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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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"Der Adler sieht getrost
Grad' in die Sonn' hinein,
Und du in ew'gen Blitz,
Im Fall dein Herz ist rein."
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Das wäre nun also der menschliche Zeugungsvorgang, --
modern angeschaut. Die Schaffung eines neuen Menschen --
so weit in den Kern der Dinge hinein gesehen, wie wir es
heute überhaupt können.

Du magst dich drehen und wenden, wie du willst: -- mit
dieser kleinen Sonne da drinnen und dieser siegreichen Kaul¬
quappe, die das Sonnenherzchen erobert und mit ihm verschmilzt,
stehst du im Zentrum des gesamten Liebesproblems. Zunächst
beim Menschen. Dann in dem Sinne aber, daß alle weitere
Naturauffassung für uns immer wie in unendlichen Radien von
dem einen Denkmittelpunkte "Mensch" ausstrahlt, auch für die
ganze erkennbare Welt.

Du kannst alles von dem Worte "Liebe" bei dir abziehen.
Den ganzen blauen Himmel über ihr. Alles was in den
Geist, in die Kultur, in ideales Menschentum, in religiöse Er¬
hebung und künstlerischen Harmonientraum hineingewachsen ist.
Nur diesen einfachen, realen Prozeß der Zeugung kannst du
nicht abziehen, ohne daß der Begriff dir elendiglich stirbt.

Ich weiß wohl, daß es Leute die Menge giebt, die sich
vor solcher Behauptung entsetzen. Sie werden auch die ganze


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„Der Adler ſieht getroſt
Grad' in die Sonn' hinein,
Und du in ew'gen Blitz,
Im Fall dein Herz iſt rein.“
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Das wäre nun alſo der menſchliche Zeugungsvorgang, —
modern angeſchaut. Die Schaffung eines neuen Menſchen —
ſo weit in den Kern der Dinge hinein geſehen, wie wir es
heute überhaupt können.

Du magſt dich drehen und wenden, wie du willſt: — mit
dieſer kleinen Sonne da drinnen und dieſer ſiegreichen Kaul¬
quappe, die das Sonnenherzchen erobert und mit ihm verſchmilzt,
ſtehſt du im Zentrum des geſamten Liebesproblems. Zunächſt
beim Menſchen. Dann in dem Sinne aber, daß alle weitere
Naturauffaſſung für uns immer wie in unendlichen Radien von
dem einen Denkmittelpunkte „Menſch“ ausſtrahlt, auch für die
ganze erkennbare Welt.

Du kannſt alles von dem Worte „Liebe“ bei dir abziehen.
Den ganzen blauen Himmel über ihr. Alles was in den
Geiſt, in die Kultur, in ideales Menſchentum, in religiöſe Er¬
hebung und künſtleriſchen Harmonientraum hineingewachſen iſt.
Nur dieſen einfachen, realen Prozeß der Zeugung kannſt du
nicht abziehen, ohne daß der Begriff dir elendiglich ſtirbt.

Ich weiß wohl, daß es Leute die Menge giebt, die ſich
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[63/0079] [Abbildung] „Der Adler ſieht getroſt Grad' in die Sonn' hinein, Und du in ew'gen Blitz, Im Fall dein Herz iſt rein.“ [Abbildung] Das wäre nun alſo der menſchliche Zeugungsvorgang, — modern angeſchaut. Die Schaffung eines neuen Menſchen — ſo weit in den Kern der Dinge hinein geſehen, wie wir es heute überhaupt können. Du magſt dich drehen und wenden, wie du willſt: — mit dieſer kleinen Sonne da drinnen und dieſer ſiegreichen Kaul¬ quappe, die das Sonnenherzchen erobert und mit ihm verſchmilzt, ſtehſt du im Zentrum des geſamten Liebesproblems. Zunächſt beim Menſchen. Dann in dem Sinne aber, daß alle weitere Naturauffaſſung für uns immer wie in unendlichen Radien von dem einen Denkmittelpunkte „Menſch“ ausſtrahlt, auch für die ganze erkennbare Welt. Du kannſt alles von dem Worte „Liebe“ bei dir abziehen. Den ganzen blauen Himmel über ihr. Alles was in den Geiſt, in die Kultur, in ideales Menſchentum, in religiöſe Er¬ hebung und künſtleriſchen Harmonientraum hineingewachſen iſt. Nur dieſen einfachen, realen Prozeß der Zeugung kannſt du nicht abziehen, ohne daß der Begriff dir elendiglich ſtirbt. Ich weiß wohl, daß es Leute die Menge giebt, die ſich vor ſolcher Behauptung entſetzen. Sie werden auch die ganze

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/79>, abgerufen am 21.11.2024.