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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.
gezogene Gewehre nur äusserst selten, und vielleicht nur bei der Ver-
teidigung von festen Plätzen verwendet. Im 18. Jahrhundert werden
bereits ganze Abteilungen von Schützen mit solchen versehen. Am
Ende des 16. Jahrhunderts gewannen die Brescianer Werkstätten einen
bedeutenden Ruf durch ihre ausgezeichnet gearbeiteten Gewehr- und
Pistolenläufe. Die hervorragendsten Meister, wie Francino, die
Cominazzi forderten für ihre Läufe, die sie wie etwa heute ein
Reisszeug oder einen Goldschmuck in Lederetuis an die Büchsen-
macher fast von ganz Europa versendeten, geradezu horrende Preise.
Unwillig, aber doch nicht ohne Erfolg hatten sie sich der Erzeugung
gezogener Läufe zugewendet, darin klüger als die Spanier, die dadurch,
dass sie nur glatte Läufe erzeugten, den Niedergang des Fabrikations-
zweiges herbeiführten.

Eine besondere Einrichtung des Laufes hat im Verlaufe des
16. Jahrhunderts mannigfache Verbesserung erfahren, die Zündloch-
bohrung
, deren Dimension, Form und Richtung fortwährend verändert
wurde. Ein grosser Übelstand war das sogenannte Ausbrennen des
Zündloches, welches dadurch immer grösser wurde. Um demselben
abzuhelfen, setzten die spanischen Meister am Ende des 17. Jahr-
hunderts sogenannte Zündkerne aus reinem Gold ein. Man findet
sie an spanischen und zuweilen auch an französischen Jagdgewehren
noch bis ans Ende des 18. Jahrhunderts. Im vorigen Jahrhundert
bilden sich je nach der Bestimmung verschiedene Formen und Be-
nennungen heraus. Der gezogene Lauf für das Scheibenschiessen
und für die Pürschjagd, der glatte Lauf für den Zweck des
Krieges und für die Feldjagd. Dazu treten nun die Kombinationen,
wie der Doppellauf aus 2 nebeneinander liegenden aneinander ge-
schweissten Läufen für die Feldjagd, der Bocklauf aus einem Stücke
mit zwei übereinander angeordneten Bohrungen, von welchen häufig
die eine gezogen, die andere glatt ist, meist für die Pürschjagd.
Sehr lange, glatte Läufe dienten für die Jagd auf Wasserwild, daher
ihr Name Entenläufe. Endlich kommen noch die Wender-
gewehre
in Betracht, welche in den mannigfachsten Konstruktionen
vor Augen treten. Sie dienen nur für Jagdzwecke. Manche besitzen
3 -- 5 drehbare Läufe mit ebenso vielen gleichzeitig umlaufenden
Zündpfannen und Batteriedeckeln. Die wenigsten sind als zweckmässig
zu betrachten. (Fig. 554.)

Zum Schlusse haben wir noch bezüglich der Einrichtung der
Läufe für die Hinterladung einiges zu bemerken. Die älteste Hinter-
ladevorrichtung um 1550 ist jene mit aushebbarer Kammer, ganz
nach dem bei den Geschützen des 15. Jahrhunderts üblichen Systeme.
Sie scheinen besonders für den Reiter Wert gehabt zu haben, der
eine Anzahl geladener Kammern mit sich führen konnte, um sie in
den Laderaum des Laufes einzulegen. Das System findet sich nur
bei Faustrohren. Erst im 17. Jahrhundert tritt ein System auf, ähnlich

II. Die Angriffswaffen.
gezogene Gewehre nur äuſserst selten, und vielleicht nur bei der Ver-
teidigung von festen Plätzen verwendet. Im 18. Jahrhundert werden
bereits ganze Abteilungen von Schützen mit solchen versehen. Am
Ende des 16. Jahrhunderts gewannen die Brescianer Werkstätten einen
bedeutenden Ruf durch ihre ausgezeichnet gearbeiteten Gewehr- und
Pistolenläufe. Die hervorragendsten Meister, wie Francino, die
Cominazzi forderten für ihre Läufe, die sie wie etwa heute ein
Reiſszeug oder einen Goldschmuck in Lederetuis an die Büchsen-
macher fast von ganz Europa versendeten, geradezu horrende Preise.
Unwillig, aber doch nicht ohne Erfolg hatten sie sich der Erzeugung
gezogener Läufe zugewendet, darin klüger als die Spanier, die dadurch,
daſs sie nur glatte Läufe erzeugten, den Niedergang des Fabrikations-
zweiges herbeiführten.

Eine besondere Einrichtung des Laufes hat im Verlaufe des
16. Jahrhunderts mannigfache Verbesserung erfahren, die Zündloch-
bohrung
, deren Dimension, Form und Richtung fortwährend verändert
wurde. Ein groſser Übelstand war das sogenannte Ausbrennen des
Zündloches, welches dadurch immer gröſser wurde. Um demselben
abzuhelfen, setzten die spanischen Meister am Ende des 17. Jahr-
hunderts sogenannte Zündkerne aus reinem Gold ein. Man findet
sie an spanischen und zuweilen auch an französischen Jagdgewehren
noch bis ans Ende des 18. Jahrhunderts. Im vorigen Jahrhundert
bilden sich je nach der Bestimmung verschiedene Formen und Be-
nennungen heraus. Der gezogene Lauf für das Scheibenschieſsen
und für die Pürschjagd, der glatte Lauf für den Zweck des
Krieges und für die Feldjagd. Dazu treten nun die Kombinationen,
wie der Doppellauf aus 2 nebeneinander liegenden aneinander ge-
schweiſsten Läufen für die Feldjagd, der Bocklauf aus einem Stücke
mit zwei übereinander angeordneten Bohrungen, von welchen häufig
die eine gezogen, die andere glatt ist, meist für die Pürschjagd.
Sehr lange, glatte Läufe dienten für die Jagd auf Wasserwild, daher
ihr Name Entenläufe. Endlich kommen noch die Wender-
gewehre
in Betracht, welche in den mannigfachsten Konstruktionen
vor Augen treten. Sie dienen nur für Jagdzwecke. Manche besitzen
3 — 5 drehbare Läufe mit ebenso vielen gleichzeitig umlaufenden
Zündpfannen und Batteriedeckeln. Die wenigsten sind als zweckmäſsig
zu betrachten. (Fig. 554.)

Zum Schlusse haben wir noch bezüglich der Einrichtung der
Läufe für die Hinterladung einiges zu bemerken. Die älteste Hinter-
ladevorrichtung um 1550 ist jene mit aushebbarer Kammer, ganz
nach dem bei den Geschützen des 15. Jahrhunderts üblichen Systeme.
Sie scheinen besonders für den Reiter Wert gehabt zu haben, der
eine Anzahl geladener Kammern mit sich führen konnte, um sie in
den Laderaum des Laufes einzulegen. Das System findet sich nur
bei Faustrohren. Erst im 17. Jahrhundert tritt ein System auf, ähnlich

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[472/0490] II. Die Angriffswaffen. gezogene Gewehre nur äuſserst selten, und vielleicht nur bei der Ver- teidigung von festen Plätzen verwendet. Im 18. Jahrhundert werden bereits ganze Abteilungen von Schützen mit solchen versehen. Am Ende des 16. Jahrhunderts gewannen die Brescianer Werkstätten einen bedeutenden Ruf durch ihre ausgezeichnet gearbeiteten Gewehr- und Pistolenläufe. Die hervorragendsten Meister, wie Francino, die Cominazzi forderten für ihre Läufe, die sie wie etwa heute ein Reiſszeug oder einen Goldschmuck in Lederetuis an die Büchsen- macher fast von ganz Europa versendeten, geradezu horrende Preise. Unwillig, aber doch nicht ohne Erfolg hatten sie sich der Erzeugung gezogener Läufe zugewendet, darin klüger als die Spanier, die dadurch, daſs sie nur glatte Läufe erzeugten, den Niedergang des Fabrikations- zweiges herbeiführten. Eine besondere Einrichtung des Laufes hat im Verlaufe des 16. Jahrhunderts mannigfache Verbesserung erfahren, die Zündloch- bohrung, deren Dimension, Form und Richtung fortwährend verändert wurde. Ein groſser Übelstand war das sogenannte Ausbrennen des Zündloches, welches dadurch immer gröſser wurde. Um demselben abzuhelfen, setzten die spanischen Meister am Ende des 17. Jahr- hunderts sogenannte Zündkerne aus reinem Gold ein. Man findet sie an spanischen und zuweilen auch an französischen Jagdgewehren noch bis ans Ende des 18. Jahrhunderts. Im vorigen Jahrhundert bilden sich je nach der Bestimmung verschiedene Formen und Be- nennungen heraus. Der gezogene Lauf für das Scheibenschieſsen und für die Pürschjagd, der glatte Lauf für den Zweck des Krieges und für die Feldjagd. Dazu treten nun die Kombinationen, wie der Doppellauf aus 2 nebeneinander liegenden aneinander ge- schweiſsten Läufen für die Feldjagd, der Bocklauf aus einem Stücke mit zwei übereinander angeordneten Bohrungen, von welchen häufig die eine gezogen, die andere glatt ist, meist für die Pürschjagd. Sehr lange, glatte Läufe dienten für die Jagd auf Wasserwild, daher ihr Name Entenläufe. Endlich kommen noch die Wender- gewehre in Betracht, welche in den mannigfachsten Konstruktionen vor Augen treten. Sie dienen nur für Jagdzwecke. Manche besitzen 3 — 5 drehbare Läufe mit ebenso vielen gleichzeitig umlaufenden Zündpfannen und Batteriedeckeln. Die wenigsten sind als zweckmäſsig zu betrachten. (Fig. 554.) Zum Schlusse haben wir noch bezüglich der Einrichtung der Läufe für die Hinterladung einiges zu bemerken. Die älteste Hinter- ladevorrichtung um 1550 ist jene mit aushebbarer Kammer, ganz nach dem bei den Geschützen des 15. Jahrhunderts üblichen Systeme. Sie scheinen besonders für den Reiter Wert gehabt zu haben, der eine Anzahl geladener Kammern mit sich führen konnte, um sie in den Laderaum des Laufes einzulegen. Das System findet sich nur bei Faustrohren. Erst im 17. Jahrhundert tritt ein System auf, ähnlich

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/490>, abgerufen am 22.11.2024.