steckt, der Krebs seine prächtige Rüstung, die dem ganzen kom¬ plizierten Leibe in jedes Fältchen und Scharnier von außen folgt. Aber das alles hat nicht die leiseste Ähnlichkeit mit dir und deinem Rückgrat.
Keiner dieser Tierstämme giebt dir den geringsten Anhalts¬ punkt, daß dieser dein "Rücken" dort hingehören könnte. Trennte dich dein Bauch mit dem Magen und Darm vom Ur- Tier jenseits des Hydra-Polypen -- so trennt dich diesmal dein schöner, stolz aufgereckter Rücken, diese Freude aller Künstler seit der alten Griechenzeit, von Muschel, Schnecke, Tintenfisch, Seestern, Seeigel, Krebs, Spinne und Käfer und Schmetter¬ ling. Dagegen weist er dir eine ganz bestimmte Linie nach oben hinaus über den Wurm nunmehr ebenso sicher als deine Linie.
Da giebt es schon bei den höchst entwickelten wurm¬ ähnlichen Tieren ein seltsames Geschlecht. Es sind die soge¬ nannten Manteltiere oder Ascidien. Seetiere, dem Laien ab¬ solut fremd. In Neapel werden sie mit Liebhaberei gegessen. Was man da zu essen bekommt, sieht äußerlich wie eine ver¬ faulte Kartoffel aus. Das ausgewachsene Manteltier dieser Art bildet nämlich eine holzartige Borke um sich. Da drinnen liegt es wie ein gelbes Ei, und das holt der Neapolitaner sich als Leckerbissen vor. Solche Ascidie nun ist als junges Tier noch nicht so hölzern eingekapselt, sondern schwimmt lustig umher als glashelles Würmlein. Und in dieser frohbewegten Jugendzeit gewährt sie ein mit Rücksicht auf deinen menschlichen Rücken höchst eigenartiges Bild. Da siehst du oben in dem Wurmschlauch-Rücken ein Hirn mit einer Verlängerung als Rückenmark. Unten in dem Wurmschlauch-Bauch liegt ein Darm. Zwischen beiden aber -- genau also an der kritischen Einschiebestelle für das harte Brett bei dir -- steckt ein Stab oder Sparren aus immerhin schon etwas gefesteter Knorpelmasse: ein erster Anlauf zum Brett. Kaum ein Zweifel: hier geht irgendwie der Pfad zu dir weiter.
ſteckt, der Krebs ſeine prächtige Rüſtung, die dem ganzen kom¬ plizierten Leibe in jedes Fältchen und Scharnier von außen folgt. Aber das alles hat nicht die leiſeſte Ähnlichkeit mit dir und deinem Rückgrat.
Keiner dieſer Tierſtämme giebt dir den geringſten Anhalts¬ punkt, daß dieſer dein „Rücken“ dort hingehören könnte. Trennte dich dein Bauch mit dem Magen und Darm vom Ur- Tier jenſeits des Hydra-Polypen — ſo trennt dich diesmal dein ſchöner, ſtolz aufgereckter Rücken, dieſe Freude aller Künſtler ſeit der alten Griechenzeit, von Muſchel, Schnecke, Tintenfiſch, Seeſtern, Seeigel, Krebs, Spinne und Käfer und Schmetter¬ ling. Dagegen weiſt er dir eine ganz beſtimmte Linie nach oben hinaus über den Wurm nunmehr ebenſo ſicher als deine Linie.
Da giebt es ſchon bei den höchſt entwickelten wurm¬ ähnlichen Tieren ein ſeltſames Geſchlecht. Es ſind die ſoge¬ nannten Manteltiere oder Ascidien. Seetiere, dem Laien ab¬ ſolut fremd. In Neapel werden ſie mit Liebhaberei gegeſſen. Was man da zu eſſen bekommt, ſieht äußerlich wie eine ver¬ faulte Kartoffel aus. Das ausgewachſene Manteltier dieſer Art bildet nämlich eine holzartige Borke um ſich. Da drinnen liegt es wie ein gelbes Ei, und das holt der Neapolitaner ſich als Leckerbiſſen vor. Solche Ascidie nun iſt als junges Tier noch nicht ſo hölzern eingekapſelt, ſondern ſchwimmt luſtig umher als glashelles Würmlein. Und in dieſer frohbewegten Jugendzeit gewährt ſie ein mit Rückſicht auf deinen menſchlichen Rücken höchſt eigenartiges Bild. Da ſiehſt du oben in dem Wurmſchlauch-Rücken ein Hirn mit einer Verlängerung als Rückenmark. Unten in dem Wurmſchlauch-Bauch liegt ein Darm. Zwiſchen beiden aber — genau alſo an der kritiſchen Einſchiebeſtelle für das harte Brett bei dir — ſteckt ein Stab oder Sparren aus immerhin ſchon etwas gefeſteter Knorpelmaſſe: ein erſter Anlauf zum Brett. Kaum ein Zweifel: hier geht irgendwie der Pfad zu dir weiter.
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ſteckt, der Krebs ſeine prächtige Rüſtung, die dem ganzen kom¬
plizierten Leibe in jedes Fältchen und Scharnier von außen
folgt. Aber das alles hat nicht die leiſeſte Ähnlichkeit mit dir
und deinem Rückgrat.
Keiner dieſer Tierſtämme giebt dir den geringſten Anhalts¬
punkt, daß dieſer dein „Rücken“ dort hingehören könnte.
Trennte dich dein Bauch mit dem Magen und Darm vom Ur-
Tier jenſeits des Hydra-Polypen — ſo trennt dich diesmal
dein ſchöner, ſtolz aufgereckter Rücken, dieſe Freude aller Künſtler
ſeit der alten Griechenzeit, von Muſchel, Schnecke, Tintenfiſch,
Seeſtern, Seeigel, Krebs, Spinne und Käfer und Schmetter¬
ling. Dagegen weiſt er dir eine ganz beſtimmte Linie nach
oben hinaus über den Wurm nunmehr ebenſo ſicher als deine
Linie.
Da giebt es ſchon bei den höchſt entwickelten wurm¬
ähnlichen Tieren ein ſeltſames Geſchlecht. Es ſind die ſoge¬
nannten Manteltiere oder Ascidien. Seetiere, dem Laien ab¬
ſolut fremd. In Neapel werden ſie mit Liebhaberei gegeſſen.
Was man da zu eſſen bekommt, ſieht äußerlich wie eine ver¬
faulte Kartoffel aus. Das ausgewachſene Manteltier dieſer
Art bildet nämlich eine holzartige Borke um ſich. Da drinnen
liegt es wie ein gelbes Ei, und das holt der Neapolitaner ſich
als Leckerbiſſen vor. Solche Ascidie nun iſt als junges Tier
noch nicht ſo hölzern eingekapſelt, ſondern ſchwimmt luſtig
umher als glashelles Würmlein. Und in dieſer frohbewegten
Jugendzeit gewährt ſie ein mit Rückſicht auf deinen menſchlichen
Rücken höchſt eigenartiges Bild. Da ſiehſt du oben in dem
Wurmſchlauch-Rücken ein Hirn mit einer Verlängerung als
Rückenmark. Unten in dem Wurmſchlauch-Bauch liegt ein
Darm. Zwiſchen beiden aber — genau alſo an der kritiſchen
Einſchiebeſtelle für das harte Brett bei dir — ſteckt ein Stab
oder Sparren aus immerhin ſchon etwas gefeſteter Knorpelmaſſe:
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/92>, abgerufen am 23.11.2024.
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