Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.schiede ohne weiteres aus den einfachsten Gründen sich ursprüng¬ Bei einer geradezu überwältigenden Masse noch lebender 11*
ſchiede ohne weiteres aus den einfachſten Gründen ſich urſprüng¬ Bei einer geradezu überwältigenden Maſſe noch lebender 11*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0179" n="163"/> ſchiede ohne weiteres aus den einfachſten Gründen ſich urſprüng¬<lb/> lich entwickelt haben könnten. Wichtig zu wiſſen iſt dazu aber<lb/> noch folgende Thatſache.</p><lb/> <p>Bei einer geradezu überwältigenden Maſſe noch lebender<lb/> Einzeller findeſt du einen Wechſel von ſeßhafter, ruhiger und<lb/> von beweglicher, ſchwärmender Lebensweiſe auch ganz un¬<lb/> abhängig von der Fortpflanzung ausgebildet. Es iſt, als hätten<lb/> die Urweſen dieſes „Entweder — Oder“ von früh an ſchon<lb/> zu allerlei gewöhnlichen Lebenszwecken bei ſich gepflegt und ge¬<lb/> hegt. Bei demſelben Individuum ſiehſt du innerhalb ſeiner<lb/> Lebensbahn gelegentlich ſchroffſten Wechſel von Seßhaftigkeit<lb/> und Beweglichkeit. Im Stadium der Verdauung, bei Aus¬<lb/> trocknen des Wohnortes, zum Schutz gegen allerlei äußere<lb/> Schäden und Gefahren ſiehſt du luſtig freiſchwärmende Urzeller<lb/> ſich plötzlich feſtſetzen und zur Ruhepauſe einkapſeln. Iſt der<lb/> Anlaß oder die Gefahr vorüber, ſo wird das ſeßhafte Zellchen<lb/> ebenſo luſtig wieder zur Schwärmzelle. Kein Wunder gewiß,<lb/> daß dieſe ohnehin ſchon verbreitete und oft ausgenutzte Sache<lb/> nun gerade auch in das Liebesleben hinein geriet und dort<lb/> eine große, ja grundlegende Bedeutung gewann. Bei Ver¬<lb/> ſchmelzung zweier Zellen bevorzugte man den Zuſtand der<lb/> Seßhaftigkeit bei der einen und der Beweglichkeit bei der<lb/> anderen Partei. War das einmal fixiert und verband ſich zu¬<lb/> gleich mit dem Größenunterſchied, ſo konnte ſehr wohl als<lb/> Reſultat die Beweglichkeit als ein mehr oder minder feſtes<lb/> Merkmal der einen (männlichen!) Partei ſich ausbilden und die<lb/> Seßhaftigkeit umgekehrt als Merkmal der „Weiblichkeit“.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">11*<lb/></fw> </div> </body> </text> </TEI> [163/0179]
ſchiede ohne weiteres aus den einfachſten Gründen ſich urſprüng¬
lich entwickelt haben könnten. Wichtig zu wiſſen iſt dazu aber
noch folgende Thatſache.
Bei einer geradezu überwältigenden Maſſe noch lebender
Einzeller findeſt du einen Wechſel von ſeßhafter, ruhiger und
von beweglicher, ſchwärmender Lebensweiſe auch ganz un¬
abhängig von der Fortpflanzung ausgebildet. Es iſt, als hätten
die Urweſen dieſes „Entweder — Oder“ von früh an ſchon
zu allerlei gewöhnlichen Lebenszwecken bei ſich gepflegt und ge¬
hegt. Bei demſelben Individuum ſiehſt du innerhalb ſeiner
Lebensbahn gelegentlich ſchroffſten Wechſel von Seßhaftigkeit
und Beweglichkeit. Im Stadium der Verdauung, bei Aus¬
trocknen des Wohnortes, zum Schutz gegen allerlei äußere
Schäden und Gefahren ſiehſt du luſtig freiſchwärmende Urzeller
ſich plötzlich feſtſetzen und zur Ruhepauſe einkapſeln. Iſt der
Anlaß oder die Gefahr vorüber, ſo wird das ſeßhafte Zellchen
ebenſo luſtig wieder zur Schwärmzelle. Kein Wunder gewiß,
daß dieſe ohnehin ſchon verbreitete und oft ausgenutzte Sache
nun gerade auch in das Liebesleben hinein geriet und dort
eine große, ja grundlegende Bedeutung gewann. Bei Ver¬
ſchmelzung zweier Zellen bevorzugte man den Zuſtand der
Seßhaftigkeit bei der einen und der Beweglichkeit bei der
anderen Partei. War das einmal fixiert und verband ſich zu¬
gleich mit dem Größenunterſchied, ſo konnte ſehr wohl als
Reſultat die Beweglichkeit als ein mehr oder minder feſtes
Merkmal der einen (männlichen!) Partei ſich ausbilden und die
Seßhaftigkeit umgekehrt als Merkmal der „Weiblichkeit“.
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