durch die Leibeswand nach außen. Diese feinen Schachte sind aber nichts anderes, als die erste Anlage dessen, was bei uns heute "Nieren" heißt.
Ihre Wände dienen als erste, noch recht schlichte Filter, durch die die unbrauchbaren Säfte des Wurmleibes ablaufen. Aber da sie thatsächlich regelrechte, wenn auch ganz feine Öffnungen in der Walfischhöhle darstellen, so wagen unsere kleinen Jonas und Münchhausen sich kühnlich hinein, klettern durch, -- und das Problem ist auch ohne Geschlechtsloch ge¬ löst: Samen und Eier sind im Freien, einfach auf dem Wege des Urins. Es giebt eine ganze Menge Würmer, bei denen der gesamte Sachverhalt heute noch genau so ist.
Bei anderen Würmern hat sich dann früh der Nierenapparat so geregelt, daß nicht mehr viele kleine Nierenkanälchen alle besonders nach außen mündeten. Die einzelnen Urinfilter ergossen vielmehr ihren Inhalt in einen größeren Schlauch, der jederseits im Leibe des Wurmes lag. Dieser ganze Schlauch öffnete sich aber selber jetzt wie ein einiges Filter¬ kanälchen der vorigen Art einerseits offen in die Leibeshöhle und andererseits offen nach außen ins Freie.
In der Hauptsachlage war also nichts geändert: Samen und Eier konnten einfach jederseits auch diesen großen Urin¬ schlauch statt der vielen kleinen als Pforte aus dem Leibes¬ kerker in die Außenwelt benutzen. Auch diese Stufe findest du bei heute lebenden Würmern sehr gut noch entwickelt und zwar gerade bei solchen, die auch sonst unverkennbar deinem menschlichen Stammbaum nahe stehen.
Und so und nicht anders, scheint es, hat die Geschichte bei den ältesten Wirbeltieren (also deiner engeren Sippe), bei den einfachsten Urfischen auch noch eingesetzt. Wenn gerade die Neunaugen es heute just nicht mehr so machen, so müssen diese wohl hier etwa einen Seitenweg für sich gegangen sein. Sie haben ja an und für sich genommen, wie du ge¬ sehen hast, auch eine völlig logische Straße mit ihrer besonderen
durch die Leibeswand nach außen. Dieſe feinen Schachte ſind aber nichts anderes, als die erſte Anlage deſſen, was bei uns heute „Nieren“ heißt.
Ihre Wände dienen als erſte, noch recht ſchlichte Filter, durch die die unbrauchbaren Säfte des Wurmleibes ablaufen. Aber da ſie thatſächlich regelrechte, wenn auch ganz feine Öffnungen in der Walfiſchhöhle darſtellen, ſo wagen unſere kleinen Jonas und Münchhauſen ſich kühnlich hinein, klettern durch, — und das Problem iſt auch ohne Geſchlechtsloch ge¬ löſt: Samen und Eier ſind im Freien, einfach auf dem Wege des Urins. Es giebt eine ganze Menge Würmer, bei denen der geſamte Sachverhalt heute noch genau ſo iſt.
Bei anderen Würmern hat ſich dann früh der Nierenapparat ſo geregelt, daß nicht mehr viele kleine Nierenkanälchen alle beſonders nach außen mündeten. Die einzelnen Urinfilter ergoſſen vielmehr ihren Inhalt in einen größeren Schlauch, der jederſeits im Leibe des Wurmes lag. Dieſer ganze Schlauch öffnete ſich aber ſelber jetzt wie ein einiges Filter¬ kanälchen der vorigen Art einerſeits offen in die Leibeshöhle und andererſeits offen nach außen ins Freie.
In der Hauptſachlage war alſo nichts geändert: Samen und Eier konnten einfach jederſeits auch dieſen großen Urin¬ ſchlauch ſtatt der vielen kleinen als Pforte aus dem Leibes¬ kerker in die Außenwelt benutzen. Auch dieſe Stufe findeſt du bei heute lebenden Würmern ſehr gut noch entwickelt und zwar gerade bei ſolchen, die auch ſonſt unverkennbar deinem menſchlichen Stammbaum nahe ſtehen.
Und ſo und nicht anders, ſcheint es, hat die Geſchichte bei den älteſten Wirbeltieren (alſo deiner engeren Sippe), bei den einfachſten Urfiſchen auch noch eingeſetzt. Wenn gerade die Neunaugen es heute juſt nicht mehr ſo machen, ſo müſſen dieſe wohl hier etwa einen Seitenweg für ſich gegangen ſein. Sie haben ja an und für ſich genommen, wie du ge¬ ſehen haſt, auch eine völlig logiſche Straße mit ihrer beſonderen
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durch die Leibeswand nach außen. Dieſe feinen Schachte ſind
aber nichts anderes, als die erſte Anlage deſſen, was bei uns
heute „Nieren“ heißt.
Ihre Wände dienen als erſte, noch recht ſchlichte Filter,
durch die die unbrauchbaren Säfte des Wurmleibes ablaufen.
Aber da ſie thatſächlich regelrechte, wenn auch ganz feine
Öffnungen in der Walfiſchhöhle darſtellen, ſo wagen unſere
kleinen Jonas und Münchhauſen ſich kühnlich hinein, klettern
durch, — und das Problem iſt auch ohne Geſchlechtsloch ge¬
löſt: Samen und Eier ſind im Freien, einfach auf dem
Wege des Urins. Es giebt eine ganze Menge Würmer, bei
denen der geſamte Sachverhalt heute noch genau ſo iſt.
Bei anderen Würmern hat ſich dann früh der Nierenapparat
ſo geregelt, daß nicht mehr viele kleine Nierenkanälchen alle
beſonders nach außen mündeten. Die einzelnen Urinfilter
ergoſſen vielmehr ihren Inhalt in einen größeren Schlauch,
der jederſeits im Leibe des Wurmes lag. Dieſer ganze
Schlauch öffnete ſich aber ſelber jetzt wie ein einiges Filter¬
kanälchen der vorigen Art einerſeits offen in die Leibeshöhle
und andererſeits offen nach außen ins Freie.
In der Hauptſachlage war alſo nichts geändert: Samen
und Eier konnten einfach jederſeits auch dieſen großen Urin¬
ſchlauch ſtatt der vielen kleinen als Pforte aus dem Leibes¬
kerker in die Außenwelt benutzen. Auch dieſe Stufe findeſt
du bei heute lebenden Würmern ſehr gut noch entwickelt und
zwar gerade bei ſolchen, die auch ſonſt unverkennbar deinem
menſchlichen Stammbaum nahe ſtehen.
Und ſo und nicht anders, ſcheint es, hat die Geſchichte
bei den älteſten Wirbeltieren (alſo deiner engeren Sippe), bei
den einfachſten Urfiſchen auch noch eingeſetzt. Wenn gerade
die Neunaugen es heute juſt nicht mehr ſo machen, ſo müſſen
dieſe wohl hier etwa einen Seitenweg für ſich gegangen
ſein. Sie haben ja an und für ſich genommen, wie du ge¬
ſehen haſt, auch eine völlig logiſche Straße mit ihrer beſonderen
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/264>, abgerufen am 22.11.2024.
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