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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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aus seinem kleinen weißen Trichter mit Sand danach. Eine
Hummel, haarig wie ein Bär, singt dumpf im Heidekraut. Und
in der Luft vor dem schimmernden Waldnebel ein unablässiges
Kommen und Gehen von anderen Insekten wie das Wogen
leuchtender Goldpunkte, ab und zu ein Silberstreifen dazwischen
wehend vom Luftseil einer Spinne.

Unendliche Welten des Lebens umspannt dein Blick. Un¬
trennbar liegst du darin. Eine einige Lebenswoge auf Erden
das alles: Kiefer und Farnkraut, Insekt und Vogel -- und
du. Ihr alle geschaukelt von dem gleichen Gesetz. Von der
Sonne mit Kraft getränkt, der Sonne, um die ihr wandert
mit eurer alten Erde. Kinder des Lichts. Wiegen des Geistes.
Brüder von Anbeginn des Planeten, durch die Urmillionen der
Jahre verknüpft. Nur auf wechselnder Wanderschaft zu ver¬
schiedenen Zielen gelangt, Kiefer und Farnkraut, Ameisen,
Schwalben, Eichkätzchen und Mensch.

Ihr alle seid Kinder des Landes, schon darin enger geeint.
Kinder der großen Erdeninseln, um die das blaue Meer wie
die eigentliche Urerde erst schwimmt. Wie du in den Himmel
jetzt starrst, ist es, als spiegele er diese Wasserweiten, die der
Wald dir verbirgt, da oben noch einmal ätherklar. Auch dort
unendliches Leben. Aus der Korallentiefe ragende Bäume,
starrend nicht von grünen Blättern, sondern von orangegelben
Mäulern freßbereiter Polypentiere. Gaukelnd silberne Fische.
Und leise anschwimmend, in langer Kette, ein Heer regenbogen¬
schillernder Glocken, Medusen, die märchenhaftesten aller Kinder
der See. Leben, Leben in der Welle wie auf dem Land.
Im Tautropfen eine Welt. Myriaden zitternder Seelen. Und
überall das Sehnen von du zu du. Die Kiefer und das
Farnblatt, der Fink und der Ameisenlöwe, die Schwalbe
und das Eichkätzchen, der Silberfisch und das große bunte
Meeresauge, die Meduse, alles liebt, wie du selber von
deiner Liebsten träumst. Alles eine einige große Lebenskette,
Liebeskette.

aus ſeinem kleinen weißen Trichter mit Sand danach. Eine
Hummel, haarig wie ein Bär, ſingt dumpf im Heidekraut. Und
in der Luft vor dem ſchimmernden Waldnebel ein unabläſſiges
Kommen und Gehen von anderen Inſekten wie das Wogen
leuchtender Goldpunkte, ab und zu ein Silberſtreifen dazwiſchen
wehend vom Luftſeil einer Spinne.

Unendliche Welten des Lebens umſpannt dein Blick. Un¬
trennbar liegſt du darin. Eine einige Lebenswoge auf Erden
das alles: Kiefer und Farnkraut, Inſekt und Vogel — und
du. Ihr alle geſchaukelt von dem gleichen Geſetz. Von der
Sonne mit Kraft getränkt, der Sonne, um die ihr wandert
mit eurer alten Erde. Kinder des Lichts. Wiegen des Geiſtes.
Brüder von Anbeginn des Planeten, durch die Urmillionen der
Jahre verknüpft. Nur auf wechſelnder Wanderſchaft zu ver¬
ſchiedenen Zielen gelangt, Kiefer und Farnkraut, Ameiſen,
Schwalben, Eichkätzchen und Menſch.

Ihr alle ſeid Kinder des Landes, ſchon darin enger geeint.
Kinder der großen Erdeninſeln, um die das blaue Meer wie
die eigentliche Urerde erſt ſchwimmt. Wie du in den Himmel
jetzt ſtarrſt, iſt es, als ſpiegele er dieſe Waſſerweiten, die der
Wald dir verbirgt, da oben noch einmal ätherklar. Auch dort
unendliches Leben. Aus der Korallentiefe ragende Bäume,
ſtarrend nicht von grünen Blättern, ſondern von orangegelben
Mäulern freßbereiter Polypentiere. Gaukelnd ſilberne Fiſche.
Und leiſe anſchwimmend, in langer Kette, ein Heer regenbogen¬
ſchillernder Glocken, Meduſen, die märchenhafteſten aller Kinder
der See. Leben, Leben in der Welle wie auf dem Land.
Im Tautropfen eine Welt. Myriaden zitternder Seelen. Und
überall das Sehnen von du zu du. Die Kiefer und das
Farnblatt, der Fink und der Ameiſenlöwe, die Schwalbe
und das Eichkätzchen, der Silberfiſch und das große bunte
Meeresauge, die Meduſe, alles liebt, wie du ſelber von
deiner Liebſten träumſt. Alles eine einige große Lebenskette,
Liebeskette.

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[198/0214] aus ſeinem kleinen weißen Trichter mit Sand danach. Eine Hummel, haarig wie ein Bär, ſingt dumpf im Heidekraut. Und in der Luft vor dem ſchimmernden Waldnebel ein unabläſſiges Kommen und Gehen von anderen Inſekten wie das Wogen leuchtender Goldpunkte, ab und zu ein Silberſtreifen dazwiſchen wehend vom Luftſeil einer Spinne. Unendliche Welten des Lebens umſpannt dein Blick. Un¬ trennbar liegſt du darin. Eine einige Lebenswoge auf Erden das alles: Kiefer und Farnkraut, Inſekt und Vogel — und du. Ihr alle geſchaukelt von dem gleichen Geſetz. Von der Sonne mit Kraft getränkt, der Sonne, um die ihr wandert mit eurer alten Erde. Kinder des Lichts. Wiegen des Geiſtes. Brüder von Anbeginn des Planeten, durch die Urmillionen der Jahre verknüpft. Nur auf wechſelnder Wanderſchaft zu ver¬ ſchiedenen Zielen gelangt, Kiefer und Farnkraut, Ameiſen, Schwalben, Eichkätzchen und Menſch. Ihr alle ſeid Kinder des Landes, ſchon darin enger geeint. Kinder der großen Erdeninſeln, um die das blaue Meer wie die eigentliche Urerde erſt ſchwimmt. Wie du in den Himmel jetzt ſtarrſt, iſt es, als ſpiegele er dieſe Waſſerweiten, die der Wald dir verbirgt, da oben noch einmal ätherklar. Auch dort unendliches Leben. Aus der Korallentiefe ragende Bäume, ſtarrend nicht von grünen Blättern, ſondern von orangegelben Mäulern freßbereiter Polypentiere. Gaukelnd ſilberne Fiſche. Und leiſe anſchwimmend, in langer Kette, ein Heer regenbogen¬ ſchillernder Glocken, Meduſen, die märchenhafteſten aller Kinder der See. Leben, Leben in der Welle wie auf dem Land. Im Tautropfen eine Welt. Myriaden zitternder Seelen. Und überall das Sehnen von du zu du. Die Kiefer und das Farnblatt, der Fink und der Ameiſenlöwe, die Schwalbe und das Eichkätzchen, der Silberfiſch und das große bunte Meeresauge, die Meduſe, alles liebt, wie du ſelber von deiner Liebſten träumſt. Alles eine einige große Lebenskette, Liebeskette.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/214>, abgerufen am 21.11.2024.