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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Du kennst das Lied von der großen Frau, die tanzen
ging, und dem kleinen Manne, der "wollt' auch mitgeh'n".
Das ist aber noch nichts gegen die Eheverhältnisse im Hause
Bonellia. Neben dem Weibe, das mit ausgestrecktem Rüssel
über zwanzig Zentimeter lang wird, steht der Mann mit
höchstens zwei Millimeter Militärmaß. Das giebt die
Differenz etwa zwischen Mensch und Fliege. Die sicherste
Form des "Mitgehens" dürfte solchem Miniaturmännchen darin
bestehen, daß es der "großen Frau" einfach in die Rocktasche
kriecht. Und in der That mußt du die männliche Linie vom
Bonelliastamm im buchstäblichen Sinn in den Tiefen der weib¬
lichen aufspüren.

Ein großes Asyl, wie solch grünes Weib darstellt, sammelt
es unter seinem schützenden Dache aber nicht einen Liliputer
allein, sondern meist gleich mehrere. Bis zu achtzehn Stück
hat man gelegentlich gefunden. Zuerst, wenn die Männlein
sich als noch ganz unerfahrene Jungen einfinden, dünkt ihnen
das weite Maul ihrer Dame die nächstbeste Pforte. In der
Speiseröhre (also fast wie jener Batakliebhaber) saugen sie sich
gleich Bandwürmern fest und führen eine Weile ein wohliges
Schmarotzerdasein. Satt gefüttert, fühlen sie aber dann die
Regungen der Liebe, zu denen ein ganz gewaltiger Samen¬
schlauch in ihrem sonst stark verkümmerten Leibe ihnen das
volle Anrecht verleiht. Die Speiseröhre dünkt ihnen jetzt nicht
mehr der geeignete Ort. Sie krabbeln dem zukünftigen Gegen¬
stande ihrer Liebe wieder zum Schlunde heraus, steigen an
der grünen Gurke ein Stückchen abwärts und entdecken eine
bessere Pforte, nämlich die weibliche Geschlechtsöffnung.

In den Größenverhältnissen, die hier herrschen, ist auch
diese für die Männlein ein geräumiges Thor gleich dem ver¬
lassenen Munde. Von einem Begattungsakt im gewöhnlichen
Sinne kann natürlich gar keine Rede sein, denn die Öffnung
allein ist ja breiter als so ein ganzes Männlein an seiner
dicksten Stelle ist. So muß es denn anders gehen.

Du kennſt das Lied von der großen Frau, die tanzen
ging, und dem kleinen Manne, der „wollt' auch mitgeh'n“.
Das iſt aber noch nichts gegen die Eheverhältniſſe im Hauſe
Bonellia. Neben dem Weibe, das mit ausgeſtrecktem Rüſſel
über zwanzig Zentimeter lang wird, ſteht der Mann mit
höchſtens zwei Millimeter Militärmaß. Das giebt die
Differenz etwa zwiſchen Menſch und Fliege. Die ſicherſte
Form des „Mitgehens“ dürfte ſolchem Miniaturmännchen darin
beſtehen, daß es der „großen Frau“ einfach in die Rocktaſche
kriecht. Und in der That mußt du die männliche Linie vom
Bonelliaſtamm im buchſtäblichen Sinn in den Tiefen der weib¬
lichen aufſpüren.

Ein großes Aſyl, wie ſolch grünes Weib darſtellt, ſammelt
es unter ſeinem ſchützenden Dache aber nicht einen Liliputer
allein, ſondern meiſt gleich mehrere. Bis zu achtzehn Stück
hat man gelegentlich gefunden. Zuerſt, wenn die Männlein
ſich als noch ganz unerfahrene Jungen einfinden, dünkt ihnen
das weite Maul ihrer Dame die nächſtbeſte Pforte. In der
Speiſeröhre (alſo faſt wie jener Batakliebhaber) ſaugen ſie ſich
gleich Bandwürmern feſt und führen eine Weile ein wohliges
Schmarotzerdaſein. Satt gefüttert, fühlen ſie aber dann die
Regungen der Liebe, zu denen ein ganz gewaltiger Samen¬
ſchlauch in ihrem ſonſt ſtark verkümmerten Leibe ihnen das
volle Anrecht verleiht. Die Speiſeröhre dünkt ihnen jetzt nicht
mehr der geeignete Ort. Sie krabbeln dem zukünftigen Gegen¬
ſtande ihrer Liebe wieder zum Schlunde heraus, ſteigen an
der grünen Gurke ein Stückchen abwärts und entdecken eine
beſſere Pforte, nämlich die weibliche Geſchlechtsöffnung.

In den Größenverhältniſſen, die hier herrſchen, iſt auch
dieſe für die Männlein ein geräumiges Thor gleich dem ver¬
laſſenen Munde. Von einem Begattungsakt im gewöhnlichen
Sinne kann natürlich gar keine Rede ſein, denn die Öffnung
allein iſt ja breiter als ſo ein ganzes Männlein an ſeiner
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[260/0276] Du kennſt das Lied von der großen Frau, die tanzen ging, und dem kleinen Manne, der „wollt' auch mitgeh'n“. Das iſt aber noch nichts gegen die Eheverhältniſſe im Hauſe Bonellia. Neben dem Weibe, das mit ausgeſtrecktem Rüſſel über zwanzig Zentimeter lang wird, ſteht der Mann mit höchſtens zwei Millimeter Militärmaß. Das giebt die Differenz etwa zwiſchen Menſch und Fliege. Die ſicherſte Form des „Mitgehens“ dürfte ſolchem Miniaturmännchen darin beſtehen, daß es der „großen Frau“ einfach in die Rocktaſche kriecht. Und in der That mußt du die männliche Linie vom Bonelliaſtamm im buchſtäblichen Sinn in den Tiefen der weib¬ lichen aufſpüren. Ein großes Aſyl, wie ſolch grünes Weib darſtellt, ſammelt es unter ſeinem ſchützenden Dache aber nicht einen Liliputer allein, ſondern meiſt gleich mehrere. Bis zu achtzehn Stück hat man gelegentlich gefunden. Zuerſt, wenn die Männlein ſich als noch ganz unerfahrene Jungen einfinden, dünkt ihnen das weite Maul ihrer Dame die nächſtbeſte Pforte. In der Speiſeröhre (alſo faſt wie jener Batakliebhaber) ſaugen ſie ſich gleich Bandwürmern feſt und führen eine Weile ein wohliges Schmarotzerdaſein. Satt gefüttert, fühlen ſie aber dann die Regungen der Liebe, zu denen ein ganz gewaltiger Samen¬ ſchlauch in ihrem ſonſt ſtark verkümmerten Leibe ihnen das volle Anrecht verleiht. Die Speiſeröhre dünkt ihnen jetzt nicht mehr der geeignete Ort. Sie krabbeln dem zukünftigen Gegen¬ ſtande ihrer Liebe wieder zum Schlunde heraus, ſteigen an der grünen Gurke ein Stückchen abwärts und entdecken eine beſſere Pforte, nämlich die weibliche Geſchlechtsöffnung. In den Größenverhältniſſen, die hier herrſchen, iſt auch dieſe für die Männlein ein geräumiges Thor gleich dem ver¬ laſſenen Munde. Von einem Begattungsakt im gewöhnlichen Sinne kann natürlich gar keine Rede ſein, denn die Öffnung allein iſt ja breiter als ſo ein ganzes Männlein an ſeiner dickſten Stelle iſt. So muß es denn anders gehen.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/276>, abgerufen am 24.11.2024.