Geschwister vom Elterwurm getrennt oder (was hier dasselbe sagt) mit ihm verknüpft erscheint. Statt eines Wurmindivi¬ duums beherbergt die chemische Fabrik deines Darmes fortan eine ganze Familie, die in dichtgedrängter Folge schließlich jenes kolossale Gebilde formt, das, als Ganzes genommen, der Laie erst für den eigentlichen "Bandwurm" hält, weil es eben als Ganzes für den oberflächlichen Blick erst recht jetzt wie ein Riesenwurm mit Kopf und Ringelgliedern ausschaut. Das Interessanteste aber ist folgendes.
Die Wurmjungen, die da durch Knospung entstanden sind, gleichen nicht völlig ihrem Erzeuger. Sie haben auch ihre Nerven und gewisse Reste von Organen, sie saugen Nährsaft in sich ein, kurz sie sind regelrechte Bandwurmjunge. Aber sie besitzen außerdem noch vollkommen ausgebildete Geschlechts¬ organe und zwar männliche und weibliche in einem und dem¬ selben Körper. Jedes Wurmjunge erzeugt in sich Samentierchen, die in einem vorstreckbaren Begattungsglied herausbefördert werden können, und daneben auch einen Eierstock mit einer Scheide, in der sich die Eier vordrängen. Und während der alte Bandwurm noch emsig fortfährt seine Liebe durch Knospen¬ treiben zu bewähren, regt sich in diesen geknospeten Bandwurm¬ jungen alsbald auch schon dieselbe Liebe, bloß mit dem Unter¬ schied, daß hier nicht Knosperei getrieben, sondern der echte tierische Weg der geschlechtlichen Zeugung eingeschlagen wird. Die Bandwurmglieder, jedes zum anderen Mann und Weib in einer Person, begatten sich, eng verkettet wie sie da im Menschen¬ darm liegen, gegenseitig Paar zu Paar übers Kreuz, indem jedes dem andern Samen zur Befruchtung seiner Eier zusteckt und zugleich Eier für den Samen des anderen zur Verfügung stellt. Selbstbefruchtung scheint auch hier nur der Ausnahme¬ fall zu sein, wie überall bei hermaphroditischen Verhältnissen.
Alsbald nach vollzogener Befruchtung der Eier trocknen die Samen ein, die Eier aber pflegen sich mit einer festen Schale zu umgeben, in der sich meistens sogleich und noch im
Geſchwiſter vom Elterwurm getrennt oder (was hier dasſelbe ſagt) mit ihm verknüpft erſcheint. Statt eines Wurmindivi¬ duums beherbergt die chemiſche Fabrik deines Darmes fortan eine ganze Familie, die in dichtgedrängter Folge ſchließlich jenes koloſſale Gebilde formt, das, als Ganzes genommen, der Laie erſt für den eigentlichen „Bandwurm“ hält, weil es eben als Ganzes für den oberflächlichen Blick erſt recht jetzt wie ein Rieſenwurm mit Kopf und Ringelgliedern ausſchaut. Das Intereſſanteſte aber iſt folgendes.
Die Wurmjungen, die da durch Knoſpung entſtanden ſind, gleichen nicht völlig ihrem Erzeuger. Sie haben auch ihre Nerven und gewiſſe Reſte von Organen, ſie ſaugen Nährſaft in ſich ein, kurz ſie ſind regelrechte Bandwurmjunge. Aber ſie beſitzen außerdem noch vollkommen ausgebildete Geſchlechts¬ organe und zwar männliche und weibliche in einem und dem¬ ſelben Körper. Jedes Wurmjunge erzeugt in ſich Samentierchen, die in einem vorſtreckbaren Begattungsglied herausbefördert werden können, und daneben auch einen Eierſtock mit einer Scheide, in der ſich die Eier vordrängen. Und während der alte Bandwurm noch emſig fortfährt ſeine Liebe durch Knoſpen¬ treiben zu bewähren, regt ſich in dieſen geknoſpeten Bandwurm¬ jungen alsbald auch ſchon dieſelbe Liebe, bloß mit dem Unter¬ ſchied, daß hier nicht Knoſperei getrieben, ſondern der echte tieriſche Weg der geſchlechtlichen Zeugung eingeſchlagen wird. Die Bandwurmglieder, jedes zum anderen Mann und Weib in einer Perſon, begatten ſich, eng verkettet wie ſie da im Menſchen¬ darm liegen, gegenſeitig Paar zu Paar übers Kreuz, indem jedes dem andern Samen zur Befruchtung ſeiner Eier zuſteckt und zugleich Eier für den Samen des anderen zur Verfügung ſtellt. Selbſtbefruchtung ſcheint auch hier nur der Ausnahme¬ fall zu ſein, wie überall bei hermaphroditiſchen Verhältniſſen.
Alsbald nach vollzogener Befruchtung der Eier trocknen die Samen ein, die Eier aber pflegen ſich mit einer feſten Schale zu umgeben, in der ſich meiſtens ſogleich und noch im
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Geſchwiſter vom Elterwurm getrennt oder (was hier dasſelbe
ſagt) mit ihm verknüpft erſcheint. Statt eines Wurmindivi¬
duums beherbergt die chemiſche Fabrik deines Darmes fortan
eine ganze Familie, die in dichtgedrängter Folge ſchließlich
jenes koloſſale Gebilde formt, das, als Ganzes genommen, der
Laie erſt für den eigentlichen „Bandwurm“ hält, weil es eben
als Ganzes für den oberflächlichen Blick erſt recht jetzt wie ein
Rieſenwurm mit Kopf und Ringelgliedern ausſchaut. Das
Intereſſanteſte aber iſt folgendes.
Die Wurmjungen, die da durch Knoſpung entſtanden ſind,
gleichen nicht völlig ihrem Erzeuger. Sie haben auch ihre
Nerven und gewiſſe Reſte von Organen, ſie ſaugen Nährſaft
in ſich ein, kurz ſie ſind regelrechte Bandwurmjunge. Aber ſie
beſitzen außerdem noch vollkommen ausgebildete Geſchlechts¬
organe und zwar männliche und weibliche in einem und dem¬
ſelben Körper. Jedes Wurmjunge erzeugt in ſich Samentierchen,
die in einem vorſtreckbaren Begattungsglied herausbefördert
werden können, und daneben auch einen Eierſtock mit einer
Scheide, in der ſich die Eier vordrängen. Und während der
alte Bandwurm noch emſig fortfährt ſeine Liebe durch Knoſpen¬
treiben zu bewähren, regt ſich in dieſen geknoſpeten Bandwurm¬
jungen alsbald auch ſchon dieſelbe Liebe, bloß mit dem Unter¬
ſchied, daß hier nicht Knoſperei getrieben, ſondern der echte
tieriſche Weg der geſchlechtlichen Zeugung eingeſchlagen wird.
Die Bandwurmglieder, jedes zum anderen Mann und Weib in
einer Perſon, begatten ſich, eng verkettet wie ſie da im Menſchen¬
darm liegen, gegenſeitig Paar zu Paar übers Kreuz, indem
jedes dem andern Samen zur Befruchtung ſeiner Eier zuſteckt
und zugleich Eier für den Samen des anderen zur Verfügung
ſtellt. Selbſtbefruchtung ſcheint auch hier nur der Ausnahme¬
fall zu ſein, wie überall bei hermaphroditiſchen Verhältniſſen.
Alsbald nach vollzogener Befruchtung der Eier trocknen
die Samen ein, die Eier aber pflegen ſich mit einer feſten
Schale zu umgeben, in der ſich meiſtens ſogleich und noch im
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/253>, abgerufen am 24.11.2024.
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