gefunden. Und die Liebe in der engeren Bedeutung des Wortes setzte mit ihnen ein .....
Hier laß mich dir jetzt weiter erzählen.
Du weißt: der Fleck, von wo wir ausgingen, wo der eine Fuß des Regenbogens seine Farben grell über einen Markstein gaukelte, war dein eigener menschlicher Zeugungsakt. Von dir, dem Manne, löst sich eine einzelne Zelle, ein Samentierchen, und vereinigt sich mit einer ebenso befreiten Zelle des Weibes, dem Ei. Aus dem Bunde beider erwächst der neue Mensch. Am Anfang des Erdenlebens, in Urtagen lange noch vor jenem kambrischen Grenzstrand, gab es aber noch weder Menschen¬ mann, noch Menschenweib. Es gab keinen Menschensamen und kein Menschenei. Aber es gab Wesen, aus denen in unend¬ licher Folge der Entwickelung auch einmal Menschen werden sollten.
Diese Wesen waren die denkbar einfachsten. Sie stellten jedes für sich nur eine einzige lebende Zelle dar, genau so wie jedes deiner Samentierchen heute noch eine einzige Zelle, wie jedes Ei deines Weibes eine einzige Zelle ist. Der Liebesakt des Menschen besteht darin, daß er diese seine beiden Einzel¬ zellen vereinigt. Auf Liebesakten ruht in unabsehbarer Kette die Entwickelung, -- auch die vom einzelligen Bazillus bis zum Menschen herauf. Was war nun der Liebesakt jener erst¬ geborenen Einzelligen am Anfang der ganzen Entwickelungs¬ linie selbst? Suchte ein ganzes einzelliges Tier von damals gleich einem heutigen Samentierchen ein zweites einzelliges Wesen und bekundete seine Liebe darin, daß es mit ihm als Ganzes verschmolz wie das Samentierchen mit dem Ei ver¬ schmilzt?
Da mußt du nun vor allem auf eins achten.
Der Akt, wie du ihn bei dir selber siehst, ist nicht bloß ein Liebesakt, ein Zeugungsakt überhaupt. Er ist schon mehr: er ist ein Geschlechtsakt. Zwei Geschlechter sind dazu nötig. Mann und Weib. Jedes mit besonderen Geschlechtsteilen und
gefunden. Und die Liebe in der engeren Bedeutung des Wortes ſetzte mit ihnen ein .....
Hier laß mich dir jetzt weiter erzählen.
Du weißt: der Fleck, von wo wir ausgingen, wo der eine Fuß des Regenbogens ſeine Farben grell über einen Markſtein gaukelte, war dein eigener menſchlicher Zeugungsakt. Von dir, dem Manne, löſt ſich eine einzelne Zelle, ein Samentierchen, und vereinigt ſich mit einer ebenſo befreiten Zelle des Weibes, dem Ei. Aus dem Bunde beider erwächſt der neue Menſch. Am Anfang des Erdenlebens, in Urtagen lange noch vor jenem kambriſchen Grenzſtrand, gab es aber noch weder Menſchen¬ mann, noch Menſchenweib. Es gab keinen Menſchenſamen und kein Menſchenei. Aber es gab Weſen, aus denen in unend¬ licher Folge der Entwickelung auch einmal Menſchen werden ſollten.
Dieſe Weſen waren die denkbar einfachſten. Sie ſtellten jedes für ſich nur eine einzige lebende Zelle dar, genau ſo wie jedes deiner Samentierchen heute noch eine einzige Zelle, wie jedes Ei deines Weibes eine einzige Zelle iſt. Der Liebesakt des Menſchen beſteht darin, daß er dieſe ſeine beiden Einzel¬ zellen vereinigt. Auf Liebesakten ruht in unabſehbarer Kette die Entwickelung, — auch die vom einzelligen Bazillus bis zum Menſchen herauf. Was war nun der Liebesakt jener erſt¬ geborenen Einzelligen am Anfang der ganzen Entwickelungs¬ linie ſelbſt? Suchte ein ganzes einzelliges Tier von damals gleich einem heutigen Samentierchen ein zweites einzelliges Weſen und bekundete ſeine Liebe darin, daß es mit ihm als Ganzes verſchmolz wie das Samentierchen mit dem Ei ver¬ ſchmilzt?
Da mußt du nun vor allem auf eins achten.
Der Akt, wie du ihn bei dir ſelber ſiehſt, iſt nicht bloß ein Liebesakt, ein Zeugungsakt überhaupt. Er iſt ſchon mehr: er iſt ein Geſchlechtsakt. Zwei Geſchlechter ſind dazu nötig. Mann und Weib. Jedes mit beſonderen Geſchlechtsteilen und
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gefunden. Und die Liebe in der engeren Bedeutung des Wortes
ſetzte mit ihnen ein .....
Hier laß mich dir jetzt weiter erzählen.
Du weißt: der Fleck, von wo wir ausgingen, wo der eine
Fuß des Regenbogens ſeine Farben grell über einen Markſtein
gaukelte, war dein eigener menſchlicher Zeugungsakt. Von dir,
dem Manne, löſt ſich eine einzelne Zelle, ein Samentierchen,
und vereinigt ſich mit einer ebenſo befreiten Zelle des Weibes,
dem Ei. Aus dem Bunde beider erwächſt der neue Menſch.
Am Anfang des Erdenlebens, in Urtagen lange noch vor jenem
kambriſchen Grenzſtrand, gab es aber noch weder Menſchen¬
mann, noch Menſchenweib. Es gab keinen Menſchenſamen und
kein Menſchenei. Aber es gab Weſen, aus denen in unend¬
licher Folge der Entwickelung auch einmal Menſchen werden
ſollten.
Dieſe Weſen waren die denkbar einfachſten. Sie ſtellten
jedes für ſich nur eine einzige lebende Zelle dar, genau ſo wie
jedes deiner Samentierchen heute noch eine einzige Zelle, wie
jedes Ei deines Weibes eine einzige Zelle iſt. Der Liebesakt
des Menſchen beſteht darin, daß er dieſe ſeine beiden Einzel¬
zellen vereinigt. Auf Liebesakten ruht in unabſehbarer Kette
die Entwickelung, — auch die vom einzelligen Bazillus bis
zum Menſchen herauf. Was war nun der Liebesakt jener erſt¬
geborenen Einzelligen am Anfang der ganzen Entwickelungs¬
linie ſelbſt? Suchte ein ganzes einzelliges Tier von damals
gleich einem heutigen Samentierchen ein zweites einzelliges
Weſen und bekundete ſeine Liebe darin, daß es mit ihm als
Ganzes verſchmolz wie das Samentierchen mit dem Ei ver¬
ſchmilzt?
Da mußt du nun vor allem auf eins achten.
Der Akt, wie du ihn bei dir ſelber ſiehſt, iſt nicht bloß
ein Liebesakt, ein Zeugungsakt überhaupt. Er iſt ſchon mehr:
er iſt ein Geſchlechtsakt. Zwei Geſchlechter ſind dazu nötig.
Mann und Weib. Jedes mit beſonderen Geſchlechtsteilen und
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/143>, abgerufen am 23.11.2024.
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