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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Regenwasser aus einer Mulde im Gestein trinkt und mit Eiern
sich selbst ernähren kann. Nun laß diesen Robinson in die
Jahre kommen. Wenn er ein Mann ist, hat er nie vom
Mysterium des Weibes gehört. Und umgekehrt als Weib nie
von dem des Mannes. Die Tafel seines Geistes liegt hier
absolut leer. Keiner ist da, sie zu beschreiben. Und doch:
auf diesem einsamen Ozeanseiland weiß einer von Liebesdingen.

Sein Leib.

Er weiß davon, -- nicht aus Wort und Schrift und An¬
blick. In uralter dunkler Tradition, die den unmittelbaren
Weg durch die Leiberfolge der Geschlechter gegangen ist, weiß
er davon. Seine Zellen, die einst sich selber zu diesem Leibe
geordnet und bei dieser Ordnung auch die Geschlechtsteile an¬
gelegt haben, lange, lange ehe an irgend eine wirkliche Ver¬
wertung dieser Teile zu denken war: sie wissen noch ein ganzes
Stück auch weiter den Weg.

Ist das einsame Kind ein Mädchen, so erfolgt in gewisser
Reife der Jahre, sagen wir etwa nach deutschen Verhältnissen
mit dem vierzehnten Jahre, ein innerlicher Akt zum erstenmal,
der mit dem eigentlichen Bewußtsein dieses Mädchens schlechter¬
dings gar nichts zu thun hat, sondern ihm selber wie aus einer
fremden Welt zu kommen scheint. Die Pforte des Leibes, die
bisher nur der Harn-Entleerung diente, sondert plötzlich Blut
ab. Diese Blutabsonderung steht aber in einem tiefen Zu¬
sammenhang mit einer innerlichen Geschlechtshandlung des Leibes,
die gleichsam nur durch sie als äußerliches Merkmal ange¬
deutet wird.

An einem der beiden Eierstöcke ist eine kleine Fruchtkapsel
geplatzt und hat einem winzigen Menschenei freie Bahn gegeben.
Dieses Ei ist darauf langsam durch den Verbindungskanal zur
Gebärmutter befördert worden. Dort ist die das Innere aus¬
tapezierende Schleimhaut in eine Art Entzündung geraten und
das Ergebnis dieser Entzündung ist jene Blutabsonderung, die
durch die äußere Pforte schließlich sichtbar abläuft.

Regenwaſſer aus einer Mulde im Geſtein trinkt und mit Eiern
ſich ſelbſt ernähren kann. Nun laß dieſen Robinſon in die
Jahre kommen. Wenn er ein Mann iſt, hat er nie vom
Myſterium des Weibes gehört. Und umgekehrt als Weib nie
von dem des Mannes. Die Tafel ſeines Geiſtes liegt hier
abſolut leer. Keiner iſt da, ſie zu beſchreiben. Und doch:
auf dieſem einſamen Ozeanseiland weiß einer von Liebesdingen.

Sein Leib.

Er weiß davon, — nicht aus Wort und Schrift und An¬
blick. In uralter dunkler Tradition, die den unmittelbaren
Weg durch die Leiberfolge der Geſchlechter gegangen iſt, weiß
er davon. Seine Zellen, die einſt ſich ſelber zu dieſem Leibe
geordnet und bei dieſer Ordnung auch die Geſchlechtsteile an¬
gelegt haben, lange, lange ehe an irgend eine wirkliche Ver¬
wertung dieſer Teile zu denken war: ſie wiſſen noch ein ganzes
Stück auch weiter den Weg.

Iſt das einſame Kind ein Mädchen, ſo erfolgt in gewiſſer
Reife der Jahre, ſagen wir etwa nach deutſchen Verhältniſſen
mit dem vierzehnten Jahre, ein innerlicher Akt zum erſtenmal,
der mit dem eigentlichen Bewußtſein dieſes Mädchens ſchlechter¬
dings gar nichts zu thun hat, ſondern ihm ſelber wie aus einer
fremden Welt zu kommen ſcheint. Die Pforte des Leibes, die
bisher nur der Harn-Entleerung diente, ſondert plötzlich Blut
ab. Dieſe Blutabſonderung ſteht aber in einem tiefen Zu¬
ſammenhang mit einer innerlichen Geſchlechtshandlung des Leibes,
die gleichſam nur durch ſie als äußerliches Merkmal ange¬
deutet wird.

An einem der beiden Eierſtöcke iſt eine kleine Fruchtkapſel
geplatzt und hat einem winzigen Menſchenei freie Bahn gegeben.
Dieſes Ei iſt darauf langſam durch den Verbindungskanal zur
Gebärmutter befördert worden. Dort iſt die das Innere aus¬
tapezierende Schleimhaut in eine Art Entzündung geraten und
das Ergebnis dieſer Entzündung iſt jene Blutabſonderung, die
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[50/0066] Regenwaſſer aus einer Mulde im Geſtein trinkt und mit Eiern ſich ſelbſt ernähren kann. Nun laß dieſen Robinſon in die Jahre kommen. Wenn er ein Mann iſt, hat er nie vom Myſterium des Weibes gehört. Und umgekehrt als Weib nie von dem des Mannes. Die Tafel ſeines Geiſtes liegt hier abſolut leer. Keiner iſt da, ſie zu beſchreiben. Und doch: auf dieſem einſamen Ozeanseiland weiß einer von Liebesdingen. Sein Leib. Er weiß davon, — nicht aus Wort und Schrift und An¬ blick. In uralter dunkler Tradition, die den unmittelbaren Weg durch die Leiberfolge der Geſchlechter gegangen iſt, weiß er davon. Seine Zellen, die einſt ſich ſelber zu dieſem Leibe geordnet und bei dieſer Ordnung auch die Geſchlechtsteile an¬ gelegt haben, lange, lange ehe an irgend eine wirkliche Ver¬ wertung dieſer Teile zu denken war: ſie wiſſen noch ein ganzes Stück auch weiter den Weg. Iſt das einſame Kind ein Mädchen, ſo erfolgt in gewiſſer Reife der Jahre, ſagen wir etwa nach deutſchen Verhältniſſen mit dem vierzehnten Jahre, ein innerlicher Akt zum erſtenmal, der mit dem eigentlichen Bewußtſein dieſes Mädchens ſchlechter¬ dings gar nichts zu thun hat, ſondern ihm ſelber wie aus einer fremden Welt zu kommen ſcheint. Die Pforte des Leibes, die bisher nur der Harn-Entleerung diente, ſondert plötzlich Blut ab. Dieſe Blutabſonderung ſteht aber in einem tiefen Zu¬ ſammenhang mit einer innerlichen Geſchlechtshandlung des Leibes, die gleichſam nur durch ſie als äußerliches Merkmal ange¬ deutet wird. An einem der beiden Eierſtöcke iſt eine kleine Fruchtkapſel geplatzt und hat einem winzigen Menſchenei freie Bahn gegeben. Dieſes Ei iſt darauf langſam durch den Verbindungskanal zur Gebärmutter befördert worden. Dort iſt die das Innere aus¬ tapezierende Schleimhaut in eine Art Entzündung geraten und das Ergebnis dieſer Entzündung iſt jene Blutabſonderung, die durch die äußere Pforte ſchließlich ſichtbar abläuft.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/66>, abgerufen am 24.11.2024.