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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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so gut ist vor ihr ein Geschlechtsakt, bei dem die letzte Distance
zwischen Eizelle und Samenzelle nie und nimmermehr ge¬
nommen werden kann, -- wie einer, aus dem wirklich ein
neues Menschlein entsprießt.

Der Königssohn am Lotosufer eint sich seiner jungen Ge¬
liebten. Über die beiden rinnt der Schauer jenes tiefsten
Seligkeitsempfindens. Als sei das Individuum tot. Und dieser
Tod sei neues Leben. Leben in einer höheren Sonne, einem
neuen Licht.

Aber die Natur zahlt diese Prämie beim Manne auf die
körperliche Trennung einfach von seinen Samenzellen, -- auf
die kleine Menschenmilchstraße, die sich in wilder Strömung
von ihm reißt, als wolle sie hinausstürzen ins freie All. Ja
mag sie hinausstürzen! Wohin sie kommt, ist dem Gefühl
selber ganz gleichgültig. Beim Weibe steht die Prämie, sagen
wir immerhin einmal: auf dem Moment der ersten, gröbsten
Aufnahme dieser Lebenswelle, -- auf dem Moment, da die
fremde Milchstraße mit ihren tausend winzigen Sternpünktlein
das große Sternbild seiner Weibes-Individualität überhaupt
irgendwie schneidet. Streng genommen ist selbst das nicht scharf
zu behaupten. So dunkel liegen die Dinge hier. Der Zwist
der Meinungen bleibt möglich in noch viel loserem Sinne. Aber
einerlei.

Sicher ist: es kann gut und gern in dem gleichen Momente
hier so sein, daß der gesamte Eierstock des Weibes mit seiner
Riesenzahl von Eiern überhaupt keine einzige befruchtungsfähige
Eizelle der Samenwelle von innen her entgegengesandt hat.
Es kann ebensogut sein, daß in der Gebärmutter dieses Weibes
zu derselben Zeit längst ein junges Menschlein wie eine liebe
Lotosknospe auf den Wassern schwimmt und mit dem behaglichen
Recht des Besitzes alle Straßen zu einer Neuzeugung sperrt.
Und was der Gründe mehr sein mögen, die allen eindringenden
Samentierchen den Todesbrief mitgeben können, ob auch der
Mann sie noch so sorglos als heitere Wanderer entlasse und

ſo gut iſt vor ihr ein Geſchlechtsakt, bei dem die letzte Diſtance
zwiſchen Eizelle und Samenzelle nie und nimmermehr ge¬
nommen werden kann, — wie einer, aus dem wirklich ein
neues Menſchlein entſprießt.

Der Königsſohn am Lotosufer eint ſich ſeiner jungen Ge¬
liebten. Über die beiden rinnt der Schauer jenes tiefſten
Seligkeitsempfindens. Als ſei das Individuum tot. Und dieſer
Tod ſei neues Leben. Leben in einer höheren Sonne, einem
neuen Licht.

Aber die Natur zahlt dieſe Prämie beim Manne auf die
körperliche Trennung einfach von ſeinen Samenzellen, — auf
die kleine Menſchenmilchſtraße, die ſich in wilder Strömung
von ihm reißt, als wolle ſie hinausſtürzen ins freie All. Ja
mag ſie hinausſtürzen! Wohin ſie kommt, iſt dem Gefühl
ſelber ganz gleichgültig. Beim Weibe ſteht die Prämie, ſagen
wir immerhin einmal: auf dem Moment der erſten, gröbſten
Aufnahme dieſer Lebenswelle, — auf dem Moment, da die
fremde Milchſtraße mit ihren tauſend winzigen Sternpünktlein
das große Sternbild ſeiner Weibes-Individualität überhaupt
irgendwie ſchneidet. Streng genommen iſt ſelbſt das nicht ſcharf
zu behaupten. So dunkel liegen die Dinge hier. Der Zwiſt
der Meinungen bleibt möglich in noch viel loſerem Sinne. Aber
einerlei.

Sicher iſt: es kann gut und gern in dem gleichen Momente
hier ſo ſein, daß der geſamte Eierſtock des Weibes mit ſeiner
Rieſenzahl von Eiern überhaupt keine einzige befruchtungsfähige
Eizelle der Samenwelle von innen her entgegengeſandt hat.
Es kann ebenſogut ſein, daß in der Gebärmutter dieſes Weibes
zu derſelben Zeit längſt ein junges Menſchlein wie eine liebe
Lotosknoſpe auf den Waſſern ſchwimmt und mit dem behaglichen
Recht des Beſitzes alle Straßen zu einer Neuzeugung ſperrt.
Und was der Gründe mehr ſein mögen, die allen eindringenden
Samentierchen den Todesbrief mitgeben können, ob auch der
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[178/0194] ſo gut iſt vor ihr ein Geſchlechtsakt, bei dem die letzte Diſtance zwiſchen Eizelle und Samenzelle nie und nimmermehr ge¬ nommen werden kann, — wie einer, aus dem wirklich ein neues Menſchlein entſprießt. Der Königsſohn am Lotosufer eint ſich ſeiner jungen Ge¬ liebten. Über die beiden rinnt der Schauer jenes tiefſten Seligkeitsempfindens. Als ſei das Individuum tot. Und dieſer Tod ſei neues Leben. Leben in einer höheren Sonne, einem neuen Licht. Aber die Natur zahlt dieſe Prämie beim Manne auf die körperliche Trennung einfach von ſeinen Samenzellen, — auf die kleine Menſchenmilchſtraße, die ſich in wilder Strömung von ihm reißt, als wolle ſie hinausſtürzen ins freie All. Ja mag ſie hinausſtürzen! Wohin ſie kommt, iſt dem Gefühl ſelber ganz gleichgültig. Beim Weibe ſteht die Prämie, ſagen wir immerhin einmal: auf dem Moment der erſten, gröbſten Aufnahme dieſer Lebenswelle, — auf dem Moment, da die fremde Milchſtraße mit ihren tauſend winzigen Sternpünktlein das große Sternbild ſeiner Weibes-Individualität überhaupt irgendwie ſchneidet. Streng genommen iſt ſelbſt das nicht ſcharf zu behaupten. So dunkel liegen die Dinge hier. Der Zwiſt der Meinungen bleibt möglich in noch viel loſerem Sinne. Aber einerlei. Sicher iſt: es kann gut und gern in dem gleichen Momente hier ſo ſein, daß der geſamte Eierſtock des Weibes mit ſeiner Rieſenzahl von Eiern überhaupt keine einzige befruchtungsfähige Eizelle der Samenwelle von innen her entgegengeſandt hat. Es kann ebenſogut ſein, daß in der Gebärmutter dieſes Weibes zu derſelben Zeit längſt ein junges Menſchlein wie eine liebe Lotosknoſpe auf den Waſſern ſchwimmt und mit dem behaglichen Recht des Beſitzes alle Straßen zu einer Neuzeugung ſperrt. Und was der Gründe mehr ſein mögen, die allen eindringenden Samentierchen den Todesbrief mitgeben können, ob auch der Mann ſie noch ſo ſorglos als heitere Wanderer entlaſſe und

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/194>, abgerufen am 22.11.2024.