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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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lachen muß. Du, nach so viel heißer Weltensonne, so viel
Sternenwanderung. Alte Mütterchen, in deren engem Stübchen
hinter Fliederthee und verblichenen Stickereien von Anno
Dazumal die Welt stillgestanden hat, Wand an Wand mit
Kopernikus, Darwin und der sozialen Frage ..... du aber
lächelst, begreifst -- und stehst doch gerührt. Deine Jugend
webt hier, die erste Liebe, die zu dir kam, und die erste, die
von dir ging. Damals war das alles gar nicht lächerlich.
So sieh die alte Tierwelt an. Die Meduse, der Krebs, die
Ameise, der Seestern, der Fisch, -- es sind alte Fliedermütter¬
chen, zu denen du, das Weltkind, in einer stillen Dämmerstunde
kehrst. Das Weltkind der Erde zu den alten Zwerglein, die
es gewiegt haben! Sie sind runzelig. Aber du denkst, -- und
der Gedanke wird ein stiller, großer, geheimnißvoller Rosenflor,
der über alle verklungene Liebe dornt und blüht. Zwischen
den Rosenflammen die ewigen Sterne. Kein Winkel der Erde,
wo sie nicht sind. Und aus ihren Milchstraßen singt das
Weltenlied vom Geist: "Und siehe, ich bin bei euch alle Tage,
bis an der Welt Ende" .....

lachen muß. Du, nach ſo viel heißer Weltenſonne, ſo viel
Sternenwanderung. Alte Mütterchen, in deren engem Stübchen
hinter Fliederthee und verblichenen Stickereien von Anno
Dazumal die Welt ſtillgeſtanden hat, Wand an Wand mit
Kopernikus, Darwin und der ſozialen Frage ..... du aber
lächelſt, begreifſt — und ſtehſt doch gerührt. Deine Jugend
webt hier, die erſte Liebe, die zu dir kam, und die erſte, die
von dir ging. Damals war das alles gar nicht lächerlich.
So ſieh die alte Tierwelt an. Die Meduſe, der Krebs, die
Ameiſe, der Seeſtern, der Fiſch, — es ſind alte Fliedermütter¬
chen, zu denen du, das Weltkind, in einer ſtillen Dämmerſtunde
kehrſt. Das Weltkind der Erde zu den alten Zwerglein, die
es gewiegt haben! Sie ſind runzelig. Aber du denkſt, — und
der Gedanke wird ein ſtiller, großer, geheimnißvoller Roſenflor,
der über alle verklungene Liebe dornt und blüht. Zwiſchen
den Roſenflammen die ewigen Sterne. Kein Winkel der Erde,
wo ſie nicht ſind. Und aus ihren Milchſtraßen ſingt das
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bis an der Welt Ende“ .....

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[202/0218] lachen muß. Du, nach ſo viel heißer Weltenſonne, ſo viel Sternenwanderung. Alte Mütterchen, in deren engem Stübchen hinter Fliederthee und verblichenen Stickereien von Anno Dazumal die Welt ſtillgeſtanden hat, Wand an Wand mit Kopernikus, Darwin und der ſozialen Frage ..... du aber lächelſt, begreifſt — und ſtehſt doch gerührt. Deine Jugend webt hier, die erſte Liebe, die zu dir kam, und die erſte, die von dir ging. Damals war das alles gar nicht lächerlich. So ſieh die alte Tierwelt an. Die Meduſe, der Krebs, die Ameiſe, der Seeſtern, der Fiſch, — es ſind alte Fliedermütter¬ chen, zu denen du, das Weltkind, in einer ſtillen Dämmerſtunde kehrſt. Das Weltkind der Erde zu den alten Zwerglein, die es gewiegt haben! Sie ſind runzelig. Aber du denkſt, — und der Gedanke wird ein ſtiller, großer, geheimnißvoller Roſenflor, der über alle verklungene Liebe dornt und blüht. Zwiſchen den Roſenflammen die ewigen Sterne. Kein Winkel der Erde, wo ſie nicht ſind. Und aus ihren Milchſtraßen ſingt das Weltenlied vom Geiſt: „Und ſiehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende“ .....

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/218>, abgerufen am 21.11.2024.