A. Blanke Waffen. 2. Das Krummschwert und der Säbel.
Der ältere Griff an orientalischen Krummschwertern ist für uns auch darum wichtig, weil aus ihm sich allmählich der heutige Säbel- griff herausgebildet hat. Speziell ist es die am oberen Griffende sitzende "Kappe", welche ein charakteristisches Merkmal darstellt, wie nicht minder die nach auf- und abwärts gerichteten Ansätze an der Parierstange (Mitteleisen). Die Kappe breitete sich später über den Rücken des Griffes aus, dadurch wurde der moderne Griff in seiner heutigen Gestalt gebildet. Die vordere Parierstange fiel weg und wurde durch den Griffbügel ersetzt. Die Ansätze aber finden wir noch an Infanteriesäbeln vom Anfange unseres Jahrhunderts. Voll- ständig von den Orientalen ist die heute übliche Tragart an der Schleppkuppel abgenommen, welche schon im 15. Jahrhundert, wenn nicht früher im Oriente gebräuchlich war. Der Säbel Zrinyis (Fig. 312) gibt hierzu einen deutlichen Beleg.
Bemerkenswert ist an orientalischen Krummschwertern der Ab- gang des Griffbügels, ungeachtet er sich an arabischen Schwertern findet. An ungarischen Säbeln ist derselbe durch eine Kette (Bügel- kette) ersetzt, die eigentlich nutzlos ist. Häufig ist die Kappe durch- löchert und durch die Öffnung eine Schnur gezogen, die, da sie im Gefechte um die Hand gewunden wurde, einen praktischen Nutzen gewährte. Auch diese Handschnur fand in Europa Nachahmung.
Wiewohl die Eisenindustrie von Damaskus vom 15. Jahrhundert an im merklichen Rückgange begriffen war, so gelang es ihr doch noch, die persischen Klingen vom westorientalischen Markte nahezu zu verdrängen, so dass um 1550 Khorassanklingen nur über Griechen- land und Venedig einen Weg fanden. Vom 16. Jahrhundert an be- schränkten sich die Damaszener Werkstätten hauptsächlich nur auf die Erzeugung von Säbel- und Dolchklingen und überschwemmten damit den ganzen Orient. Die Damaszener arbeiteten ebenso die gemeinste Ware wie Klingen von ausgezeichneter Güte. Für die Erzeugung der letzteren hatten sie ein übrigens aus Indien stammen- des Verfahren, welches sie lange als Geheimnis bewahrten und nur an ihre Söhne selbst vererbten; aus diesem Verfahren erstand der seit dem 16. Jahrhundert so berühmt gewordene Damaszenerstahl, dessen hoher Wert sich später nicht nur für Klingen, sondern auch für Gewehr- läufe darstellte. Dieser Stahl, über dessen Herstellung wir an be- treffender Stelle noch näher sprechen, ist schon äusserlich durch eine gewässerte, von Streifen oder Spirallinien bedeckte Oberfläche kenn- bar, wurde aber schon im vorigen Jahrhundert und wird bis heute, namentlich in Frankreich, vielfach nachgeahmt. Von etwa sieben besonderen Arten nennen wir nur die charakteristischsten: den Banddamast mit streifigen Linien und den so geschätzten, nebenher gesagt, aber weit leichter zu erzeugenden Rosendamast mit spiralen Linienformen.
Die orientalischen Klingen der Krummschwerter und Säbel haben
A. Blanke Waffen. 2. Das Krummschwert und der Säbel.
Der ältere Griff an orientalischen Krummschwertern ist für uns auch darum wichtig, weil aus ihm sich allmählich der heutige Säbel- griff herausgebildet hat. Speziell ist es die am oberen Griffende sitzende „Kappe“, welche ein charakteristisches Merkmal darstellt, wie nicht minder die nach auf- und abwärts gerichteten Ansätze an der Parierstange (Mitteleisen). Die Kappe breitete sich später über den Rücken des Griffes aus, dadurch wurde der moderne Griff in seiner heutigen Gestalt gebildet. Die vordere Parierstange fiel weg und wurde durch den Griffbügel ersetzt. Die Ansätze aber finden wir noch an Infanteriesäbeln vom Anfange unseres Jahrhunderts. Voll- ständig von den Orientalen ist die heute übliche Tragart an der Schleppkuppel abgenommen, welche schon im 15. Jahrhundert, wenn nicht früher im Oriente gebräuchlich war. Der Säbel Zrinyis (Fig. 312) gibt hierzu einen deutlichen Beleg.
Bemerkenswert ist an orientalischen Krummschwertern der Ab- gang des Griffbügels, ungeachtet er sich an arabischen Schwertern findet. An ungarischen Säbeln ist derselbe durch eine Kette (Bügel- kette) ersetzt, die eigentlich nutzlos ist. Häufig ist die Kappe durch- löchert und durch die Öffnung eine Schnur gezogen, die, da sie im Gefechte um die Hand gewunden wurde, einen praktischen Nutzen gewährte. Auch diese Handschnur fand in Europa Nachahmung.
Wiewohl die Eisenindustrie von Damaskus vom 15. Jahrhundert an im merklichen Rückgange begriffen war, so gelang es ihr doch noch, die persischen Klingen vom westorientalischen Markte nahezu zu verdrängen, so daſs um 1550 Khorassanklingen nur über Griechen- land und Venedig einen Weg fanden. Vom 16. Jahrhundert an be- schränkten sich die Damaszener Werkstätten hauptsächlich nur auf die Erzeugung von Säbel- und Dolchklingen und überschwemmten damit den ganzen Orient. Die Damaszener arbeiteten ebenso die gemeinste Ware wie Klingen von ausgezeichneter Güte. Für die Erzeugung der letzteren hatten sie ein übrigens aus Indien stammen- des Verfahren, welches sie lange als Geheimnis bewahrten und nur an ihre Söhne selbst vererbten; aus diesem Verfahren erstand der seit dem 16. Jahrhundert so berühmt gewordene Damaszenerstahl, dessen hoher Wert sich später nicht nur für Klingen, sondern auch für Gewehr- läufe darstellte. Dieser Stahl, über dessen Herstellung wir an be- treffender Stelle noch näher sprechen, ist schon äuſserlich durch eine gewässerte, von Streifen oder Spirallinien bedeckte Oberfläche kenn- bar, wurde aber schon im vorigen Jahrhundert und wird bis heute, namentlich in Frankreich, vielfach nachgeahmt. Von etwa sieben besonderen Arten nennen wir nur die charakteristischsten: den Banddamast mit streifigen Linien und den so geschätzten, nebenher gesagt, aber weit leichter zu erzeugenden Rosendamast mit spiralen Linienformen.
Die orientalischen Klingen der Krummschwerter und Säbel haben
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A. Blanke Waffen. 2. Das Krummschwert und der Säbel.
Der ältere Griff an orientalischen Krummschwertern ist für uns
auch darum wichtig, weil aus ihm sich allmählich der heutige Säbel-
griff herausgebildet hat. Speziell ist es die am oberen Griffende
sitzende „Kappe“, welche ein charakteristisches Merkmal darstellt, wie
nicht minder die nach auf- und abwärts gerichteten Ansätze an der
Parierstange (Mitteleisen). Die Kappe breitete sich später über den
Rücken des Griffes aus, dadurch wurde der moderne Griff in seiner
heutigen Gestalt gebildet. Die vordere Parierstange fiel weg und
wurde durch den Griffbügel ersetzt. Die Ansätze aber finden wir
noch an Infanteriesäbeln vom Anfange unseres Jahrhunderts. Voll-
ständig von den Orientalen ist die heute übliche Tragart an der
Schleppkuppel abgenommen, welche schon im 15. Jahrhundert, wenn
nicht früher im Oriente gebräuchlich war. Der Säbel Zrinyis (Fig. 312)
gibt hierzu einen deutlichen Beleg.
Bemerkenswert ist an orientalischen Krummschwertern der Ab-
gang des Griffbügels, ungeachtet er sich an arabischen Schwertern
findet. An ungarischen Säbeln ist derselbe durch eine Kette (Bügel-
kette) ersetzt, die eigentlich nutzlos ist. Häufig ist die Kappe durch-
löchert und durch die Öffnung eine Schnur gezogen, die, da sie im
Gefechte um die Hand gewunden wurde, einen praktischen Nutzen
gewährte. Auch diese Handschnur fand in Europa Nachahmung.
Wiewohl die Eisenindustrie von Damaskus vom 15. Jahrhundert
an im merklichen Rückgange begriffen war, so gelang es ihr doch
noch, die persischen Klingen vom westorientalischen Markte nahezu
zu verdrängen, so daſs um 1550 Khorassanklingen nur über Griechen-
land und Venedig einen Weg fanden. Vom 16. Jahrhundert an be-
schränkten sich die Damaszener Werkstätten hauptsächlich nur auf
die Erzeugung von Säbel- und Dolchklingen und überschwemmten
damit den ganzen Orient. Die Damaszener arbeiteten ebenso die
gemeinste Ware wie Klingen von ausgezeichneter Güte. Für die
Erzeugung der letzteren hatten sie ein übrigens aus Indien stammen-
des Verfahren, welches sie lange als Geheimnis bewahrten und nur an
ihre Söhne selbst vererbten; aus diesem Verfahren erstand der seit dem
16. Jahrhundert so berühmt gewordene Damaszenerstahl, dessen
hoher Wert sich später nicht nur für Klingen, sondern auch für Gewehr-
läufe darstellte. Dieser Stahl, über dessen Herstellung wir an be-
treffender Stelle noch näher sprechen, ist schon äuſserlich durch eine
gewässerte, von Streifen oder Spirallinien bedeckte Oberfläche kenn-
bar, wurde aber schon im vorigen Jahrhundert und wird bis heute,
namentlich in Frankreich, vielfach nachgeahmt. Von etwa sieben
besonderen Arten nennen wir nur die charakteristischsten: den
Banddamast mit streifigen Linien und den so geschätzten, nebenher
gesagt, aber weit leichter zu erzeugenden Rosendamast mit spiralen
Linienformen.
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/295>, abgerufen am 21.11.2024.
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