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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Persönlichkeit ein Forschungsfeld, auf dem sich die Forscher von
heute in den Haaren liegen. Es ist das Gebiet der sogenannten
"Vererbung".

Wir haben es eigentlich schon einmal ganz grob berührt
-- nämlich in der Zwergengeschichte. Ich erzählte dir: aus
den Nachkommen jener als Mann und Weib verschmelzenden
Zwerge erwuchsen Nachkommen, die zum Teil wieder Männer,
zum Teil Weiber waren. Was regelte dieses "teils -- teils"?
Es ist die aktuelle Frage des Professors Schenk in Wien: was
bewirkt bei geschlechtlicher Zeugung, wo sich Mann und Weib
normal verbinden und eine Samenzelle mit einer Eizelle ver¬
schmelzen lassen, die Entstehung eines Knaben, was die eines
Mädchens? Beide entstehen abwechselnd, in einem immerhin
annähernden Prozentverhältnis. Aber wo steckt die Ursache?
Niemand weiß es, -- auch der Wiener Professor wohl nicht.
Was wir aber nicht einmal beim Menschen wissen: wie sollen
wir's bei den Urzellen enträtseln? Ich bin oben hübsch um
die Sache herumgegangen und durfte es, da sie ja in den
Faden des Ganzen thatsächlich kaum eingreift. Es bleibt eben
bloß eine kleine Lücke.

Jetzt aber stoßen wir auf dieselbe Lücke. Eben hieß es:
was bestimmt die Knaben- und Mädchenerzeugung? Jetzt heißt
es: was wirkt von den Zellen des Gesamtleibes überhaupt auf
die Zeugung ein? Beachte wohl, um was es sich handelt. Hier
stehst du. Du hast einen bestimmten Gesichtsbau: diese Form
der Nase, braune Augen von charakteristischem Ausdruck, ein
Muttermal auf der linken Wange. Heute zeugst du ein Kind.
Du zeugst es nicht so, daß du etwa deinen ganzen Leib in
zwei Stücke teilst, wobei auch dein Gesicht in zwei Stücke fiele.
Sondern du zeugst es mit deinem Geschlechtsorgan, du spaltest
eine einzige winzige Samenzelle von dir ab, diese findet eine
Eizelle deiner Liebsten, verschmilzt mit ihr -- und aus dem
Verschmelzungsprodukt wächst ein neuer Mensch. Ein Junge
oder ein Mädchen, -- das Warum? weißt du schon nicht. Aber

Perſönlichkeit ein Forſchungsfeld, auf dem ſich die Forſcher von
heute in den Haaren liegen. Es iſt das Gebiet der ſogenannten
„Vererbung“.

Wir haben es eigentlich ſchon einmal ganz grob berührt
— nämlich in der Zwergengeſchichte. Ich erzählte dir: aus
den Nachkommen jener als Mann und Weib verſchmelzenden
Zwerge erwuchſen Nachkommen, die zum Teil wieder Männer,
zum Teil Weiber waren. Was regelte dieſes „teils — teils“?
Es iſt die aktuelle Frage des Profeſſors Schenk in Wien: was
bewirkt bei geſchlechtlicher Zeugung, wo ſich Mann und Weib
normal verbinden und eine Samenzelle mit einer Eizelle ver¬
ſchmelzen laſſen, die Entſtehung eines Knaben, was die eines
Mädchens? Beide entſtehen abwechſelnd, in einem immerhin
annähernden Prozentverhältnis. Aber wo ſteckt die Urſache?
Niemand weiß es, — auch der Wiener Profeſſor wohl nicht.
Was wir aber nicht einmal beim Menſchen wiſſen: wie ſollen
wir's bei den Urzellen enträtſeln? Ich bin oben hübſch um
die Sache herumgegangen und durfte es, da ſie ja in den
Faden des Ganzen thatſächlich kaum eingreift. Es bleibt eben
bloß eine kleine Lücke.

Jetzt aber ſtoßen wir auf dieſelbe Lücke. Eben hieß es:
was beſtimmt die Knaben- und Mädchenerzeugung? Jetzt heißt
es: was wirkt von den Zellen des Geſamtleibes überhaupt auf
die Zeugung ein? Beachte wohl, um was es ſich handelt. Hier
ſtehſt du. Du haſt einen beſtimmten Geſichtsbau: dieſe Form
der Naſe, braune Augen von charakteriſtiſchem Ausdruck, ein
Muttermal auf der linken Wange. Heute zeugſt du ein Kind.
Du zeugſt es nicht ſo, daß du etwa deinen ganzen Leib in
zwei Stücke teilſt, wobei auch dein Geſicht in zwei Stücke fiele.
Sondern du zeugſt es mit deinem Geſchlechtsorgan, du ſpalteſt
eine einzige winzige Samenzelle von dir ab, dieſe findet eine
Eizelle deiner Liebſten, verſchmilzt mit ihr — und aus dem
Verſchmelzungsprodukt wächſt ein neuer Menſch. Ein Junge
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[185/0201] Perſönlichkeit ein Forſchungsfeld, auf dem ſich die Forſcher von heute in den Haaren liegen. Es iſt das Gebiet der ſogenannten „Vererbung“. Wir haben es eigentlich ſchon einmal ganz grob berührt — nämlich in der Zwergengeſchichte. Ich erzählte dir: aus den Nachkommen jener als Mann und Weib verſchmelzenden Zwerge erwuchſen Nachkommen, die zum Teil wieder Männer, zum Teil Weiber waren. Was regelte dieſes „teils — teils“? Es iſt die aktuelle Frage des Profeſſors Schenk in Wien: was bewirkt bei geſchlechtlicher Zeugung, wo ſich Mann und Weib normal verbinden und eine Samenzelle mit einer Eizelle ver¬ ſchmelzen laſſen, die Entſtehung eines Knaben, was die eines Mädchens? Beide entſtehen abwechſelnd, in einem immerhin annähernden Prozentverhältnis. Aber wo ſteckt die Urſache? Niemand weiß es, — auch der Wiener Profeſſor wohl nicht. Was wir aber nicht einmal beim Menſchen wiſſen: wie ſollen wir's bei den Urzellen enträtſeln? Ich bin oben hübſch um die Sache herumgegangen und durfte es, da ſie ja in den Faden des Ganzen thatſächlich kaum eingreift. Es bleibt eben bloß eine kleine Lücke. Jetzt aber ſtoßen wir auf dieſelbe Lücke. Eben hieß es: was beſtimmt die Knaben- und Mädchenerzeugung? Jetzt heißt es: was wirkt von den Zellen des Geſamtleibes überhaupt auf die Zeugung ein? Beachte wohl, um was es ſich handelt. Hier ſtehſt du. Du haſt einen beſtimmten Geſichtsbau: dieſe Form der Naſe, braune Augen von charakteriſtiſchem Ausdruck, ein Muttermal auf der linken Wange. Heute zeugſt du ein Kind. Du zeugſt es nicht ſo, daß du etwa deinen ganzen Leib in zwei Stücke teilſt, wobei auch dein Geſicht in zwei Stücke fiele. Sondern du zeugſt es mit deinem Geſchlechtsorgan, du ſpalteſt eine einzige winzige Samenzelle von dir ab, dieſe findet eine Eizelle deiner Liebſten, verſchmilzt mit ihr — und aus dem Verſchmelzungsprodukt wächſt ein neuer Menſch. Ein Junge oder ein Mädchen, — das Warum? weißt du ſchon nicht. Aber

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/201>, abgerufen am 21.11.2024.