Es gilt nur auf einen Augenblick. Ich muß dir neben das Märchen von der Spinne gleich hier ein zweites stellen, des Kontrastes wegen. Obwohl aus ganz anderem Gebiet. Laß einen Moment die Gliedertiere dir wieder im blauen Wolkendunst versinken. Wir kehren sofort zurück. Jetzt nur ein Intermezzo. Fern aus anderem Tierstamm, von den Wirbeltieren. Aus der Gasträa wurde ein Wurm. Aus dem Wurm wurde hier ein Krebs, ein Tausendfuß, eine Spinne. Und dort ein Urfisch, ein Neunauge, ein Haifisch, ein Stör, ein echter Fisch, etwa ein Hering. Du erinnerst dich, -- die Heringe, wie sie liebten. Hierher tauche für eine Minute mit mir -- zu der Verwandtschaft des Herings. Ins Wassergrün, in das Smaragdgrün der fischdurchwimmelten Tiefe. Wieder ein dumpfer Konflikt. Und wieder die Augen der Madonna, -- auch hier.
Ich hatte einen Bekannten, dessen ganze Lebensphilosophie auf den Vers ging: das Weib ist bitter. In seinen schlimmsten Stunden sann er, ob das Weib nicht überflüssig sei. Ein Hemmnis der Kultur. Vielleicht spiritistisch neben den Mann gezaubert bloß als ein böser Schatten seines Lichtgeistes, ein Spuk, der ihn äfft. Vielleicht darwinistisch bloß eine minder¬ wertige Art, die der Mensch wie ein Rudiment mitschleift, durch
Vom Spinnenzaun am Kiefernwald an die Seeküſte.
Es gilt nur auf einen Augenblick. Ich muß dir neben das Märchen von der Spinne gleich hier ein zweites ſtellen, des Kontraſtes wegen. Obwohl aus ganz anderem Gebiet. Laß einen Moment die Gliedertiere dir wieder im blauen Wolkendunſt verſinken. Wir kehren ſofort zurück. Jetzt nur ein Intermezzo. Fern aus anderem Tierſtamm, von den Wirbeltieren. Aus der Gaſträa wurde ein Wurm. Aus dem Wurm wurde hier ein Krebs, ein Tauſendfuß, eine Spinne. Und dort ein Urfiſch, ein Neunauge, ein Haifiſch, ein Stör, ein echter Fiſch, etwa ein Hering. Du erinnerſt dich, — die Heringe, wie ſie liebten. Hierher tauche für eine Minute mit mir — zu der Verwandtſchaft des Herings. Ins Waſſergrün, in das Smaragdgrün der fiſchdurchwimmelten Tiefe. Wieder ein dumpfer Konflikt. Und wieder die Augen der Madonna, — auch hier.
Ich hatte einen Bekannten, deſſen ganze Lebensphiloſophie auf den Vers ging: das Weib iſt bitter. In ſeinen ſchlimmſten Stunden ſann er, ob das Weib nicht überflüſſig ſei. Ein Hemmnis der Kultur. Vielleicht ſpiritiſtiſch neben den Mann gezaubert bloß als ein böſer Schatten ſeines Lichtgeiſtes, ein Spuk, der ihn äfft. Vielleicht darwiniſtiſch bloß eine minder¬ wertige Art, die der Menſch wie ein Rudiment mitſchleift, durch
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Vom Spinnenzaun am Kiefernwald an die Seeküſte.
Es gilt nur auf einen Augenblick. Ich muß dir neben
das Märchen von der Spinne gleich hier ein zweites ſtellen,
des Kontraſtes wegen. Obwohl aus ganz anderem Gebiet.
Laß einen Moment die Gliedertiere dir wieder im blauen
Wolkendunſt verſinken. Wir kehren ſofort zurück. Jetzt nur
ein Intermezzo. Fern aus anderem Tierſtamm, von den
Wirbeltieren. Aus der Gaſträa wurde ein Wurm. Aus dem
Wurm wurde hier ein Krebs, ein Tauſendfuß, eine Spinne.
Und dort ein Urfiſch, ein Neunauge, ein Haifiſch, ein Stör,
ein echter Fiſch, etwa ein Hering. Du erinnerſt dich, — die
Heringe, wie ſie liebten. Hierher tauche für eine Minute mit
mir — zu der Verwandtſchaft des Herings. Ins Waſſergrün,
in das Smaragdgrün der fiſchdurchwimmelten Tiefe. Wieder
ein dumpfer Konflikt. Und wieder die Augen der Madonna, —
auch hier.
Ich hatte einen Bekannten, deſſen ganze Lebensphiloſophie
auf den Vers ging: das Weib iſt bitter. In ſeinen ſchlimmſten
Stunden ſann er, ob das Weib nicht überflüſſig ſei. Ein
Hemmnis der Kultur. Vielleicht ſpiritiſtiſch neben den Mann
gezaubert bloß als ein böſer Schatten ſeines Lichtgeiſtes, ein
Spuk, der ihn äfft. Vielleicht darwiniſtiſch bloß eine minder¬
wertige Art, die der Menſch wie ein Rudiment mitſchleift, durch
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/356>, abgerufen am 22.11.2024.
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