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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
eine einfache. Die beiden oberen Radgehäuse B besitzen oberhalb
Spannhaken, an dem unteren Fortsatz in C ist die Leine befestigt.
Das untere Radgehäuse steht mit einer Hülse D in Verbindung, in
welche beim Gebrauche das Ende der Säule eingelassen wird; an
ihren beiden Seiten laufen die Räder G. Der Aufzug erfolgt mittels
der Welle F und zweier Kurbeln KK'. Ein Haken I dient dazu, die
Winde beim Nichtgebrauche auf dem Marsche etc. an den Gürtel
zu hängen. (Fig. 488 und 489.)

Deutsche Armrüste mit Stahl- oder Hornbogen wurden schon
am Ende des 14. Jahrhunderts mit der sogenannten "deutschen
Winde
" (Fig. 490) gespannt, und diese Art erschien so einfach und
praktisch, dass sie gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts auch ausser-
halb des römischen Reiches Eingang fand. Mit der deutschen Winde
ausgerüstete Armrustschützen nannte man in Frankreich cranequi-
nieurs.

Der Mechanismus einer Zahnstangenwinde ist äusserst einfach:
Um eine Welle A (Fig. 491) läuft ein Drilling, dessen Triebstöcke
C in die Zahnstange eingreifen. Mit der Welle bewegt sich ein Zahn-
rad, in welches eine Schraube ohne Ende D eingreift, die mit der
Kurbel H in Verbindung steht.*) Die Zahnstange besitzt oberhalb
eine Krappe, um die Sehne zu erfassen; unterhalb in M ist gemeinig-
lich ein Haken angebracht, um die Winde an den Gürtel hängen
zu können. Der Haken fehlt an unserem Exemplare, wurde aber in
der Zeichnung hinzugefügt. Der Radmechanismus ist von einem Ge-
häuse eingeschlossen, das rückwärts einen Bügel L besitzt, in welchen
ein aus starken Hanfschnüren gefertigter Ring "Windfaden" einge-
schlungen wurde.

Zum Spannen der Armrust wurde der Windfaden von rückwärts
über die Säule bis an den Knebel vorgeschoben, welcher den Wider-
halt bildete; sodann wurden die Krappen der Zahnstange in die
Sehne eingelegt und die Winde mit der Kurbel aufgezogen.*) (Fig. 492.)

Zwischen 1550 und 1560 treten von Nürnberg und Augsburg
aus die ersten Armrüste mit Stechermechanismen auf, welche nament-
lich für das Zielschiessen und selbst für die Jagd sich überaus vor-
teilhaft erwiesen. Diese deutschen Stahle mit Stecher fanden so
allgemeinen Beifall, dass sie in grosser Anzahl in alle Länder ausge-
führt wurden. Daher fehlen Armrüste mit solch feineren Abzug-
mechanismen in keiner grösseren Waffensammlung.


*) Häufig greift der Triebstock in das Zahnrad und dieses erst in die Zahn-
stange; dann liegt das Gehäuse beim Spannen oberhalb der Armrust, während es
bei der oben beschriebenen an der rechten Seite der Säule zu stehen kommt, die
Kurbel aber in der gleichen Richtung sich bewegt.
*) In der Waffensammlung des kaiserlichen Hauses in Wien wird auch eine
Balläster bewahrt, bei welcher die Zahnstange in der Säule eingelassen ist und
der Mechanismus mittels eines Schlüssels aufgezogen wird.

D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
eine einfache. Die beiden oberen Radgehäuse B besitzen oberhalb
Spannhaken, an dem unteren Fortsatz in C ist die Leine befestigt.
Das untere Radgehäuse steht mit einer Hülse D in Verbindung, in
welche beim Gebrauche das Ende der Säule eingelassen wird; an
ihren beiden Seiten laufen die Räder G. Der Aufzug erfolgt mittels
der Welle F und zweier Kurbeln KK′. Ein Haken I dient dazu, die
Winde beim Nichtgebrauche auf dem Marsche etc. an den Gürtel
zu hängen. (Fig. 488 und 489.)

Deutsche Armrüste mit Stahl- oder Hornbogen wurden schon
am Ende des 14. Jahrhunderts mit der sogenannten „deutschen
Winde
“ (Fig. 490) gespannt, und diese Art erschien so einfach und
praktisch, daſs sie gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts auch auſser-
halb des römischen Reiches Eingang fand. Mit der deutschen Winde
ausgerüstete Armrustschützen nannte man in Frankreich cranequi-
nieurs.

Der Mechanismus einer Zahnstangenwinde ist äuſserst einfach:
Um eine Welle A (Fig. 491) läuft ein Drilling, dessen Triebstöcke
C in die Zahnstange eingreifen. Mit der Welle bewegt sich ein Zahn-
rad, in welches eine Schraube ohne Ende D eingreift, die mit der
Kurbel H in Verbindung steht.*) Die Zahnstange besitzt oberhalb
eine Krappe, um die Sehne zu erfassen; unterhalb in M ist gemeinig-
lich ein Haken angebracht, um die Winde an den Gürtel hängen
zu können. Der Haken fehlt an unserem Exemplare, wurde aber in
der Zeichnung hinzugefügt. Der Radmechanismus ist von einem Ge-
häuse eingeschlossen, das rückwärts einen Bügel L besitzt, in welchen
ein aus starken Hanfschnüren gefertigter Ring „Windfaden“ einge-
schlungen wurde.

Zum Spannen der Armrust wurde der Windfaden von rückwärts
über die Säule bis an den Knebel vorgeschoben, welcher den Wider-
halt bildete; sodann wurden die Krappen der Zahnstange in die
Sehne eingelegt und die Winde mit der Kurbel aufgezogen.*) (Fig. 492.)

Zwischen 1550 und 1560 treten von Nürnberg und Augsburg
aus die ersten Armrüste mit Stechermechanismen auf, welche nament-
lich für das Zielschieſsen und selbst für die Jagd sich überaus vor-
teilhaft erwiesen. Diese deutschen Stahle mit Stecher fanden so
allgemeinen Beifall, daſs sie in groſser Anzahl in alle Länder ausge-
führt wurden. Daher fehlen Armrüste mit solch feineren Abzug-
mechanismen in keiner gröſseren Waffensammlung.


*) Häufig greift der Triebstock in das Zahnrad und dieses erst in die Zahn-
stange; dann liegt das Gehäuse beim Spannen oberhalb der Armrust, während es
bei der oben beschriebenen an der rechten Seite der Säule zu stehen kommt, die
Kurbel aber in der gleichen Richtung sich bewegt.
*) In der Waffensammlung des kaiserlichen Hauses in Wien wird auch eine
Balläster bewahrt, bei welcher die Zahnstange in der Säule eingelassen ist und
der Mechanismus mittels eines Schlüssels aufgezogen wird.
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[413/0431] D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust. eine einfache. Die beiden oberen Radgehäuse B besitzen oberhalb Spannhaken, an dem unteren Fortsatz in C ist die Leine befestigt. Das untere Radgehäuse steht mit einer Hülse D in Verbindung, in welche beim Gebrauche das Ende der Säule eingelassen wird; an ihren beiden Seiten laufen die Räder G. Der Aufzug erfolgt mittels der Welle F und zweier Kurbeln KK′. Ein Haken I dient dazu, die Winde beim Nichtgebrauche auf dem Marsche etc. an den Gürtel zu hängen. (Fig. 488 und 489.) Deutsche Armrüste mit Stahl- oder Hornbogen wurden schon am Ende des 14. Jahrhunderts mit der sogenannten „deutschen Winde“ (Fig. 490) gespannt, und diese Art erschien so einfach und praktisch, daſs sie gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts auch auſser- halb des römischen Reiches Eingang fand. Mit der deutschen Winde ausgerüstete Armrustschützen nannte man in Frankreich cranequi- nieurs. Der Mechanismus einer Zahnstangenwinde ist äuſserst einfach: Um eine Welle A (Fig. 491) läuft ein Drilling, dessen Triebstöcke C in die Zahnstange eingreifen. Mit der Welle bewegt sich ein Zahn- rad, in welches eine Schraube ohne Ende D eingreift, die mit der Kurbel H in Verbindung steht. *) Die Zahnstange besitzt oberhalb eine Krappe, um die Sehne zu erfassen; unterhalb in M ist gemeinig- lich ein Haken angebracht, um die Winde an den Gürtel hängen zu können. Der Haken fehlt an unserem Exemplare, wurde aber in der Zeichnung hinzugefügt. Der Radmechanismus ist von einem Ge- häuse eingeschlossen, das rückwärts einen Bügel L besitzt, in welchen ein aus starken Hanfschnüren gefertigter Ring „Windfaden“ einge- schlungen wurde. Zum Spannen der Armrust wurde der Windfaden von rückwärts über die Säule bis an den Knebel vorgeschoben, welcher den Wider- halt bildete; sodann wurden die Krappen der Zahnstange in die Sehne eingelegt und die Winde mit der Kurbel aufgezogen. *) (Fig. 492.) Zwischen 1550 und 1560 treten von Nürnberg und Augsburg aus die ersten Armrüste mit Stechermechanismen auf, welche nament- lich für das Zielschieſsen und selbst für die Jagd sich überaus vor- teilhaft erwiesen. Diese deutschen Stahle mit Stecher fanden so allgemeinen Beifall, daſs sie in groſser Anzahl in alle Länder ausge- führt wurden. Daher fehlen Armrüste mit solch feineren Abzug- mechanismen in keiner gröſseren Waffensammlung. *) Häufig greift der Triebstock in das Zahnrad und dieses erst in die Zahn- stange; dann liegt das Gehäuse beim Spannen oberhalb der Armrust, während es bei der oben beschriebenen an der rechten Seite der Säule zu stehen kommt, die Kurbel aber in der gleichen Richtung sich bewegt. *) In der Waffensammlung des kaiserlichen Hauses in Wien wird auch eine Balläster bewahrt, bei welcher die Zahnstange in der Säule eingelassen ist und der Mechanismus mittels eines Schlüssels aufgezogen wird.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/431>, abgerufen am 22.11.2024.