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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Die Geschichte ist bekräftigt durch die Autorität von zwei
guten Leuten, nämlich John Lubbock und Charles Darwin.

Ihr wichtigster Inhalt ist, daß dieser Sohn der Paradies¬
insel sich eine entschieden andere Meinung darüber gebildet
hat, was es im Punkte Liebesleben heißt, wie ein Affe, also
wie ein Tier, leben. Es heißt für ihn in einer Ehe leben mit
monogamischer Strenge. Wenn er an seinen Wanderu-Affen,
den schwarzen Gesellen mit dem langen, weißen Patriarchen¬
bart auf den Zweigen seiner Wälder, denkt, so giebt sich ihm
das Bild eines Tierpärchens, das auffällig konsequent in
seiner Zweiheit zusammenhält. Und er mißt die Barbarei
eines Menschenstammes daran, wie nah er solchem Wanderu-
Brauche noch stehe.

Nun läßt sich wirklich nicht darum herumkommen: dieser
Häuptling hat in seiner Art recht.

Wenn wir von unsern Schussenrieder Steinzeitmenschen
sagen wollen: sie lebten im Punkte Liebesleben noch wie "die
Tiere", -- so brauchen wir bloß eine Anzahl wirklich be¬
obachteter Tierbeispiele uns zu vergegenwärtigen, um zum
Schluß zu kommen: gerade das kann heißen, sie lebten in
der ausgesprochensten, festesten, treuesten Ehe auf Lebenszeit
und sogar der monogamischen Ehe zu zwei und zwei. Um
ihre Höhle herum gab es eine ganze Masse hochentwickelter
Tiere, die strikt so lebten. Sie leben heute noch und leben
noch genau so, mit dem durchweg geltenden Konservativismus
der Tiere. Wir können hier also direkt schließen und aussagen
und haben nicht bloß mehr oder minder wahrscheinliche Schlüsse
zur Hand. Nicht einmal das Wort "Ehe", das doch so
proteisch uns heute unter den Händen durch will, schwankt
hier. Es handelt sich bei diesen Tieren um die so zu sagen
waschechteste Bedeutung des Wortes, die ganz schlichte, ur¬
väterlich in unserer ganzen Litteratur vom Pfarrershandbuch
bis zum Standesamtskodex sanktionierte. Ich höre einen
Pfarrer reden. Ihr sollt nun Mann und Frau sein, sagt er

Die Geſchichte iſt bekräftigt durch die Autorität von zwei
guten Leuten, nämlich John Lubbock und Charles Darwin.

Ihr wichtigſter Inhalt iſt, daß dieſer Sohn der Paradies¬
inſel ſich eine entſchieden andere Meinung darüber gebildet
hat, was es im Punkte Liebesleben heißt, wie ein Affe, alſo
wie ein Tier, leben. Es heißt für ihn in einer Ehe leben mit
monogamiſcher Strenge. Wenn er an ſeinen Wanderu-Affen,
den ſchwarzen Geſellen mit dem langen, weißen Patriarchen¬
bart auf den Zweigen ſeiner Wälder, denkt, ſo giebt ſich ihm
das Bild eines Tierpärchens, das auffällig konſequent in
ſeiner Zweiheit zuſammenhält. Und er mißt die Barbarei
eines Menſchenſtammes daran, wie nah er ſolchem Wanderu-
Brauche noch ſtehe.

Nun läßt ſich wirklich nicht darum herumkommen: dieſer
Häuptling hat in ſeiner Art recht.

Wenn wir von unſern Schuſſenrieder Steinzeitmenſchen
ſagen wollen: ſie lebten im Punkte Liebesleben noch wie „die
Tiere“, — ſo brauchen wir bloß eine Anzahl wirklich be¬
obachteter Tierbeiſpiele uns zu vergegenwärtigen, um zum
Schluß zu kommen: gerade das kann heißen, ſie lebten in
der ausgeſprochenſten, feſteſten, treueſten Ehe auf Lebenszeit
und ſogar der monogamiſchen Ehe zu zwei und zwei. Um
ihre Höhle herum gab es eine ganze Maſſe hochentwickelter
Tiere, die ſtrikt ſo lebten. Sie leben heute noch und leben
noch genau ſo, mit dem durchweg geltenden Konſervativismus
der Tiere. Wir können hier alſo direkt ſchließen und ausſagen
und haben nicht bloß mehr oder minder wahrſcheinliche Schlüſſe
zur Hand. Nicht einmal das Wort „Ehe“, das doch ſo
proteiſch uns heute unter den Händen durch will, ſchwankt
hier. Es handelt ſich bei dieſen Tieren um die ſo zu ſagen
waſchechteſte Bedeutung des Wortes, die ganz ſchlichte, ur¬
väterlich in unſerer ganzen Litteratur vom Pfarrershandbuch
bis zum Standesamtskodex ſanktionierte. Ich höre einen
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[156/0170] Die Geſchichte iſt bekräftigt durch die Autorität von zwei guten Leuten, nämlich John Lubbock und Charles Darwin. Ihr wichtigſter Inhalt iſt, daß dieſer Sohn der Paradies¬ inſel ſich eine entſchieden andere Meinung darüber gebildet hat, was es im Punkte Liebesleben heißt, wie ein Affe, alſo wie ein Tier, leben. Es heißt für ihn in einer Ehe leben mit monogamiſcher Strenge. Wenn er an ſeinen Wanderu-Affen, den ſchwarzen Geſellen mit dem langen, weißen Patriarchen¬ bart auf den Zweigen ſeiner Wälder, denkt, ſo giebt ſich ihm das Bild eines Tierpärchens, das auffällig konſequent in ſeiner Zweiheit zuſammenhält. Und er mißt die Barbarei eines Menſchenſtammes daran, wie nah er ſolchem Wanderu- Brauche noch ſtehe. Nun läßt ſich wirklich nicht darum herumkommen: dieſer Häuptling hat in ſeiner Art recht. Wenn wir von unſern Schuſſenrieder Steinzeitmenſchen ſagen wollen: ſie lebten im Punkte Liebesleben noch wie „die Tiere“, — ſo brauchen wir bloß eine Anzahl wirklich be¬ obachteter Tierbeiſpiele uns zu vergegenwärtigen, um zum Schluß zu kommen: gerade das kann heißen, ſie lebten in der ausgeſprochenſten, feſteſten, treueſten Ehe auf Lebenszeit und ſogar der monogamiſchen Ehe zu zwei und zwei. Um ihre Höhle herum gab es eine ganze Maſſe hochentwickelter Tiere, die ſtrikt ſo lebten. Sie leben heute noch und leben noch genau ſo, mit dem durchweg geltenden Konſervativismus der Tiere. Wir können hier alſo direkt ſchließen und ausſagen und haben nicht bloß mehr oder minder wahrſcheinliche Schlüſſe zur Hand. Nicht einmal das Wort „Ehe“, das doch ſo proteiſch uns heute unter den Händen durch will, ſchwankt hier. Es handelt ſich bei dieſen Tieren um die ſo zu ſagen waſchechteſte Bedeutung des Wortes, die ganz ſchlichte, ur¬ väterlich in unſerer ganzen Litteratur vom Pfarrershandbuch bis zum Standesamtskodex ſanktionierte. Ich höre einen Pfarrer reden. Ihr ſollt nun Mann und Frau ſein, ſagt er

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/170>, abgerufen am 23.11.2024.