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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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zermalmt hatte .... um einzusehen, daß das Leben der Welt¬
geschichte ein geheimeres ist, als unser grober Sinn sich träumt.
Ein geheimeres, aber deswegen nicht minder erhabenes. "Er
ist ein ewge Stille" singt der alte Angelus Silesius mit tiefem
Sinn von seinem Weltengeist.

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Der Nebel hatte dich ganz eingesponnen, du sahst jetzt
schlechterdings gar nichts mehr. Und doch war es nur die
Nähe grade des Tages, die ihn so aufdringlich machte. Es
ist nichts mit dem Weg des reinen Geistes. Zermartere dein
armes Gehirn: du erinnerst dich an nichts. Und wenn du
phantasierst ins Blaue hinein, so wird's auch nur Nebel. Aber
es giebt noch einen zweiten Weg. Mit ihm wird es hell und
Tag. Du hast gesonnen und gesonnen, stundenlang. Blick auf,
es ist Tag. Und ich will dir den Weg zeigen.

Dem Manne im Märchen ist verheißen, daß ein Un¬
bekannter ihm die Kunde bringen soll, die sein Glück macht.
Auf der Brücke soll er stehen und harren, bis ihn einer an¬
spricht, -- der wird es sein. Er harrt vom frühen Morgen
bis zum Abend, schaut jeden Vornehmen, der kommt, an und
wartet des Spruches. Keiner redet ihn an. Den ganzen
Tag aber steht ein alter Bettler neben ihm auf der Brücke,
den er nicht beachtet. In der letzten Minute des langen
Tages, als er schon alles verloren giebt, tritt der Bettler
zu ihm, und er jetzt ist der unbekannte Mann, der das Glück¬
wort bringt.

So mag es dir mit deiner Menschenfrage gehen. Himmel

zermalmt hatte .... um einzuſehen, daß das Leben der Welt¬
geſchichte ein geheimeres iſt, als unſer grober Sinn ſich träumt.
Ein geheimeres, aber deswegen nicht minder erhabenes. „Er
iſt ein ewge Stille“ ſingt der alte Angelus Sileſius mit tiefem
Sinn von ſeinem Weltengeiſt.

[Abbildung]

Der Nebel hatte dich ganz eingeſponnen, du ſahſt jetzt
ſchlechterdings gar nichts mehr. Und doch war es nur die
Nähe grade des Tages, die ihn ſo aufdringlich machte. Es
iſt nichts mit dem Weg des reinen Geiſtes. Zermartere dein
armes Gehirn: du erinnerſt dich an nichts. Und wenn du
phantaſierſt ins Blaue hinein, ſo wird's auch nur Nebel. Aber
es giebt noch einen zweiten Weg. Mit ihm wird es hell und
Tag. Du haſt geſonnen und geſonnen, ſtundenlang. Blick auf,
es iſt Tag. Und ich will dir den Weg zeigen.

Dem Manne im Märchen iſt verheißen, daß ein Un¬
bekannter ihm die Kunde bringen ſoll, die ſein Glück macht.
Auf der Brücke ſoll er ſtehen und harren, bis ihn einer an¬
ſpricht, — der wird es ſein. Er harrt vom frühen Morgen
bis zum Abend, ſchaut jeden Vornehmen, der kommt, an und
wartet des Spruches. Keiner redet ihn an. Den ganzen
Tag aber ſteht ein alter Bettler neben ihm auf der Brücke,
den er nicht beachtet. In der letzten Minute des langen
Tages, als er ſchon alles verloren giebt, tritt der Bettler
zu ihm, und er jetzt iſt der unbekannte Mann, der das Glück¬
wort bringt.

So mag es dir mit deiner Menſchenfrage gehen. Himmel

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[37/0053] zermalmt hatte .... um einzuſehen, daß das Leben der Welt¬ geſchichte ein geheimeres iſt, als unſer grober Sinn ſich träumt. Ein geheimeres, aber deswegen nicht minder erhabenes. „Er iſt ein ewge Stille“ ſingt der alte Angelus Sileſius mit tiefem Sinn von ſeinem Weltengeiſt. [Abbildung] Der Nebel hatte dich ganz eingeſponnen, du ſahſt jetzt ſchlechterdings gar nichts mehr. Und doch war es nur die Nähe grade des Tages, die ihn ſo aufdringlich machte. Es iſt nichts mit dem Weg des reinen Geiſtes. Zermartere dein armes Gehirn: du erinnerſt dich an nichts. Und wenn du phantaſierſt ins Blaue hinein, ſo wird's auch nur Nebel. Aber es giebt noch einen zweiten Weg. Mit ihm wird es hell und Tag. Du haſt geſonnen und geſonnen, ſtundenlang. Blick auf, es iſt Tag. Und ich will dir den Weg zeigen. Dem Manne im Märchen iſt verheißen, daß ein Un¬ bekannter ihm die Kunde bringen ſoll, die ſein Glück macht. Auf der Brücke ſoll er ſtehen und harren, bis ihn einer an¬ ſpricht, — der wird es ſein. Er harrt vom frühen Morgen bis zum Abend, ſchaut jeden Vornehmen, der kommt, an und wartet des Spruches. Keiner redet ihn an. Den ganzen Tag aber ſteht ein alter Bettler neben ihm auf der Brücke, den er nicht beachtet. In der letzten Minute des langen Tages, als er ſchon alles verloren giebt, tritt der Bettler zu ihm, und er jetzt iſt der unbekannte Mann, der das Glück¬ wort bringt. So mag es dir mit deiner Menſchenfrage gehen. Himmel

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/53>, abgerufen am 24.11.2024.