der, selber herausgewachsen aus den Knorpelstrahlen einer Fisch¬ flosse, die Hand gab, mit der das Werkzeug gehandhabt wurde, das Werkzeug, das der Hebel des Archimedes geworden ist, mit dem der Mensch die Erde bewegt -- und dazu jene andere Hand, die den Meißel des Phidias führte und den Pinsel Rafaels.
Als aber der Körper des Landtiers einmal stattlich auf seinen vier Gliedmaßen wirklich da saß, als statt des Flossen¬ ruders die Pfote resolut den Grund faßte und den Körper Schritt für Schritt dahintrug: da fügte die Lunge noch ein neues aus sich hinzu. Sie quarren, schnurren, quäken dort in ihrem Frühlingsbad, deine Krötlein. Und wieder ist es, als reiße ein Thor auf gegen dich, gegen das weiße nackte Men¬ schenkind hier im Grünen. Die Lunge ist da; entsprechend jener Doppellagerung der späteren Organe des Schlauchleibes hat sie sich in zwei Sackzipfel jederseits vom Hauptdarm in die Brust gedehnt; aber indem die Luft durch die gemeinsame Schlund¬ öffnung bei ihr ein- und ausströmt, entsteht im Schlunde ein Wellenschlag, ein leiser Windhauch: eine erste Stimme. Auch deine Sprache legt sich hier beim Amphibium an! Lausche ihm mit Andacht, diesem Girren und Quaken des Froschgesangs. Von hier an war auch das wieder in der Welt, was bei dir das wundersamste Menschenband werden sollte. An dieser Sprache haben wir Menschen uns zusammengeschmiedet zu einem höheren Organismus, zu einem millionenköpfigen Sozial-Indi¬ viduum. Und an dieser Sprache sind wir in der rhythmischen Welt des Gesanges noch eine Stufe höher geklettert gegen die heilige Weltharmonie heran. Aus einem Teich der Urwelt aber, da zum erstenmal Amphibien plärrten, haben wir das mit auf den Weg bekommen. Ein Kinderlaut der Menschheit, die noch äonenfern im Schoße der Entwickelung ruht, ist es, wenn du die Kröten singen hörst.
Weiter! Auch das Amphibium bist noch nicht du, obwohl es dich abermals in seinen Ring faßt. Jenseits der Kröte, des Molchs -- was jetzt?
der, ſelber herausgewachſen aus den Knorpelſtrahlen einer Fiſch¬ floſſe, die Hand gab, mit der das Werkzeug gehandhabt wurde, das Werkzeug, das der Hebel des Archimedes geworden iſt, mit dem der Menſch die Erde bewegt — und dazu jene andere Hand, die den Meißel des Phidias führte und den Pinſel Rafaels.
Als aber der Körper des Landtiers einmal ſtattlich auf ſeinen vier Gliedmaßen wirklich da ſaß, als ſtatt des Floſſen¬ ruders die Pfote reſolut den Grund faßte und den Körper Schritt für Schritt dahintrug: da fügte die Lunge noch ein neues aus ſich hinzu. Sie quarren, ſchnurren, quäken dort in ihrem Frühlingsbad, deine Krötlein. Und wieder iſt es, als reiße ein Thor auf gegen dich, gegen das weiße nackte Men¬ ſchenkind hier im Grünen. Die Lunge iſt da; entſprechend jener Doppellagerung der ſpäteren Organe des Schlauchleibes hat ſie ſich in zwei Sackzipfel jederſeits vom Hauptdarm in die Bruſt gedehnt; aber indem die Luft durch die gemeinſame Schlund¬ öffnung bei ihr ein- und ausſtrömt, entſteht im Schlunde ein Wellenſchlag, ein leiſer Windhauch: eine erſte Stimme. Auch deine Sprache legt ſich hier beim Amphibium an! Lauſche ihm mit Andacht, dieſem Girren und Quaken des Froſchgeſangs. Von hier an war auch das wieder in der Welt, was bei dir das wunderſamſte Menſchenband werden ſollte. An dieſer Sprache haben wir Menſchen uns zuſammengeſchmiedet zu einem höheren Organismus, zu einem millionenköpfigen Sozial-Indi¬ viduum. Und an dieſer Sprache ſind wir in der rhythmiſchen Welt des Geſanges noch eine Stufe höher geklettert gegen die heilige Weltharmonie heran. Aus einem Teich der Urwelt aber, da zum erſtenmal Amphibien plärrten, haben wir das mit auf den Weg bekommen. Ein Kinderlaut der Menſchheit, die noch äonenfern im Schoße der Entwickelung ruht, iſt es, wenn du die Kröten ſingen hörſt.
Weiter! Auch das Amphibium biſt noch nicht du, obwohl es dich abermals in ſeinen Ring faßt. Jenſeits der Kröte, des Molchs — was jetzt?
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der, ſelber herausgewachſen aus den Knorpelſtrahlen einer Fiſch¬
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das Werkzeug, das der Hebel des Archimedes geworden iſt, mit
dem der Menſch die Erde bewegt — und dazu jene andere Hand,
die den Meißel des Phidias führte und den Pinſel Rafaels.
Als aber der Körper des Landtiers einmal ſtattlich auf
ſeinen vier Gliedmaßen wirklich da ſaß, als ſtatt des Floſſen¬
ruders die Pfote reſolut den Grund faßte und den Körper
Schritt für Schritt dahintrug: da fügte die Lunge noch ein
neues aus ſich hinzu. Sie quarren, ſchnurren, quäken dort in
ihrem Frühlingsbad, deine Krötlein. Und wieder iſt es, als
reiße ein Thor auf gegen dich, gegen das weiße nackte Men¬
ſchenkind hier im Grünen. Die Lunge iſt da; entſprechend jener
Doppellagerung der ſpäteren Organe des Schlauchleibes hat ſie
ſich in zwei Sackzipfel jederſeits vom Hauptdarm in die Bruſt
gedehnt; aber indem die Luft durch die gemeinſame Schlund¬
öffnung bei ihr ein- und ausſtrömt, entſteht im Schlunde ein
Wellenſchlag, ein leiſer Windhauch: eine erſte Stimme. Auch
deine Sprache legt ſich hier beim Amphibium an! Lauſche
ihm mit Andacht, dieſem Girren und Quaken des Froſchgeſangs.
Von hier an war auch das wieder in der Welt, was bei dir
das wunderſamſte Menſchenband werden ſollte. An dieſer
Sprache haben wir Menſchen uns zuſammengeſchmiedet zu einem
höheren Organismus, zu einem millionenköpfigen Sozial-Indi¬
viduum. Und an dieſer Sprache ſind wir in der rhythmiſchen
Welt des Geſanges noch eine Stufe höher geklettert gegen die
heilige Weltharmonie heran. Aus einem Teich der Urwelt
aber, da zum erſtenmal Amphibien plärrten, haben wir das
mit auf den Weg bekommen. Ein Kinderlaut der Menſchheit,
die noch äonenfern im Schoße der Entwickelung ruht, iſt es,
wenn du die Kröten ſingen hörſt.
Weiter! Auch das Amphibium biſt noch nicht du, obwohl
es dich abermals in ſeinen Ring faßt. Jenſeits der Kröte,
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/107>, abgerufen am 24.11.2024.
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