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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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das -- weißt du, es ist eigentlich furchtbar dumm -- das
nannten die Kerle Kinder kriegen.

Aber es ging, und das Zwergenvolk wuchs dabei wie
Sand am Meere. Erst nach einer langen Weile stellten sich
gewisse Mißstände ein, die denn doch die Geschichte auf die
Dauer etwas bedenklich zu machen drohten. Das kam aber so.
Wenn Rumpelstilz sich selber auseinander riß, dann war ur¬
sprünglich eine Hauptbedingung, daß die Stücke hübsch genau
die beiden Hälften bildeten. Nur dann hatten die Teilstücke
die rechte Kraft, sich in kurzer Frist wieder auf die volle Größe
auszuwachsen. Nun kam es aber mehr und mehr vor, daß
Rumpelstilze in diesem Punkte ganz leichtfertig und ungenau
zu Werke gingen. Mochte es nun sein, daß die einen bei
knapper Kost an Kraft zum Zerreißen einbüßten, wieder andere
aber in der Fülle allzuviel Kräfte in sich entwickelten -- genug,
es geschah, daß in dem Reißakt bald zu wenig, bald zu viel
gethan wurde. Die einen Rumpelstilze zerrissen sich so lässig,
daß das eine Stück etwa drei Viertel von dem alten Leibe
behielt, das andere aber nur mit einem Viertel heraus kam.
Schon in diesem Falle hinkte das zweite Stück natürlich in der
Entwickelung nach und hatte eine verzweifelte Mehrarbeit nötig,
um sich auf die ganze Größe hinaufzufressen.

Diese Form war aber noch lange nicht die schlimmste.
Wie so oft, schadete blinder Übereifer noch mehr als die Lässig¬
keit. Andere Rumpelstilze, die so recht fett lange Zeit ruhig
in den Fleischtöpfen Ägyptens gesessen hatten, faßten, als sie
endlich an die Kinderkriegerei herangingen, die Sache mit
solcher Energie auf, daß sie sich statt in zwei, gleich in vier,
in acht, ja ein Dutzend und noch viel mehr junge Rumpel¬
stilzchen zerhackten. Hier gab's denn wohl Kinder genug, aber
gleichzeitig waren's solche Duodezwürmchen und Zwergzwerglein
an Größe, daß selbst der köstlichste Fleischtopf nicht mehr aus¬
reichte, um sie je auf eine nur halbwegs anständige Größe
heraufzupäppeln. Das war jetzt wirklich mißlich. Mindestens

das — weißt du, es iſt eigentlich furchtbar dumm — das
nannten die Kerle Kinder kriegen.

Aber es ging, und das Zwergenvolk wuchs dabei wie
Sand am Meere. Erſt nach einer langen Weile ſtellten ſich
gewiſſe Mißſtände ein, die denn doch die Geſchichte auf die
Dauer etwas bedenklich zu machen drohten. Das kam aber ſo.
Wenn Rumpelſtilz ſich ſelber auseinander riß, dann war ur¬
ſprünglich eine Hauptbedingung, daß die Stücke hübſch genau
die beiden Hälften bildeten. Nur dann hatten die Teilſtücke
die rechte Kraft, ſich in kurzer Friſt wieder auf die volle Größe
auszuwachſen. Nun kam es aber mehr und mehr vor, daß
Rumpelſtilze in dieſem Punkte ganz leichtfertig und ungenau
zu Werke gingen. Mochte es nun ſein, daß die einen bei
knapper Koſt an Kraft zum Zerreißen einbüßten, wieder andere
aber in der Fülle allzuviel Kräfte in ſich entwickelten — genug,
es geſchah, daß in dem Reißakt bald zu wenig, bald zu viel
gethan wurde. Die einen Rumpelſtilze zerriſſen ſich ſo läſſig,
daß das eine Stück etwa drei Viertel von dem alten Leibe
behielt, das andere aber nur mit einem Viertel heraus kam.
Schon in dieſem Falle hinkte das zweite Stück natürlich in der
Entwickelung nach und hatte eine verzweifelte Mehrarbeit nötig,
um ſich auf die ganze Größe hinaufzufreſſen.

Dieſe Form war aber noch lange nicht die ſchlimmſte.
Wie ſo oft, ſchadete blinder Übereifer noch mehr als die Läſſig¬
keit. Andere Rumpelſtilze, die ſo recht fett lange Zeit ruhig
in den Fleiſchtöpfen Ägyptens geſeſſen hatten, faßten, als ſie
endlich an die Kinderkriegerei herangingen, die Sache mit
ſolcher Energie auf, daß ſie ſich ſtatt in zwei, gleich in vier,
in acht, ja ein Dutzend und noch viel mehr junge Rumpel¬
ſtilzchen zerhackten. Hier gab's denn wohl Kinder genug, aber
gleichzeitig waren's ſolche Duodezwürmchen und Zwergzwerglein
an Größe, daß ſelbſt der köſtlichſte Fleiſchtopf nicht mehr aus¬
reichte, um ſie je auf eine nur halbwegs anſtändige Größe
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[132/0148] das — weißt du, es iſt eigentlich furchtbar dumm — das nannten die Kerle Kinder kriegen. Aber es ging, und das Zwergenvolk wuchs dabei wie Sand am Meere. Erſt nach einer langen Weile ſtellten ſich gewiſſe Mißſtände ein, die denn doch die Geſchichte auf die Dauer etwas bedenklich zu machen drohten. Das kam aber ſo. Wenn Rumpelſtilz ſich ſelber auseinander riß, dann war ur¬ ſprünglich eine Hauptbedingung, daß die Stücke hübſch genau die beiden Hälften bildeten. Nur dann hatten die Teilſtücke die rechte Kraft, ſich in kurzer Friſt wieder auf die volle Größe auszuwachſen. Nun kam es aber mehr und mehr vor, daß Rumpelſtilze in dieſem Punkte ganz leichtfertig und ungenau zu Werke gingen. Mochte es nun ſein, daß die einen bei knapper Koſt an Kraft zum Zerreißen einbüßten, wieder andere aber in der Fülle allzuviel Kräfte in ſich entwickelten — genug, es geſchah, daß in dem Reißakt bald zu wenig, bald zu viel gethan wurde. Die einen Rumpelſtilze zerriſſen ſich ſo läſſig, daß das eine Stück etwa drei Viertel von dem alten Leibe behielt, das andere aber nur mit einem Viertel heraus kam. Schon in dieſem Falle hinkte das zweite Stück natürlich in der Entwickelung nach und hatte eine verzweifelte Mehrarbeit nötig, um ſich auf die ganze Größe hinaufzufreſſen. Dieſe Form war aber noch lange nicht die ſchlimmſte. Wie ſo oft, ſchadete blinder Übereifer noch mehr als die Läſſig¬ keit. Andere Rumpelſtilze, die ſo recht fett lange Zeit ruhig in den Fleiſchtöpfen Ägyptens geſeſſen hatten, faßten, als ſie endlich an die Kinderkriegerei herangingen, die Sache mit ſolcher Energie auf, daß ſie ſich ſtatt in zwei, gleich in vier, in acht, ja ein Dutzend und noch viel mehr junge Rumpel¬ ſtilzchen zerhackten. Hier gab's denn wohl Kinder genug, aber gleichzeitig waren's ſolche Duodezwürmchen und Zwergzwerglein an Größe, daß ſelbſt der köſtlichſte Fleiſchtopf nicht mehr aus¬ reichte, um ſie je auf eine nur halbwegs anſtändige Größe heraufzupäppeln. Das war jetzt wirklich mißlich. Mindeſtens

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/148>, abgerufen am 22.11.2024.