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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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"Welch neues Geheimnis in Mitte der
Scharen
Will unseren Augen sich offenbaren?
Was flammt um die Muschel um
Galatees Füße?
Bald lodert es mächtig, bald lieblich,
bald süße,
Als wär' es von Pulsen der Liebe ge¬
rührt."
Aus Goethes Faust (zweiter Teil).

Du hast auf der Schule allerlei hübsche Sachen gelernt.

Ich will dich im Schlafe anstoßen und anfangen: Panis,
piscis, so wirst du fortfahren: Crinis, finis. Als alter Mann
wirst du noch, wenn du etwas zu viel Hummersalat gegessen
hast, im Albdruck des Traumes unregelmäßige griechische Verba
oder irreale Bedingungssätze hersagen, stecken bleiben und Arrest
bekommen. Und mit diesen Dingen hast du nun deine schönsten
Jahre, da in dir die Phantasie wie ein junger Blütengarten
aufknospete, auf grauer Schulbank verbracht. Diese Dinge
waren die humanistische Mitgift, auf der du nachher den idealen
Teil deiner Weltanschauung aufbauen solltest.

Ich will dich aber fragen, und zwar nicht im Schlafe,
sondern in deinen gewecktesten Augenblicken: was ist die Auster
auf deiner Tafel, so stehst du ratlos.

Und du tröstest dich höchstens, daß die Auster niemals
Zusammenhang haben könne mit deiner Weltanschauung. Es

„Welch neues Geheimnis in Mitte der
Scharen
Will unſeren Augen ſich offenbaren?
Was flammt um die Muſchel um
Galatees Füße?
Bald lodert es mächtig, bald lieblich,
bald ſüße,
Als wär' es von Pulſen der Liebe ge¬
rührt.“
Aus Goethes Fauſt (zweiter Teil).

Du haſt auf der Schule allerlei hübſche Sachen gelernt.

Ich will dich im Schlafe anſtoßen und anfangen: Panis,
piscis, ſo wirſt du fortfahren: Crinis, finis. Als alter Mann
wirſt du noch, wenn du etwas zu viel Hummerſalat gegeſſen
haſt, im Albdruck des Traumes unregelmäßige griechiſche Verba
oder irreale Bedingungsſätze herſagen, ſtecken bleiben und Arreſt
bekommen. Und mit dieſen Dingen haſt du nun deine ſchönſten
Jahre, da in dir die Phantaſie wie ein junger Blütengarten
aufknoſpete, auf grauer Schulbank verbracht. Dieſe Dinge
waren die humaniſtiſche Mitgift, auf der du nachher den idealen
Teil deiner Weltanſchauung aufbauen ſollteſt.

Ich will dich aber fragen, und zwar nicht im Schlafe,
ſondern in deinen geweckteſten Augenblicken: was iſt die Auſter
auf deiner Tafel, ſo ſtehſt du ratlos.

Und du tröſteſt dich höchſtens, daß die Auſter niemals
Zuſammenhang haben könne mit deiner Weltanſchauung. Es

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[279/0295] „Welch neues Geheimnis in Mitte der Scharen Will unſeren Augen ſich offenbaren? Was flammt um die Muſchel um Galatees Füße? Bald lodert es mächtig, bald lieblich, bald ſüße, Als wär' es von Pulſen der Liebe ge¬ rührt.“ Aus Goethes Fauſt (zweiter Teil). Du haſt auf der Schule allerlei hübſche Sachen gelernt. Ich will dich im Schlafe anſtoßen und anfangen: Panis, piscis, ſo wirſt du fortfahren: Crinis, finis. Als alter Mann wirſt du noch, wenn du etwas zu viel Hummerſalat gegeſſen haſt, im Albdruck des Traumes unregelmäßige griechiſche Verba oder irreale Bedingungsſätze herſagen, ſtecken bleiben und Arreſt bekommen. Und mit dieſen Dingen haſt du nun deine ſchönſten Jahre, da in dir die Phantaſie wie ein junger Blütengarten aufknoſpete, auf grauer Schulbank verbracht. Dieſe Dinge waren die humaniſtiſche Mitgift, auf der du nachher den idealen Teil deiner Weltanſchauung aufbauen ſollteſt. Ich will dich aber fragen, und zwar nicht im Schlafe, ſondern in deinen geweckteſten Augenblicken: was iſt die Auſter auf deiner Tafel, ſo ſtehſt du ratlos. Und du tröſteſt dich höchſtens, daß die Auſter niemals Zuſammenhang haben könne mit deiner Weltanſchauung. Es

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/295>, abgerufen am 24.11.2024.