er sich durch seine Röhren und stößt dabei auf einen anderen Maulwurf, so setzt's unter allen Umständen eine wilde Holzerei, wo nicht Kampf auf Leben und Tod. Kann er, so frißt er einfach den anderen auf. Und das ist hier genau wie bei der Spinne: der stärkere Adam beißt sich skrupellos in die schwächere Eva und umgekehrt. Aber darin ist der Moll denn doch der Spinne weit über: er kennt ganz genau den Unter¬ schied zwischen Fressen und Liebe.
Wenn die Liebeszeit, die Brunstzeit im Jahre ihm in den Pelz fährt, so weiß er ganz genau, was die Stunde geschlagen hat. Adam wie Eva fahren aus ihrem einsamen Bau ins Weite mit dem ausdrücklichen Verlangen, einander zu begegnen. So absolut leicht ist das nun nicht. Es giebt nämlich mehr Adams als Evas. Und wenn Adam auf Adam in diesen Tagen stößt, so ist der Abscheu einfach noch größer, er ist ja ein Nebenbuhler. Doch das Glück will wohl: im langen Laufgang rennt Adam gegen eine wirkliche Eva. Die Selten¬ heit entscheidet: sie ist sein Weib oder keine. Ihr freilich pflegt das nicht so von vornherein selbstverständlich zu sein. Sie geht ja wohl mit, aber sie erwartet dabei ein gewisses Gottes¬ urteil. Entweder in seine Klause geht sie mit, oder sie läßt ihn in ihre. Er ist durchweg der Stärkere, einfach davongehen kann sie ihm also nicht. Schließlich will sie das aber auch gar nicht. Denn einen Mann will sie schon. Bloß soll er sich noch so zu sagen etwas ausweisen, daß er auch ein echter und rechter "Mann", daß er ein Musterbeispiel seiner Art sei. Und dazu pflegt es nicht an Gelegenheit zu fehlen.
Kaum hat Adam Fräulein Eva mit einiger Grobheit (fein ist seine alte Eremitenart noch nicht so bald) ins Nest getrieben, so beginnt er plötzlich noch eine Sorte besonderer Röhren von dem aus in die Weite zu graben, die aber von den anderen des Hauses darin wundersam abweichen, daß sie hinten blind endigen wie ein Sack, in den etwas gestopft werden soll. Und dazu ist in der That meist sehr bald die Zeit da.
er ſich durch ſeine Röhren und ſtößt dabei auf einen anderen Maulwurf, ſo ſetzt's unter allen Umſtänden eine wilde Holzerei, wo nicht Kampf auf Leben und Tod. Kann er, ſo frißt er einfach den anderen auf. Und das iſt hier genau wie bei der Spinne: der ſtärkere Adam beißt ſich ſkrupellos in die ſchwächere Eva und umgekehrt. Aber darin iſt der Moll denn doch der Spinne weit über: er kennt ganz genau den Unter¬ ſchied zwiſchen Freſſen und Liebe.
Wenn die Liebeszeit, die Brunſtzeit im Jahre ihm in den Pelz fährt, ſo weiß er ganz genau, was die Stunde geſchlagen hat. Adam wie Eva fahren aus ihrem einſamen Bau ins Weite mit dem ausdrücklichen Verlangen, einander zu begegnen. So abſolut leicht iſt das nun nicht. Es giebt nämlich mehr Adams als Evas. Und wenn Adam auf Adam in dieſen Tagen ſtößt, ſo iſt der Abſcheu einfach noch größer, er iſt ja ein Nebenbuhler. Doch das Glück will wohl: im langen Laufgang rennt Adam gegen eine wirkliche Eva. Die Selten¬ heit entſcheidet: ſie iſt ſein Weib oder keine. Ihr freilich pflegt das nicht ſo von vornherein ſelbſtverſtändlich zu ſein. Sie geht ja wohl mit, aber ſie erwartet dabei ein gewiſſes Gottes¬ urteil. Entweder in ſeine Klauſe geht ſie mit, oder ſie läßt ihn in ihre. Er iſt durchweg der Stärkere, einfach davongehen kann ſie ihm alſo nicht. Schließlich will ſie das aber auch gar nicht. Denn einen Mann will ſie ſchon. Bloß ſoll er ſich noch ſo zu ſagen etwas ausweiſen, daß er auch ein echter und rechter „Mann“, daß er ein Muſterbeiſpiel ſeiner Art ſei. Und dazu pflegt es nicht an Gelegenheit zu fehlen.
Kaum hat Adam Fräulein Eva mit einiger Grobheit (fein iſt ſeine alte Eremitenart noch nicht ſo bald) ins Neſt getrieben, ſo beginnt er plötzlich noch eine Sorte beſonderer Röhren von dem aus in die Weite zu graben, die aber von den anderen des Hauſes darin wunderſam abweichen, daß ſie hinten blind endigen wie ein Sack, in den etwas geſtopft werden ſoll. Und dazu iſt in der That meiſt ſehr bald die Zeit da.
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er ſich durch ſeine Röhren und ſtößt dabei auf einen anderen
Maulwurf, ſo ſetzt's unter allen Umſtänden eine wilde Holzerei,
wo nicht Kampf auf Leben und Tod. Kann er, ſo frißt er
einfach den anderen auf. Und das iſt hier genau wie bei
der Spinne: der ſtärkere Adam beißt ſich ſkrupellos in die
ſchwächere Eva und umgekehrt. Aber darin iſt der Moll denn
doch der Spinne weit über: er kennt ganz genau den Unter¬
ſchied zwiſchen Freſſen und Liebe.
Wenn die Liebeszeit, die Brunſtzeit im Jahre ihm in den
Pelz fährt, ſo weiß er ganz genau, was die Stunde geſchlagen
hat. Adam wie Eva fahren aus ihrem einſamen Bau ins
Weite mit dem ausdrücklichen Verlangen, einander zu begegnen.
So abſolut leicht iſt das nun nicht. Es giebt nämlich mehr
Adams als Evas. Und wenn Adam auf Adam in dieſen
Tagen ſtößt, ſo iſt der Abſcheu einfach noch größer, er iſt ja
ein Nebenbuhler. Doch das Glück will wohl: im langen
Laufgang rennt Adam gegen eine wirkliche Eva. Die Selten¬
heit entſcheidet: ſie iſt ſein Weib oder keine. Ihr freilich
pflegt das nicht ſo von vornherein ſelbſtverſtändlich zu ſein.
Sie geht ja wohl mit, aber ſie erwartet dabei ein gewiſſes Gottes¬
urteil. Entweder in ſeine Klauſe geht ſie mit, oder ſie läßt
ihn in ihre. Er iſt durchweg der Stärkere, einfach davongehen
kann ſie ihm alſo nicht. Schließlich will ſie das aber auch
gar nicht. Denn einen Mann will ſie ſchon. Bloß ſoll er
ſich noch ſo zu ſagen etwas ausweiſen, daß er auch ein echter
und rechter „Mann“, daß er ein Muſterbeiſpiel ſeiner Art
ſei. Und dazu pflegt es nicht an Gelegenheit zu fehlen.
Kaum hat Adam Fräulein Eva mit einiger Grobheit
(fein iſt ſeine alte Eremitenart noch nicht ſo bald) ins Neſt
getrieben, ſo beginnt er plötzlich noch eine Sorte beſonderer
Röhren von dem aus in die Weite zu graben, die aber von den
anderen des Hauſes darin wunderſam abweichen, daß ſie hinten
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Und dazu iſt in der That meiſt ſehr bald die Zeit da.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/183>, abgerufen am 27.11.2024.
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