen gerühmt, später in den Kreuzzügen jene aus Syrien und von Damaskus. Diese alten Industrien gingen im 15. Jahrhundert sehr zurück, dafür hoben sich jene in Ägypten, Marokko und Spanien; letztere Orte hatten, wie wir bereits bemerkten, schon zur Zeit der Vandalenherrschaft eine her- vorragende Bedeutung. Vom 9. Jahrhundert an kamen die Klingen aus schwarzem Stahl von Khorassan mit Recht zu hohem Ansehen. Die Klingenfabrikation Toledos fand ihr Entstehen schon im frühen Mittelalter durch die Mauren. Abderhaman II. gestaltete die dortige Industrie vollständig um (822 — 852), ein Unternehmen, welches von ungemeinem Erfolg begleitet war. Neben Toledo glänzten in der Klingenerzeugung in Spanien im späteren Mittelalter Almeria, Murcia, Granada, vor allem aber Sevilla, im 15. Jahrhundert auch Valencia, Saragossa, Barcelona und Cuelar in der Provinz Segovia. Wir kennen keine spanisch-maurischen Waffen von höherem stätten führen aufser dem Wolf noch das pedum, den bischöflichen Krummstab.
Im 14. Jahrhundert, wenn nicht schon früher, wuſsten die Passauer Klingen- schmiede ihre Arbeiten mit mystischem Nimbus zu umgeben. Ihre Klingen, angeb- lich unter geheimnisvollen Zeremonien gearbeitet, sollten nicht nur eine stets tödliche Wirkung haben, sondern auch den Träger unverwundbar machen. Dazu muſsten allerlei Sprüche, teils religiösen, teils kabbalistischen Inhalts dienen, welche auf den Klingen eingegraben wurden. Ganz analoge Verhältnisse in Bezug auf schlaue Benutzung des Aberglaubens finden sich bei den Waffenschmieden Indiens, Chinas und Japans. Selbst den Türken waren Wolfsklingen und ihre geheime Kraft nicht unbekannt, und die für derlei mystische Vorspiegelungen empfänglichen italienischen Kriegsleute schätzten Wolfsklingen ungemein hoch. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0270" n="252"/><fw place="top" type="header">II. Die Angriffswaffen.</fw><lb/> zuerst die Toledaner Werkstätten, ihnen folgten jene zu Brescia,<lb/> endlich die Nürnberger. Passau entschloſs sich erst spät zu ihrer<lb/> Einführung. Um 1500 kommt die Tauschierung von Meisterzeichen<lb/> nur mehr ausnahmsweise bei Solinger Klingen vor.</p><lb/> <p>Wir wenden uns nun der orientalischen<lb/><figure><head><hi rendition="#g">Fig</hi>. 290.</head><p><hi rendition="#g">Formen<lb/> von Passauer Wolfs-<lb/> zeichen</hi>, graviert und<lb/> mit Messing eingelegt.<lb/> 14. und 15. Jahrhundert.</p></figure><lb/> Klingenerzeugung zu, welche das ganze Mittel-<lb/> alter hindurch vielfach fördernden Einfluſs auf<lb/> die occidentale Produktion gewonnen hat. In<lb/> der frühesten Zeit des Islams werden die indischen<lb/> Schwertklingen und jene von Yemen gerühmt,<lb/> später in den Kreuzzügen jene aus Syrien und<lb/> von Damaskus. Diese alten Industrien gingen<lb/> im 15. Jahrhundert sehr zurück, dafür hoben<lb/> sich jene in Ägypten, Marokko und Spanien;<lb/> letztere Orte hatten, wie wir bereits bemerkten,<lb/> schon zur Zeit der Vandalenherrschaft eine her-<lb/> vorragende Bedeutung. Vom 9. Jahrhundert<lb/> an kamen die Klingen aus schwarzem Stahl von<lb/> Khorassan mit Recht zu hohem Ansehen. Die<lb/> Klingenfabrikation Toledos fand ihr Entstehen<lb/> schon im frühen Mittelalter durch die Mauren.<lb/> Abderhaman II. gestaltete die dortige Industrie<lb/> vollständig um (822 — 852), ein Unternehmen,<lb/> welches von ungemeinem Erfolg begleitet war. Neben Toledo glänzten<lb/> in der Klingenerzeugung in Spanien im späteren Mittelalter Almeria,<lb/> Murcia, Granada, vor allem aber Sevilla, im 15. Jahrhundert auch<lb/> Valencia, Saragossa, Barcelona und Cuelar in der Provinz Segovia.</p><lb/> <p>Wir kennen keine spanisch-maurischen Waffen von höherem<lb/> Alter als dem 15. Jahrhundert. Die schönsten besitzen die Armeria<lb/> Real (Fig. 291) und die Sammlung des Marquis von Villasecca in<lb/> Madrid, in letzterer bewahrt man die Waffen Boabdils. Unter den<lb/> berühmten Meistern spanischer Klingenindustrie, welche wir am Schlusse<lb/> anführen, ragt der Maure <hi rendition="#g">Julian del Rey</hi> hervor. Er war vor 1492<lb/> noch Boabdils Dienstmann, nahm später das Christentum an und<lb/> erfreute sich der hohen Gunst seines Taufpaten, des Königs Ferdi-<lb/><note xml:id="note-0270" prev="#note-0269" place="foot" n="*)">stätten führen aufser dem Wolf noch das pedum, den bischöflichen Krummstab.<lb/> Im 14. Jahrhundert, wenn nicht schon früher, wuſsten die Passauer Klingen-<lb/> schmiede ihre Arbeiten mit mystischem Nimbus zu umgeben. Ihre Klingen, angeb-<lb/> lich unter geheimnisvollen Zeremonien gearbeitet, sollten nicht nur eine stets<lb/> tödliche Wirkung haben, sondern auch den Träger unverwundbar machen. Dazu<lb/> muſsten allerlei Sprüche, teils religiösen, teils kabbalistischen Inhalts dienen, welche<lb/> auf den Klingen eingegraben wurden. Ganz analoge Verhältnisse in Bezug auf<lb/> schlaue Benutzung des Aberglaubens finden sich bei den Waffenschmieden Indiens,<lb/> Chinas und Japans. Selbst den Türken waren Wolfsklingen und ihre geheime<lb/> Kraft nicht unbekannt, und die für derlei mystische Vorspiegelungen empfänglichen<lb/> italienischen Kriegsleute schätzten Wolfsklingen ungemein hoch.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [252/0270]
II. Die Angriffswaffen.
zuerst die Toledaner Werkstätten, ihnen folgten jene zu Brescia,
endlich die Nürnberger. Passau entschloſs sich erst spät zu ihrer
Einführung. Um 1500 kommt die Tauschierung von Meisterzeichen
nur mehr ausnahmsweise bei Solinger Klingen vor.
Wir wenden uns nun der orientalischen
[Abbildung Fig. 290. Formen
von Passauer Wolfs-
zeichen, graviert und
mit Messing eingelegt.
14. und 15. Jahrhundert.]
Klingenerzeugung zu, welche das ganze Mittel-
alter hindurch vielfach fördernden Einfluſs auf
die occidentale Produktion gewonnen hat. In
der frühesten Zeit des Islams werden die indischen
Schwertklingen und jene von Yemen gerühmt,
später in den Kreuzzügen jene aus Syrien und
von Damaskus. Diese alten Industrien gingen
im 15. Jahrhundert sehr zurück, dafür hoben
sich jene in Ägypten, Marokko und Spanien;
letztere Orte hatten, wie wir bereits bemerkten,
schon zur Zeit der Vandalenherrschaft eine her-
vorragende Bedeutung. Vom 9. Jahrhundert
an kamen die Klingen aus schwarzem Stahl von
Khorassan mit Recht zu hohem Ansehen. Die
Klingenfabrikation Toledos fand ihr Entstehen
schon im frühen Mittelalter durch die Mauren.
Abderhaman II. gestaltete die dortige Industrie
vollständig um (822 — 852), ein Unternehmen,
welches von ungemeinem Erfolg begleitet war. Neben Toledo glänzten
in der Klingenerzeugung in Spanien im späteren Mittelalter Almeria,
Murcia, Granada, vor allem aber Sevilla, im 15. Jahrhundert auch
Valencia, Saragossa, Barcelona und Cuelar in der Provinz Segovia.
Wir kennen keine spanisch-maurischen Waffen von höherem
Alter als dem 15. Jahrhundert. Die schönsten besitzen die Armeria
Real (Fig. 291) und die Sammlung des Marquis von Villasecca in
Madrid, in letzterer bewahrt man die Waffen Boabdils. Unter den
berühmten Meistern spanischer Klingenindustrie, welche wir am Schlusse
anführen, ragt der Maure Julian del Rey hervor. Er war vor 1492
noch Boabdils Dienstmann, nahm später das Christentum an und
erfreute sich der hohen Gunst seines Taufpaten, des Königs Ferdi-
*)
*) stätten führen aufser dem Wolf noch das pedum, den bischöflichen Krummstab.
Im 14. Jahrhundert, wenn nicht schon früher, wuſsten die Passauer Klingen-
schmiede ihre Arbeiten mit mystischem Nimbus zu umgeben. Ihre Klingen, angeb-
lich unter geheimnisvollen Zeremonien gearbeitet, sollten nicht nur eine stets
tödliche Wirkung haben, sondern auch den Träger unverwundbar machen. Dazu
muſsten allerlei Sprüche, teils religiösen, teils kabbalistischen Inhalts dienen, welche
auf den Klingen eingegraben wurden. Ganz analoge Verhältnisse in Bezug auf
schlaue Benutzung des Aberglaubens finden sich bei den Waffenschmieden Indiens,
Chinas und Japans. Selbst den Türken waren Wolfsklingen und ihre geheime
Kraft nicht unbekannt, und die für derlei mystische Vorspiegelungen empfänglichen
italienischen Kriegsleute schätzten Wolfsklingen ungemein hoch.
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