den Feudalen jener breite Gürtel an den Lenden getragen wird, der gewissermassen als ein Würdenzeichen ritterlichen Stammes anzusehen war, und der im Deutschen "dupsing" genannt wird, um 1340, wird der Dolch an diesem hängend getragen (Fig. 333, 334). Im 15. Jahr- hundert tragen ihn die Ritter anfänglich an der rechten Seite der Bauchreifen, wo er an starken eisernen Ringen hängt; später an der- selben Seite am Gürtel hängend. In den Städten ist es Gebrauch, den Dolch, um das Herum- schlenkern desselben zu vermeiden, in Ver- bindung mit der üblichen Ledertasche zu tragen (Fig. 335); so in Deutschland und Burgund fast ausnahmslos. Vom 14. Jahr- hundert an ist der Dolch in Italien der un- zertrennliche Begleiter des Mannes, er trägt ihn an der rechten Seite oder auch vor der Mitte des Leibes an einem Riemen herab- hängend. Von Spanien aus verbreitet sich am Ende des 15. Jahrhunderts der Gebrauch, den Dolch am Rücken mit dem Griffe nach abwärts gerichtet zu tragen, eine Mode, die auch von den deutschen Landsknechten und den Schweizern angenommen wird.
Der Form der Klingen nach unterscheidet sich der lange von jenen kleinen Dolchen mit kurzen Klingen, die namentlich von Italien aus Mode werden und in Dimensionen vor Augen treten, die sie mehr als Spielzeug und Gegenstand der Koketterie erscheinen lassen, wie die Damendolche, die stiletti und fussetti. In den Querschnitten der Klingen finden sich alle denkbaren Formen; sie erscheinen ebenso- wohl kreisrund als drei- und vierschneidig, blattförmig mit Grat und gerippt mit Blut- rinnen, Giftzügen und komplizierten Hohl- schliffen. Die ältesten Dolche, welche in nordischen Ländern in der Erde gefunden werden, haben grösstenteils breite, blatt- förmige, kolbige Klingen. (Fig. 336.) Dolche mit einschneidigen, somit messerartig geformten Klingen werden gemeiniglich Dolchmesser (couteaux) genannt. (Fig. 337, 338.) Die Kunst des Klingenschmieds hat sich an den Dolch- klingen nicht minder bewährt, als an jenen
[Abbildung]
Fig. 335.
Grabbild eines Grafen in der Kathe- dralkirche zu Neuchatel. Mitte des 14. Jahrh. Die Gestalt trägt am Dupsing die Ledertasche, hinter wel- cher der Dolch steckt. Nach Jacquemin.
A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch.
den Feudalen jener breite Gürtel an den Lenden getragen wird, der gewissermaſsen als ein Würdenzeichen ritterlichen Stammes anzusehen war, und der im Deutschen „dupsing“ genannt wird, um 1340, wird der Dolch an diesem hängend getragen (Fig. 333, 334). Im 15. Jahr- hundert tragen ihn die Ritter anfänglich an der rechten Seite der Bauchreifen, wo er an starken eisernen Ringen hängt; später an der- selben Seite am Gürtel hängend. In den Städten ist es Gebrauch, den Dolch, um das Herum- schlenkern desselben zu vermeiden, in Ver- bindung mit der üblichen Ledertasche zu tragen (Fig. 335); so in Deutschland und Burgund fast ausnahmslos. Vom 14. Jahr- hundert an ist der Dolch in Italien der un- zertrennliche Begleiter des Mannes, er trägt ihn an der rechten Seite oder auch vor der Mitte des Leibes an einem Riemen herab- hängend. Von Spanien aus verbreitet sich am Ende des 15. Jahrhunderts der Gebrauch, den Dolch am Rücken mit dem Griffe nach abwärts gerichtet zu tragen, eine Mode, die auch von den deutschen Landsknechten und den Schweizern angenommen wird.
Der Form der Klingen nach unterscheidet sich der lange von jenen kleinen Dolchen mit kurzen Klingen, die namentlich von Italien aus Mode werden und in Dimensionen vor Augen treten, die sie mehr als Spielzeug und Gegenstand der Koketterie erscheinen lassen, wie die Damendolche, die stiletti und fussetti. In den Querschnitten der Klingen finden sich alle denkbaren Formen; sie erscheinen ebenso- wohl kreisrund als drei- und vierschneidig, blattförmig mit Grat und gerippt mit Blut- rinnen, Giftzügen und komplizierten Hohl- schliffen. Die ältesten Dolche, welche in nordischen Ländern in der Erde gefunden werden, haben gröſstenteils breite, blatt- förmige, kolbige Klingen. (Fig. 336.) Dolche mit einschneidigen, somit messerartig geformten Klingen werden gemeiniglich Dolchmesser (couteaux) genannt. (Fig. 337, 338.) Die Kunst des Klingenschmieds hat sich an den Dolch- klingen nicht minder bewährt, als an jenen
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Fig. 335.
Grabbild eines Grafen in der Kathe- dralkirche zu Neuchâtel. Mitte des 14. Jahrh. Die Gestalt trägt am Dupsing die Ledertasche, hinter wel- cher der Dolch steckt. Nach Jacquemin.
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A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch.
den Feudalen jener breite Gürtel an den Lenden getragen wird, der
gewissermaſsen als ein Würdenzeichen ritterlichen Stammes anzusehen
war, und der im Deutschen „dupsing“ genannt
wird, um 1340, wird der Dolch an diesem
hängend getragen (Fig. 333, 334). Im 15. Jahr-
hundert tragen ihn die Ritter anfänglich an
der rechten Seite der Bauchreifen, wo er an
starken eisernen Ringen hängt; später an der-
selben Seite am Gürtel hängend. In den Städten
ist es Gebrauch, den Dolch, um das Herum-
schlenkern desselben zu vermeiden, in Ver-
bindung mit der üblichen Ledertasche zu
tragen (Fig. 335); so in Deutschland und
Burgund fast ausnahmslos. Vom 14. Jahr-
hundert an ist der Dolch in Italien der un-
zertrennliche Begleiter des Mannes, er trägt
ihn an der rechten Seite oder auch vor der
Mitte des Leibes an einem Riemen herab-
hängend. Von Spanien aus verbreitet sich
am Ende des 15. Jahrhunderts der Gebrauch,
den Dolch am Rücken mit dem Griffe nach
abwärts gerichtet zu tragen, eine Mode, die
auch von den deutschen Landsknechten und
den Schweizern angenommen wird.
Der Form der Klingen nach unterscheidet
sich der lange von jenen kleinen Dolchen mit
kurzen Klingen, die namentlich von Italien
aus Mode werden und in Dimensionen vor
Augen treten, die sie mehr als Spielzeug und
Gegenstand der Koketterie erscheinen lassen,
wie die Damendolche, die stiletti und fussetti.
In den Querschnitten der Klingen finden sich
alle denkbaren Formen; sie erscheinen ebenso-
wohl kreisrund als drei- und vierschneidig,
blattförmig mit Grat und gerippt mit Blut-
rinnen, Giftzügen und komplizierten Hohl-
schliffen. Die ältesten Dolche, welche in
nordischen Ländern in der Erde gefunden
werden, haben gröſstenteils breite, blatt-
förmige, kolbige Klingen. (Fig. 336.) Dolche
mit einschneidigen, somit messerartig geformten
Klingen werden gemeiniglich Dolchmesser
(couteaux) genannt. (Fig. 337, 338.) Die Kunst
des Klingenschmieds hat sich an den Dolch-
klingen nicht minder bewährt, als an jenen
[Abbildung Fig. 335. Grabbild
eines Grafen in der Kathe-
dralkirche zu Neuchâtel.
Mitte des 14. Jahrh. Die
Gestalt trägt am Dupsing
die Ledertasche, hinter wel-
cher der Dolch steckt. Nach
Jacquemin.]
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/313>, abgerufen am 22.11.2024.
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