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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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zu behaupten, der Bazillus, der sich teilt, oder du, der du ein
Samentierchen von dir abspaltest, ihr wäret dazu gezwungen
durch die einfache Schwerkraft. Aber um die Art der Kräfte
handelt es sich ja gar nicht. Es handelt sich um die Analogie im
Gesamtvorgang. Du sollst begreifen, daß Teilung als Folge von
Wachstum auch anorganisch sich durchaus plausibel denken läßt.

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Ein drittes Feld. Du siehst das ganze Gebiet der Fortpflan¬
zung durchsetzt mit Erscheinungen, die du seelisch als Sympathie
bezeichnest. Die ganze "Liebe" im engeren Sinne gehört hierher.
Mann und Weib suchen sich. Fühlen die entschiedenste Zuneigung.
Entbrennen in sehnsüchtiger, verlangender, nach Vereinigung
drängender Liebe. Sie fühlen sich zu einander hingezogen ....

In diesem letzten Ausdruck liegt geradezu schon das
mechanische, auch anorganisch gebräuchliche Ersatzwort für den
Begriff der Sympathie: Anziehung.

Mag diese Anziehung bei den Organismen noch so kom¬
plizierte Wege gehen, -- mag sie nicht direkt, sondern über die
Sinnesorgane, den Nervenapparat laufen, -- mag sie der Ver¬
mittelung durch Gesichtseindrücke und vor allem wahrscheinlich
auch Geruchseindrücke bedürfen: -- im Grunde und als Kern
bleibt eine "Anziehung".

Erinnere dich vor allem auch hier wieder an jenes "Ur¬
phänomen", von dem wir ausgegangen sind: die Samenzelle,
wie sie bei deinem menschlichen Geschlechtsakte in die Eizelle
dringt. Es mag, wofür manches spricht, selbst bei diesem in¬
timsten Schluß- und Kardinalakt deiner ganzen Liebe der Weg
noch über eine Sinneswirkung laufen, hier wohl zweifellos
dann eine Geruchswirkung, die die reife, bereite Eizelle und
ihr Kern auf das Samentierchen ausüben.

Zu leugnen ist aber schon hier gewiß nicht, daß der ganze
intime Vorgang eine verzweifelte Ähnlichkeit auch schon mit ge¬

zu behaupten, der Bazillus, der ſich teilt, oder du, der du ein
Samentierchen von dir abſpalteſt, ihr wäret dazu gezwungen
durch die einfache Schwerkraft. Aber um die Art der Kräfte
handelt es ſich ja gar nicht. Es handelt ſich um die Analogie im
Geſamtvorgang. Du ſollſt begreifen, daß Teilung als Folge von
Wachstum auch anorganiſch ſich durchaus plauſibel denken läßt.

[Abbildung]

Ein drittes Feld. Du ſiehſt das ganze Gebiet der Fortpflan¬
zung durchſetzt mit Erſcheinungen, die du ſeeliſch als Sympathie
bezeichneſt. Die ganze „Liebe“ im engeren Sinne gehört hierher.
Mann und Weib ſuchen ſich. Fühlen die entſchiedenſte Zuneigung.
Entbrennen in ſehnſüchtiger, verlangender, nach Vereinigung
drängender Liebe. Sie fühlen ſich zu einander hingezogen ....

In dieſem letzten Ausdruck liegt geradezu ſchon das
mechaniſche, auch anorganiſch gebräuchliche Erſatzwort für den
Begriff der Sympathie: Anziehung.

Mag dieſe Anziehung bei den Organismen noch ſo kom¬
plizierte Wege gehen, — mag ſie nicht direkt, ſondern über die
Sinnesorgane, den Nervenapparat laufen, — mag ſie der Ver¬
mittelung durch Geſichtseindrücke und vor allem wahrſcheinlich
auch Geruchseindrücke bedürfen: — im Grunde und als Kern
bleibt eine „Anziehung“.

Erinnere dich vor allem auch hier wieder an jenes „Ur¬
phänomen“, von dem wir ausgegangen ſind: die Samenzelle,
wie ſie bei deinem menſchlichen Geſchlechtsakte in die Eizelle
dringt. Es mag, wofür manches ſpricht, ſelbſt bei dieſem in¬
timſten Schluß- und Kardinalakt deiner ganzen Liebe der Weg
noch über eine Sinneswirkung laufen, hier wohl zweifellos
dann eine Geruchswirkung, die die reife, bereite Eizelle und
ihr Kern auf das Samentierchen ausüben.

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[120/0136] zu behaupten, der Bazillus, der ſich teilt, oder du, der du ein Samentierchen von dir abſpalteſt, ihr wäret dazu gezwungen durch die einfache Schwerkraft. Aber um die Art der Kräfte handelt es ſich ja gar nicht. Es handelt ſich um die Analogie im Geſamtvorgang. Du ſollſt begreifen, daß Teilung als Folge von Wachstum auch anorganiſch ſich durchaus plauſibel denken läßt. [Abbildung] Ein drittes Feld. Du ſiehſt das ganze Gebiet der Fortpflan¬ zung durchſetzt mit Erſcheinungen, die du ſeeliſch als Sympathie bezeichneſt. Die ganze „Liebe“ im engeren Sinne gehört hierher. Mann und Weib ſuchen ſich. Fühlen die entſchiedenſte Zuneigung. Entbrennen in ſehnſüchtiger, verlangender, nach Vereinigung drängender Liebe. Sie fühlen ſich zu einander hingezogen .... In dieſem letzten Ausdruck liegt geradezu ſchon das mechaniſche, auch anorganiſch gebräuchliche Erſatzwort für den Begriff der Sympathie: Anziehung. Mag dieſe Anziehung bei den Organismen noch ſo kom¬ plizierte Wege gehen, — mag ſie nicht direkt, ſondern über die Sinnesorgane, den Nervenapparat laufen, — mag ſie der Ver¬ mittelung durch Geſichtseindrücke und vor allem wahrſcheinlich auch Geruchseindrücke bedürfen: — im Grunde und als Kern bleibt eine „Anziehung“. Erinnere dich vor allem auch hier wieder an jenes „Ur¬ phänomen“, von dem wir ausgegangen ſind: die Samenzelle, wie ſie bei deinem menſchlichen Geſchlechtsakte in die Eizelle dringt. Es mag, wofür manches ſpricht, ſelbſt bei dieſem in¬ timſten Schluß- und Kardinalakt deiner ganzen Liebe der Weg noch über eine Sinneswirkung laufen, hier wohl zweifellos dann eine Geruchswirkung, die die reife, bereite Eizelle und ihr Kern auf das Samentierchen ausüben. Zu leugnen iſt aber ſchon hier gewiß nicht, daß der ganze intime Vorgang eine verzweifelte Ähnlichkeit auch ſchon mit ge¬

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/136>, abgerufen am 24.11.2024.