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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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fehlen hier und der Same wird durch ein Begattungsglied
wechselseitig unmittelbar in die weibliche Scheide eingeführt.

Willst du dir nach dem Muster höherer, nicht zwitterhaft
gebauter Tiere ausmalen, daß auch bei diesen Zwittern beide
Geschlechtsteile mit besonderen starken Empfindungen für den
Akt ausgerüstet seien, so läßt sich nicht leugnen, daß in diesem
Falle jeder Blutegel die doppelte Geschlechtsempfindung gleich¬
zeitig an sich erfahren müßte, die gebende sowohl wie die
empfangende.

Man wird an den römischen Kaiser Heliogabalus erinnert,
der in seiner kaiserlichen Verrücktheit einen Preis darauf setzte,
wenn ihm einer zu seiner Männlichkeit noch den Besitz des
Weiblichen im Sinne eigener Empfindung verschaffen könnte.
Es unterliegt aber gar keiner Frage, daß die fundamentale
Auseinanderreißung der Geschlechter, wie sie auch dieser ge¬
krönte Narr als höheres Wirbeltier mit auf den Lebensweg
bekommen hatte, eine der wichtigsten Voraussetzungen gerade
höherer und idealerer Entwickelung gewesen ist, die wir sehr
zu unserem Schaden wieder verleugnen würden. Der Herma¬
phroditismus ist eine Station der Liebe, die für uns schlechter¬
dings hinter uns liegt und liegen muß. Sieh dir die Kunst
an, von der man mit der Zeit hoffentlich immer mehr lernen
wird, daß in ihr die eigentliche Naturgeschichte, die natürliche
Entwickelungsgeschichte der Menschheit wie in einem hellen
Spiegel uns vor Augen steht. Wie haben die Griechen sich
noch abgequält, Hermaphroditen in Marmor zu formen, eine
Idealgestalt, die Mann und Weib vereinigen sollte. Es ging
nicht mehr, -- was heraus kam, war eine Mißgeburt. Beim
Blutegel ist es noch echte, aufwärts drängende Natur. Beim
Menschen in den Tagen des Phidias ist es hoffnungslose
Stückelei.

Auf dem Gegensatz von Weib und Mann, auf dieser
einzigen Arbeitsteilung, die über das Individuum wirklich
physisch hinausgriff auch noch beim vollkommensten Organis¬

fehlen hier und der Same wird durch ein Begattungsglied
wechſelſeitig unmittelbar in die weibliche Scheide eingeführt.

Willſt du dir nach dem Muſter höherer, nicht zwitterhaft
gebauter Tiere ausmalen, daß auch bei dieſen Zwittern beide
Geſchlechtsteile mit beſonderen ſtarken Empfindungen für den
Akt ausgerüſtet ſeien, ſo läßt ſich nicht leugnen, daß in dieſem
Falle jeder Blutegel die doppelte Geſchlechtsempfindung gleich¬
zeitig an ſich erfahren müßte, die gebende ſowohl wie die
empfangende.

Man wird an den römiſchen Kaiſer Heliogabalus erinnert,
der in ſeiner kaiſerlichen Verrücktheit einen Preis darauf ſetzte,
wenn ihm einer zu ſeiner Männlichkeit noch den Beſitz des
Weiblichen im Sinne eigener Empfindung verſchaffen könnte.
Es unterliegt aber gar keiner Frage, daß die fundamentale
Auseinanderreißung der Geſchlechter, wie ſie auch dieſer ge¬
krönte Narr als höheres Wirbeltier mit auf den Lebensweg
bekommen hatte, eine der wichtigſten Vorausſetzungen gerade
höherer und idealerer Entwickelung geweſen iſt, die wir ſehr
zu unſerem Schaden wieder verleugnen würden. Der Herma¬
phroditismus iſt eine Station der Liebe, die für uns ſchlechter¬
dings hinter uns liegt und liegen muß. Sieh dir die Kunſt
an, von der man mit der Zeit hoffentlich immer mehr lernen
wird, daß in ihr die eigentliche Naturgeſchichte, die natürliche
Entwickelungsgeſchichte der Menſchheit wie in einem hellen
Spiegel uns vor Augen ſteht. Wie haben die Griechen ſich
noch abgequält, Hermaphroditen in Marmor zu formen, eine
Idealgeſtalt, die Mann und Weib vereinigen ſollte. Es ging
nicht mehr, — was heraus kam, war eine Mißgeburt. Beim
Blutegel iſt es noch echte, aufwärts drängende Natur. Beim
Menſchen in den Tagen des Phidias iſt es hoffnungsloſe
Stückelei.

Auf dem Gegenſatz von Weib und Mann, auf dieſer
einzigen Arbeitsteilung, die über das Individuum wirklich
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[264/0280] fehlen hier und der Same wird durch ein Begattungsglied wechſelſeitig unmittelbar in die weibliche Scheide eingeführt. Willſt du dir nach dem Muſter höherer, nicht zwitterhaft gebauter Tiere ausmalen, daß auch bei dieſen Zwittern beide Geſchlechtsteile mit beſonderen ſtarken Empfindungen für den Akt ausgerüſtet ſeien, ſo läßt ſich nicht leugnen, daß in dieſem Falle jeder Blutegel die doppelte Geſchlechtsempfindung gleich¬ zeitig an ſich erfahren müßte, die gebende ſowohl wie die empfangende. Man wird an den römiſchen Kaiſer Heliogabalus erinnert, der in ſeiner kaiſerlichen Verrücktheit einen Preis darauf ſetzte, wenn ihm einer zu ſeiner Männlichkeit noch den Beſitz des Weiblichen im Sinne eigener Empfindung verſchaffen könnte. Es unterliegt aber gar keiner Frage, daß die fundamentale Auseinanderreißung der Geſchlechter, wie ſie auch dieſer ge¬ krönte Narr als höheres Wirbeltier mit auf den Lebensweg bekommen hatte, eine der wichtigſten Vorausſetzungen gerade höherer und idealerer Entwickelung geweſen iſt, die wir ſehr zu unſerem Schaden wieder verleugnen würden. Der Herma¬ phroditismus iſt eine Station der Liebe, die für uns ſchlechter¬ dings hinter uns liegt und liegen muß. Sieh dir die Kunſt an, von der man mit der Zeit hoffentlich immer mehr lernen wird, daß in ihr die eigentliche Naturgeſchichte, die natürliche Entwickelungsgeſchichte der Menſchheit wie in einem hellen Spiegel uns vor Augen ſteht. Wie haben die Griechen ſich noch abgequält, Hermaphroditen in Marmor zu formen, eine Idealgeſtalt, die Mann und Weib vereinigen ſollte. Es ging nicht mehr, — was heraus kam, war eine Mißgeburt. Beim Blutegel iſt es noch echte, aufwärts drängende Natur. Beim Menſchen in den Tagen des Phidias iſt es hoffnungsloſe Stückelei. Auf dem Gegenſatz von Weib und Mann, auf dieſer einzigen Arbeitsteilung, die über das Individuum wirklich phyſiſch hinausgriff auch noch beim vollkommenſten Organis¬

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/280>, abgerufen am 24.11.2024.