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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.

Ungeachtet seiner Wichtigkeit im Gefechte war der Bogen des
Fussstreiters doch nur eine Waffe der niederen Klassen; so finden wir
die Bogenschützen im Teppich von Bayeux als ein besonderes Korps,
nach der Methode der Ikonographie, das minder Bedeutsame nur
anzudeuten, kleiner dargestellt. Ihr Anführer ist im Harnisch, die
Schützen aber sind leicht gekleidet und mit etwa 1.50 m. langen
Bogen bewaffnet; die Formen der Köcher sind deutlich dargestellt.
(Fig. 467.) Bogenschützen zu Pferde gehörten schon einer höheren
Gesellschaftsklasse an, wie wir aus Miniaturen in einem Manuskripte
aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts ersehen, in welchen selbst
ein König, den Bogen abschnellend, dargestellt ist. (Fig. 468.) Join-
ville bestätigt, dass der Bogen in den Kreuzzügen bei den Orientalen
im Gebrauch war. In Frankreich wurde die Waffe von den Lehens-

[Abbildung] Fig. 466.

Sarmatischer Bogenschütze zu Pferd. Relief aus
dem Goldfunde von Nagy Szent-Miklos. 5. Jahrhundert.

herren missachtet und unterdrückt; dafür wurde sie in Brabant und
in England gepflegt und dort wurden die ersten regulären Bogen-
schützenkorps errichtet, die ihrer ausserordentlichen Ausbildung halber
berühmt waren. Der englische oder schottische Bogenschütze war
verachtet, der nicht in der Minute 10--12 Pfeile abschiessen konnte
und dabei sein mehrere Hundert Schritte entferntes Ziel auch nur
einmal verfehlt hätte. Während im 13. Jahrhundert der Bogen in
Deutschland und selbst in Italien allgemein in den Heeren geführt
wurde, entschloss man sich in Frankreich erst 1356 nach der
Schlacht bei Poitiers, eigene Bogenschützenkompanien aufzustellen,

II. Die Angriffswaffen.

Ungeachtet seiner Wichtigkeit im Gefechte war der Bogen des
Fuſsstreiters doch nur eine Waffe der niederen Klassen; so finden wir
die Bogenschützen im Teppich von Bayeux als ein besonderes Korps,
nach der Methode der Ikonographie, das minder Bedeutsame nur
anzudeuten, kleiner dargestellt. Ihr Anführer ist im Harnisch, die
Schützen aber sind leicht gekleidet und mit etwa 1.50 m. langen
Bogen bewaffnet; die Formen der Köcher sind deutlich dargestellt.
(Fig. 467.) Bogenschützen zu Pferde gehörten schon einer höheren
Gesellschaftsklasse an, wie wir aus Miniaturen in einem Manuskripte
aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts ersehen, in welchen selbst
ein König, den Bogen abschnellend, dargestellt ist. (Fig. 468.) Join-
ville bestätigt, daſs der Bogen in den Kreuzzügen bei den Orientalen
im Gebrauch war. In Frankreich wurde die Waffe von den Lehens-

[Abbildung] Fig. 466.

Sarmatischer Bogenschütze zu Pferd. Relief aus
dem Goldfunde von Nagy Szent-Miklós. 5. Jahrhundert.

herren miſsachtet und unterdrückt; dafür wurde sie in Brabant und
in England gepflegt und dort wurden die ersten regulären Bogen-
schützenkorps errichtet, die ihrer auſserordentlichen Ausbildung halber
berühmt waren. Der englische oder schottische Bogenschütze war
verachtet, der nicht in der Minute 10—12 Pfeile abschieſsen konnte
und dabei sein mehrere Hundert Schritte entferntes Ziel auch nur
einmal verfehlt hätte. Während im 13. Jahrhundert der Bogen in
Deutschland und selbst in Italien allgemein in den Heeren geführt
wurde, entschloſs man sich in Frankreich erst 1356 nach der
Schlacht bei Poitiers, eigene Bogenschützenkompanien aufzustellen,

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[390/0408] II. Die Angriffswaffen. Ungeachtet seiner Wichtigkeit im Gefechte war der Bogen des Fuſsstreiters doch nur eine Waffe der niederen Klassen; so finden wir die Bogenschützen im Teppich von Bayeux als ein besonderes Korps, nach der Methode der Ikonographie, das minder Bedeutsame nur anzudeuten, kleiner dargestellt. Ihr Anführer ist im Harnisch, die Schützen aber sind leicht gekleidet und mit etwa 1.50 m. langen Bogen bewaffnet; die Formen der Köcher sind deutlich dargestellt. (Fig. 467.) Bogenschützen zu Pferde gehörten schon einer höheren Gesellschaftsklasse an, wie wir aus Miniaturen in einem Manuskripte aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts ersehen, in welchen selbst ein König, den Bogen abschnellend, dargestellt ist. (Fig. 468.) Join- ville bestätigt, daſs der Bogen in den Kreuzzügen bei den Orientalen im Gebrauch war. In Frankreich wurde die Waffe von den Lehens- [Abbildung Fig. 466. Sarmatischer Bogenschütze zu Pferd. Relief aus dem Goldfunde von Nagy Szent-Miklós. 5. Jahrhundert.] herren miſsachtet und unterdrückt; dafür wurde sie in Brabant und in England gepflegt und dort wurden die ersten regulären Bogen- schützenkorps errichtet, die ihrer auſserordentlichen Ausbildung halber berühmt waren. Der englische oder schottische Bogenschütze war verachtet, der nicht in der Minute 10—12 Pfeile abschieſsen konnte und dabei sein mehrere Hundert Schritte entferntes Ziel auch nur einmal verfehlt hätte. Während im 13. Jahrhundert der Bogen in Deutschland und selbst in Italien allgemein in den Heeren geführt wurde, entschloſs man sich in Frankreich erst 1356 nach der Schlacht bei Poitiers, eigene Bogenschützenkompanien aufzustellen,

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/408>, abgerufen am 22.11.2024.