um jeden Preis darstellen möchten. Welche Gründe aber, fragen wir uns, dürften dabei nun ihre, der Umworbenen Wahl in den meisten Fällen bestimmen?
Im allgemeinen Getriebe der Weltdinge, die ja auch für ein Vogelhirnchen ihren Zwang unmöglich verleugnen können, wird das spröde Mägdelein wahrscheinlich den kräftigsten Be¬ werber zunächst auswählen. Ihr erster und primitivster Ge¬ schmack wird einfach der Geschmack etwa unserer Ritterzeit sein. Das Turnier tobt. Wer alle anderen, sei es auch nur im Kampfspiel und ohne Todesgefahr, aus dem Sattel wirft, ge¬ winnt die Hand der Königstochter.
In der That führen, wie du weißt, verliebte, werbende Tiermännchen in solchen Fällen vielfältig die erbittertsten Tur¬ niere vor den Augen ihrer gemeinsamen Herzenskönigin auf, und die gute Unschuld wartet hübsch, bis einer alle heim¬ geschickt hat -- und dann sagt sie Ja in der wohl begründeten Voraussicht, daß dieser entschieden der Stärkste sei.
Aber wer will leugnen, daß dieses Kampfmotiv etwas Rohes hat. Die Vöglein im Baum sind zum großen Teil von Natur keine Kämpfer. Sollte es nicht noch andere Proben geben, die das Herz der Spröden öffnen und zwar weniger gewaltsame?
Denken wir noch einmal an die Ritterzeit. Die Lanzen splittern, Staub dampft empor, mit Ächzen und blauen Flecken liegen alle Gegner im Sand. Die Königstochter aber schwankt. Draußen, jenseits aller Schranken, singt ihr Sänger ein süßes Minnelied zum Lobe der schönen Frau. Und das Unmögliche geschieht. Sie wirft dem Sänger die Rose zu.
Wenn wir es hören, so meinen wir den Anbruch einer höheren Kultur in leisem Klingen zu vernehmen. Das Weib sucht den Besten, nach wie vor. Aber das Lied, der seine vergeistigte Extrakt der tiefsten Menschenkraft, gilt mehr als die derbe Faustkraft, die bloß mit der Lanze Bescheid weiß. Das Beispiel scheint ganz menschlich. Und doch: wie nah ist eben im Grunde das Tier dem Menschen.
um jeden Preis darſtellen möchten. Welche Gründe aber, fragen wir uns, dürften dabei nun ihre, der Umworbenen Wahl in den meiſten Fällen beſtimmen?
Im allgemeinen Getriebe der Weltdinge, die ja auch für ein Vogelhirnchen ihren Zwang unmöglich verleugnen können, wird das ſpröde Mägdelein wahrſcheinlich den kräftigſten Be¬ werber zunächſt auswählen. Ihr erſter und primitivſter Ge¬ ſchmack wird einfach der Geſchmack etwa unſerer Ritterzeit ſein. Das Turnier tobt. Wer alle anderen, ſei es auch nur im Kampfſpiel und ohne Todesgefahr, aus dem Sattel wirft, ge¬ winnt die Hand der Königstochter.
In der That führen, wie du weißt, verliebte, werbende Tiermännchen in ſolchen Fällen vielfältig die erbittertſten Tur¬ niere vor den Augen ihrer gemeinſamen Herzenskönigin auf, und die gute Unſchuld wartet hübſch, bis einer alle heim¬ geſchickt hat — und dann ſagt ſie Ja in der wohl begründeten Vorausſicht, daß dieſer entſchieden der Stärkſte ſei.
Aber wer will leugnen, daß dieſes Kampfmotiv etwas Rohes hat. Die Vöglein im Baum ſind zum großen Teil von Natur keine Kämpfer. Sollte es nicht noch andere Proben geben, die das Herz der Spröden öffnen und zwar weniger gewaltſame?
Denken wir noch einmal an die Ritterzeit. Die Lanzen ſplittern, Staub dampft empor, mit Ächzen und blauen Flecken liegen alle Gegner im Sand. Die Königstochter aber ſchwankt. Draußen, jenſeits aller Schranken, ſingt ihr Sänger ein ſüßes Minnelied zum Lobe der ſchönen Frau. Und das Unmögliche geſchieht. Sie wirft dem Sänger die Roſe zu.
Wenn wir es hören, ſo meinen wir den Anbruch einer höheren Kultur in leiſem Klingen zu vernehmen. Das Weib ſucht den Beſten, nach wie vor. Aber das Lied, der ſeine vergeiſtigte Extrakt der tiefſten Menſchenkraft, gilt mehr als die derbe Fauſtkraft, die bloß mit der Lanze Beſcheid weiß. Das Beiſpiel ſcheint ganz menſchlich. Und doch: wie nah iſt eben im Grunde das Tier dem Menſchen.
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um jeden Preis darſtellen möchten. Welche Gründe aber,
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Im allgemeinen Getriebe der Weltdinge, die ja auch für
ein Vogelhirnchen ihren Zwang unmöglich verleugnen können,
wird das ſpröde Mägdelein wahrſcheinlich den kräftigſten Be¬
werber zunächſt auswählen. Ihr erſter und primitivſter Ge¬
ſchmack wird einfach der Geſchmack etwa unſerer Ritterzeit ſein.
Das Turnier tobt. Wer alle anderen, ſei es auch nur im
Kampfſpiel und ohne Todesgefahr, aus dem Sattel wirft, ge¬
winnt die Hand der Königstochter.
In der That führen, wie du weißt, verliebte, werbende
Tiermännchen in ſolchen Fällen vielfältig die erbittertſten Tur¬
niere vor den Augen ihrer gemeinſamen Herzenskönigin auf,
und die gute Unſchuld wartet hübſch, bis einer alle heim¬
geſchickt hat — und dann ſagt ſie Ja in der wohl begründeten
Vorausſicht, daß dieſer entſchieden der Stärkſte ſei.
Aber wer will leugnen, daß dieſes Kampfmotiv etwas
Rohes hat. Die Vöglein im Baum ſind zum großen Teil von
Natur keine Kämpfer. Sollte es nicht noch andere Proben geben,
die das Herz der Spröden öffnen und zwar weniger gewaltſame?
Denken wir noch einmal an die Ritterzeit. Die Lanzen
ſplittern, Staub dampft empor, mit Ächzen und blauen Flecken
liegen alle Gegner im Sand. Die Königstochter aber ſchwankt.
Draußen, jenſeits aller Schranken, ſingt ihr Sänger ein ſüßes
Minnelied zum Lobe der ſchönen Frau. Und das Unmögliche
geſchieht. Sie wirft dem Sänger die Roſe zu.
Wenn wir es hören, ſo meinen wir den Anbruch einer
höheren Kultur in leiſem Klingen zu vernehmen. Das Weib
ſucht den Beſten, nach wie vor. Aber das Lied, der ſeine
vergeiſtigte Extrakt der tiefſten Menſchenkraft, gilt mehr als
die derbe Fauſtkraft, die bloß mit der Lanze Beſcheid weiß.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/394>, abgerufen am 22.11.2024.
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