Tief im Erdreich unter dem alten Gartenzaun, wo du das Liebesleben der Spinnen beobachtet hast, liegt, profanen Augen völlig verborgen, ein geheimnisvoller Eskimobau. Dort haust in seinen Mußestunden ein schwarzer Einsiedler, den du aus seiner Arbeitszeit gut kennst.
Es ist der Maulwurf.
Weit ab von diesem Versteck stößt er dir Haufen um Haufen in die grüne Wiese. Sie ist sein Jagdgebiet, das er unablässig in rasch gewühlten unterirdischen Gängen durchpürscht. Ab und zu schmeißt er eine Last überflüssigen Materials dabei herauf und läßt zugleich frische Luft in seine Katakombe streichen. Was er bei diesen Rundgängen trifft, wird gepackt und mit dem bösen Gebiß zermalmt: Regenwurm und Grille und Engerling. Der Ringelnatter beißt er unentwegt ins Schuppen¬ kleid, den armen Frosch zieht er plötzlich von unten am Bein in die Versenkung. Wenn er aber ausgefressen und ausgejagt hat, dann fährt er in einen besonders präparierten, festgestampften Dauergang ein, der bis an die fünfzig Meter lang sein kann. Erst am Ende dieses großen Laufganges liegt sein eigentliches Häuslein, die besagte Eskimohütte.
Als Hauptteil eine rundliche Kammer, wohlig ausgepolstert wie ein molliges Nestlein mit jungem Korn, Moos und Wurzel¬
[Abbildung]
Tief im Erdreich unter dem alten Gartenzaun, wo du das Liebesleben der Spinnen beobachtet haſt, liegt, profanen Augen völlig verborgen, ein geheimnisvoller Eskimobau. Dort hauſt in ſeinen Mußeſtunden ein ſchwarzer Einſiedler, den du aus ſeiner Arbeitszeit gut kennſt.
Es iſt der Maulwurf.
Weit ab von dieſem Verſteck ſtößt er dir Haufen um Haufen in die grüne Wieſe. Sie iſt ſein Jagdgebiet, das er unabläſſig in raſch gewühlten unterirdiſchen Gängen durchpürſcht. Ab und zu ſchmeißt er eine Laſt überflüſſigen Materials dabei herauf und läßt zugleich friſche Luft in ſeine Katakombe ſtreichen. Was er bei dieſen Rundgängen trifft, wird gepackt und mit dem böſen Gebiß zermalmt: Regenwurm und Grille und Engerling. Der Ringelnatter beißt er unentwegt ins Schuppen¬ kleid, den armen Froſch zieht er plötzlich von unten am Bein in die Verſenkung. Wenn er aber ausgefreſſen und ausgejagt hat, dann fährt er in einen beſonders präparierten, feſtgeſtampften Dauergang ein, der bis an die fünfzig Meter lang ſein kann. Erſt am Ende dieſes großen Laufganges liegt ſein eigentliches Häuslein, die beſagte Eskimohütte.
Als Hauptteil eine rundliche Kammer, wohlig ausgepolſtert wie ein molliges Neſtlein mit jungem Korn, Moos und Wurzel¬
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Tief im Erdreich unter dem alten Gartenzaun, wo du
das Liebesleben der Spinnen beobachtet haſt, liegt, profanen
Augen völlig verborgen, ein geheimnisvoller Eskimobau. Dort
hauſt in ſeinen Mußeſtunden ein ſchwarzer Einſiedler, den du
aus ſeiner Arbeitszeit gut kennſt.
Es iſt der Maulwurf.
Weit ab von dieſem Verſteck ſtößt er dir Haufen um Haufen
in die grüne Wieſe. Sie iſt ſein Jagdgebiet, das er unabläſſig
in raſch gewühlten unterirdiſchen Gängen durchpürſcht. Ab und
zu ſchmeißt er eine Laſt überflüſſigen Materials dabei herauf
und läßt zugleich friſche Luft in ſeine Katakombe ſtreichen.
Was er bei dieſen Rundgängen trifft, wird gepackt und mit
dem böſen Gebiß zermalmt: Regenwurm und Grille und
Engerling. Der Ringelnatter beißt er unentwegt ins Schuppen¬
kleid, den armen Froſch zieht er plötzlich von unten am Bein
in die Verſenkung. Wenn er aber ausgefreſſen und ausgejagt
hat, dann fährt er in einen beſonders präparierten, feſtgeſtampften
Dauergang ein, der bis an die fünfzig Meter lang ſein kann.
Erſt am Ende dieſes großen Laufganges liegt ſein eigentliches
Häuslein, die beſagte Eskimohütte.
Als Hauptteil eine rundliche Kammer, wohlig ausgepolſtert
wie ein molliges Neſtlein mit jungem Korn, Moos und Wurzel¬
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/181>, abgerufen am 23.11.2024.
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