Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

Bild:
<< vorherige Seite
"..... So daß Natur in Haß und
Lieben
Als ihre Blüte Gott getrieben."
(Aus Lenaus "Faust".)

Ein Märchen.

Es war einmal ein lieber dicker Stern im
Weltall. Die Astronomen einer benachbarten
Weltengegend beobachteten ihn schon seit langen,
langen Zeiten. Sie rechneten ihn nicht als Einzel¬
stern, sondern als Planeten in einem größeren
Bunde. In ganz alten Urkunden spukte bei ihnen
noch die Behauptung, der Stern sei einmal blut¬
rot gewesen, und man habe mit Hilfe der Spektral¬
analyse eigenes Licht bei ihm nachweisen können.
Aber das mußte lange her sein. Sicherlich war
das ganz schwache Licht, das er jetzt überhaupt
nur noch ausstrahlte, bloß der Wiederschein eines
nahen, viel größeren und helleren Sternes, um
den der kleine Dicke sich in Jahresfrist gerade
einmal herumkugelte.

Auf diesem Stern nun erwuchs ein Geschlecht
lustiger kleiner Zwerge.

Keiner wußte, woher sie stammten. Waren
sie eines Tages vom blauen Himmel gepurzelt,
als hartgefrorene Dauermumien, in denen das

„..... So daß Natur in Haß und
Lieben
Als ihre Blüte Gott getrieben.“
(Aus Lenaus „Fauſt“.)

Ein Märchen.

Es war einmal ein lieber dicker Stern im
Weltall. Die Aſtronomen einer benachbarten
Weltengegend beobachteten ihn ſchon ſeit langen,
langen Zeiten. Sie rechneten ihn nicht als Einzel¬
ſtern, ſondern als Planeten in einem größeren
Bunde. In ganz alten Urkunden ſpukte bei ihnen
noch die Behauptung, der Stern ſei einmal blut¬
rot geweſen, und man habe mit Hilfe der Spektral¬
analyſe eigenes Licht bei ihm nachweiſen können.
Aber das mußte lange her ſein. Sicherlich war
das ganz ſchwache Licht, das er jetzt überhaupt
nur noch ausſtrahlte, bloß der Wiederſchein eines
nahen, viel größeren und helleren Sternes, um
den der kleine Dicke ſich in Jahresfriſt gerade
einmal herumkugelte.

Auf dieſem Stern nun erwuchs ein Geſchlecht
luſtiger kleiner Zwerge.

Keiner wußte, woher ſie ſtammten. Waren
ſie eines Tages vom blauen Himmel gepurzelt,
als hartgefrorene Dauermumien, in denen das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0146" n="130"/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l>&#x201E;..... So daß Natur in Haß und<lb/><hi rendition="#et">Lieben</hi><lb/></l>
              <l>Als ihre Blüte Gott getrieben.&#x201C;<lb/></l>
            </lg>
          </quote>
          <bibl rendition="#right">(Aus Lenaus &#x201E;Fau&#x017F;t&#x201C;.)<lb/></bibl>
        </cit>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>in Märchen.</p><lb/>
        <p>Es war einmal ein lieber dicker Stern im<lb/>
Weltall. Die A&#x017F;tronomen einer benachbarten<lb/>
Weltengegend beobachteten ihn &#x017F;chon &#x017F;eit langen,<lb/>
langen Zeiten. Sie rechneten ihn nicht als Einzel¬<lb/>
&#x017F;tern, &#x017F;ondern als Planeten in einem größeren<lb/>
Bunde. In ganz alten Urkunden &#x017F;pukte bei ihnen<lb/>
noch die Behauptung, der Stern &#x017F;ei einmal blut¬<lb/>
rot gewe&#x017F;en, und man habe mit Hilfe der Spektral¬<lb/>
analy&#x017F;e eigenes Licht bei ihm nachwei&#x017F;en können.<lb/>
Aber das mußte lange her &#x017F;ein. Sicherlich war<lb/>
das ganz &#x017F;chwache Licht, das er jetzt überhaupt<lb/>
nur noch aus&#x017F;trahlte, bloß der Wieder&#x017F;chein eines<lb/>
nahen, viel größeren und helleren Sternes, um<lb/>
den der kleine Dicke &#x017F;ich in Jahresfri&#x017F;t gerade<lb/>
einmal herumkugelte.</p><lb/>
        <p>Auf die&#x017F;em Stern nun erwuchs ein Ge&#x017F;chlecht<lb/>
lu&#x017F;tiger kleiner Zwerge.</p><lb/>
        <p>Keiner wußte, woher &#x017F;ie &#x017F;tammten. Waren<lb/>
&#x017F;ie eines Tages vom blauen Himmel gepurzelt,<lb/>
als hartgefrorene Dauermumien, in denen das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0146] „..... So daß Natur in Haß und Lieben Als ihre Blüte Gott getrieben.“ (Aus Lenaus „Fauſt“.) Ein Märchen. Es war einmal ein lieber dicker Stern im Weltall. Die Aſtronomen einer benachbarten Weltengegend beobachteten ihn ſchon ſeit langen, langen Zeiten. Sie rechneten ihn nicht als Einzel¬ ſtern, ſondern als Planeten in einem größeren Bunde. In ganz alten Urkunden ſpukte bei ihnen noch die Behauptung, der Stern ſei einmal blut¬ rot geweſen, und man habe mit Hilfe der Spektral¬ analyſe eigenes Licht bei ihm nachweiſen können. Aber das mußte lange her ſein. Sicherlich war das ganz ſchwache Licht, das er jetzt überhaupt nur noch ausſtrahlte, bloß der Wiederſchein eines nahen, viel größeren und helleren Sternes, um den der kleine Dicke ſich in Jahresfriſt gerade einmal herumkugelte. Auf dieſem Stern nun erwuchs ein Geſchlecht luſtiger kleiner Zwerge. Keiner wußte, woher ſie ſtammten. Waren ſie eines Tages vom blauen Himmel gepurzelt, als hartgefrorene Dauermumien, in denen das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/146
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/146>, abgerufen am 22.11.2024.