Nuss d, welche beim Niederlegen des Hebels die Sehne anspannt. Der Abzug erfolgt mit der linken Hand durch einen Druck des Daumens auf den Hebel b.
In dieser in Fig. 495 vor Augen liegenden Waffe erblicken wir eine der ältesten Ballästerformen mit deren Einrichtungen. Die Balläster diente nicht für den direkten Schuss, sondern für den wenn auch sehr flachen Bogenschuss; diesem Zwecke entsprechend war auch die Zielvorrichtung eingerichtet. Sie besteht aus einem beweg- lichen, oben eingekerbten Aufsatze, "Stuhl" genannt (C), knapp hinter der Nuss, ferner aus einer vorne am Bogen befindlichen Zielgabel, "Schiff", d. Beide Säulchen der letzteren waren oberhalb durch einen Faden oder auch eine dünne Drahtspange verbunden, in deren Mitte eine kleine schwarze Kugel befestigt war, welche als Korn diente. Diese Einrichtung fehlt an unserem Exemplare, ebenso die Sehne, die aus zwei getrennten Strängen bestand, welche nur zunächst den Bogen enden verbunden, sonst aber durch zwei Stäbchen aus Elfenbein aus- einandergehalten (gespannelt) wurden. Der Teil, welcher von der Nuss aufgenommen wurde, bildete eine Art Sack, in welchen die Kugel zwischen Schnüren leicht eingeklemmt wurde. (Fig. 497.)
Der Schuss oder Wurf aus einer Balläster war unsicher, dennoch erhielt sich dieselbe lediglich als Jagdwaffe das ganze 16. Jahrhundert in stets gleicher Beliebtheit, weil sie viele Geschicklichkeit im Ab- schätzen der Distanzen erforderte. Wir finden sie in Jost Amans Abbildungen zu den "Adeligen Weydwerken" 1582 häufig gezeichnet.
Die hervorragende Stellung, welche sich die Spanier im 15. Jahr- hundert in der Fertigung von Armrüsten und Ballästern errungen hatten, überdauerte noch einige Jahrzehnte das Ende der maurischen Herrschaft. Noch Ferdinand I. liess seine Armrüste 1523 in Sara- gossa und Barbastro fertigen.
Wesentliche Abweichungen in der Form und mechanischen Kon- struktion gegenüber den spanischen weisen die "italienischen Ballästern" auf, welche man zum Unterschiede von ersteren "Schnepper" be- nennt. (Fig. 498.) Sie werden entweder mit der Hand allein oder mit Hülfe einer eisernen Krappe (Fig. 499) gespannt, welche zwei Haken und dahinter einen langen Bügel oder seitliche Handgriffe besitzt, in welche man mit beiden Händen eingreifen konnte. Die Abzugvorrichtung ist unter allen die einfachste. Die ältesten der- artigen Schnepper treten um 1550 auf.
Die bedeutendste Änderung, in der sich der italienische Schnepper von anderen unterscheidet, ist durch die krumme Form der Säule zwischen Nuss und Bogen zu erblicken, zweifelsohne dazu dienend, die Linke vor dem Schnellen der Sehne zu schützen. Der Querschnitt der Säule ist gering und wird gegen das Ende zu noch geringer, wo sie mit einem gedrehten Kopf abschliesst. Der Abzugmechanismus be- steht in zwei Hebeln; der vordere, ein zweiarmiger, an welchem der
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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
Nuſs d, welche beim Niederlegen des Hebels die Sehne anspannt. Der Abzug erfolgt mit der linken Hand durch einen Druck des Daumens auf den Hebel b.
In dieser in Fig. 495 vor Augen liegenden Waffe erblicken wir eine der ältesten Ballästerformen mit deren Einrichtungen. Die Balläster diente nicht für den direkten Schuſs, sondern für den wenn auch sehr flachen Bogenschuſs; diesem Zwecke entsprechend war auch die Zielvorrichtung eingerichtet. Sie besteht aus einem beweg- lichen, oben eingekerbten Aufsatze, „Stuhl“ genannt (C), knapp hinter der Nuſs, ferner aus einer vorne am Bogen befindlichen Zielgabel, „Schiff“, d. Beide Säulchen der letzteren waren oberhalb durch einen Faden oder auch eine dünne Drahtspange verbunden, in deren Mitte eine kleine schwarze Kugel befestigt war, welche als Korn diente. Diese Einrichtung fehlt an unserem Exemplare, ebenso die Sehne, die aus zwei getrennten Strängen bestand, welche nur zunächst den Bogen enden verbunden, sonst aber durch zwei Stäbchen aus Elfenbein aus- einandergehalten (gespannelt) wurden. Der Teil, welcher von der Nuſs aufgenommen wurde, bildete eine Art Sack, in welchen die Kugel zwischen Schnüren leicht eingeklemmt wurde. (Fig. 497.)
Der Schuſs oder Wurf aus einer Balläster war unsicher, dennoch erhielt sich dieselbe lediglich als Jagdwaffe das ganze 16. Jahrhundert in stets gleicher Beliebtheit, weil sie viele Geschicklichkeit im Ab- schätzen der Distanzen erforderte. Wir finden sie in Jost Amans Abbildungen zu den „Adeligen Weydwerken“ 1582 häufig gezeichnet.
Die hervorragende Stellung, welche sich die Spanier im 15. Jahr- hundert in der Fertigung von Armrüsten und Ballästern errungen hatten, überdauerte noch einige Jahrzehnte das Ende der maurischen Herrschaft. Noch Ferdinand I. lieſs seine Armrüste 1523 in Sara- gossa und Barbastro fertigen.
Wesentliche Abweichungen in der Form und mechanischen Kon- struktion gegenüber den spanischen weisen die „italienischen Ballästern“ auf, welche man zum Unterschiede von ersteren „Schnepper“ be- nennt. (Fig. 498.) Sie werden entweder mit der Hand allein oder mit Hülfe einer eisernen Krappe (Fig. 499) gespannt, welche zwei Haken und dahinter einen langen Bügel oder seitliche Handgriffe besitzt, in welche man mit beiden Händen eingreifen konnte. Die Abzugvorrichtung ist unter allen die einfachste. Die ältesten der- artigen Schnepper treten um 1550 auf.
Die bedeutendste Änderung, in der sich der italienische Schnepper von anderen unterscheidet, ist durch die krumme Form der Säule zwischen Nuſs und Bogen zu erblicken, zweifelsohne dazu dienend, die Linke vor dem Schnellen der Sehne zu schützen. Der Querschnitt der Säule ist gering und wird gegen das Ende zu noch geringer, wo sie mit einem gedrehten Kopf abschlieſst. Der Abzugmechanismus be- steht in zwei Hebeln; der vordere, ein zweiarmiger, an welchem der
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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
Nuſs d, welche beim Niederlegen des Hebels die Sehne anspannt.
Der Abzug erfolgt mit der linken Hand durch einen Druck des
Daumens auf den Hebel b.
In dieser in Fig. 495 vor Augen liegenden Waffe erblicken
wir eine der ältesten Ballästerformen mit deren Einrichtungen. Die
Balläster diente nicht für den direkten Schuſs, sondern für den wenn
auch sehr flachen Bogenschuſs; diesem Zwecke entsprechend war
auch die Zielvorrichtung eingerichtet. Sie besteht aus einem beweg-
lichen, oben eingekerbten Aufsatze, „Stuhl“ genannt (C), knapp hinter
der Nuſs, ferner aus einer vorne am Bogen befindlichen Zielgabel,
„Schiff“, d. Beide Säulchen der letzteren waren oberhalb durch
einen Faden oder auch eine dünne Drahtspange verbunden, in deren
Mitte eine kleine schwarze Kugel befestigt war, welche als Korn diente.
Diese Einrichtung fehlt an unserem Exemplare, ebenso die Sehne, die
aus zwei getrennten Strängen bestand, welche nur zunächst den Bogen
enden verbunden, sonst aber durch zwei Stäbchen aus Elfenbein aus-
einandergehalten (gespannelt) wurden. Der Teil, welcher von der
Nuſs aufgenommen wurde, bildete eine Art Sack, in welchen die
Kugel zwischen Schnüren leicht eingeklemmt wurde. (Fig. 497.)
Der Schuſs oder Wurf aus einer Balläster war unsicher, dennoch
erhielt sich dieselbe lediglich als Jagdwaffe das ganze 16. Jahrhundert
in stets gleicher Beliebtheit, weil sie viele Geschicklichkeit im Ab-
schätzen der Distanzen erforderte. Wir finden sie in Jost Amans
Abbildungen zu den „Adeligen Weydwerken“ 1582 häufig gezeichnet.
Die hervorragende Stellung, welche sich die Spanier im 15. Jahr-
hundert in der Fertigung von Armrüsten und Ballästern errungen
hatten, überdauerte noch einige Jahrzehnte das Ende der maurischen
Herrschaft. Noch Ferdinand I. lieſs seine Armrüste 1523 in Sara-
gossa und Barbastro fertigen.
Wesentliche Abweichungen in der Form und mechanischen Kon-
struktion gegenüber den spanischen weisen die „italienischen Ballästern“
auf, welche man zum Unterschiede von ersteren „Schnepper“ be-
nennt. (Fig. 498.) Sie werden entweder mit der Hand allein oder
mit Hülfe einer eisernen Krappe (Fig. 499) gespannt, welche zwei
Haken und dahinter einen langen Bügel oder seitliche Handgriffe
besitzt, in welche man mit beiden Händen eingreifen konnte. Die
Abzugvorrichtung ist unter allen die einfachste. Die ältesten der-
artigen Schnepper treten um 1550 auf.
Die bedeutendste Änderung, in der sich der italienische Schnepper
von anderen unterscheidet, ist durch die krumme Form der Säule
zwischen Nuſs und Bogen zu erblicken, zweifelsohne dazu dienend, die
Linke vor dem Schnellen der Sehne zu schützen. Der Querschnitt der
Säule ist gering und wird gegen das Ende zu noch geringer, wo sie
mit einem gedrehten Kopf abschlieſst. Der Abzugmechanismus be-
steht in zwei Hebeln; der vordere, ein zweiarmiger, an welchem der
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/437>, abgerufen am 22.11.2024.
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