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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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nur sein Teil Dienste leistet. Fazit: alle Männer haben das
Recht auf alle Weiber des Stammes und alle Kinder haben
das Recht auf genossenschaftliche Erziehung durch den ganzen
Stamm. Freie Liebe -- und ein gesellschaftlich anerkanntes
Staatsfindelhaus -- die Ehe aber zwecklos. Notabene: wir
reden hier immer noch bloß von Affen, Pinguinen und Elefanten
und malen zunächst nur aus, was dort leicht noch hätte ent¬
stehen können ....

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Indessen: auch die umgekehrte Wirkung mußte ihren Weg
nehmen, -- nämlich die Beeinflussung des Sozialen durch das
eindringende Eheprinzip.

Die ursprünglich nicht erotische Genossenschaft wurde zu¬
nächst vielfach eine Genossenschaft von Eheverbänden. Die
jungen Tiere blieben bei der Masse, schlossen wiederum Ehen
innerhalb der Gemeinschaft und ergänzten diese so immer wieder,
wenn ältere Glieder durch Tod ausschieden, aus sich selbst. Je
regelloser dabei auch die Ehe selbst allmählich behandelt werden
mußte im eben erzählten Sinne: das Gesamtbild eines solchen
Stammes näherte sich doch als Ganzes unaufhaltsam so immer
mehr dem Bilde einer einzigen großen Familie. Und
zwar nicht bloß für eine Generation, sondern gerade fortgesetzt
von Generation zu Generation. Das junge Tiervolk paarte
sich immer wieder in die Gemeinschaft hinein, -- die Stammes¬
zugehörigkeit wurde eine immer engere wirkliche Blutsver¬
wandtschaft.

Da kommt noch einmal die Elefantenherde durch den
indischen Urwald. Sie hat sich etwas zerstreut beim fröhlichen
Ästeknacken. Aber der eingeborene Indier, der dich begleitet,
wirft nur auf ein einziges Exemplar einen Blick und er weiß
schon: es ist der und der altbekannte Elefantentrupp. Woran

nur ſein Teil Dienſte leiſtet. Fazit: alle Männer haben das
Recht auf alle Weiber des Stammes und alle Kinder haben
das Recht auf genoſſenſchaftliche Erziehung durch den ganzen
Stamm. Freie Liebe — und ein geſellſchaftlich anerkanntes
Staatsfindelhaus — die Ehe aber zwecklos. Notabene: wir
reden hier immer noch bloß von Affen, Pinguinen und Elefanten
und malen zunächſt nur aus, was dort leicht noch hätte ent¬
ſtehen können ....

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Indeſſen: auch die umgekehrte Wirkung mußte ihren Weg
nehmen, — nämlich die Beeinfluſſung des Sozialen durch das
eindringende Eheprinzip.

Die urſprünglich nicht erotiſche Genoſſenſchaft wurde zu¬
nächſt vielfach eine Genoſſenſchaft von Eheverbänden. Die
jungen Tiere blieben bei der Maſſe, ſchloſſen wiederum Ehen
innerhalb der Gemeinſchaft und ergänzten dieſe ſo immer wieder,
wenn ältere Glieder durch Tod ausſchieden, aus ſich ſelbſt. Je
regelloſer dabei auch die Ehe ſelbſt allmählich behandelt werden
mußte im eben erzählten Sinne: das Geſamtbild eines ſolchen
Stammes näherte ſich doch als Ganzes unaufhaltſam ſo immer
mehr dem Bilde einer einzigen großen Familie. Und
zwar nicht bloß für eine Generation, ſondern gerade fortgeſetzt
von Generation zu Generation. Das junge Tiervolk paarte
ſich immer wieder in die Gemeinſchaft hinein, — die Stammes¬
zugehörigkeit wurde eine immer engere wirkliche Blutsver¬
wandtſchaft.

Da kommt noch einmal die Elefantenherde durch den
indiſchen Urwald. Sie hat ſich etwas zerſtreut beim fröhlichen
Äſteknacken. Aber der eingeborene Indier, der dich begleitet,
wirft nur auf ein einziges Exemplar einen Blick und er weiß
ſchon: es iſt der und der altbekannte Elefantentrupp. Woran

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[204/0218] nur ſein Teil Dienſte leiſtet. Fazit: alle Männer haben das Recht auf alle Weiber des Stammes und alle Kinder haben das Recht auf genoſſenſchaftliche Erziehung durch den ganzen Stamm. Freie Liebe — und ein geſellſchaftlich anerkanntes Staatsfindelhaus — die Ehe aber zwecklos. Notabene: wir reden hier immer noch bloß von Affen, Pinguinen und Elefanten und malen zunächſt nur aus, was dort leicht noch hätte ent¬ ſtehen können .... [Abbildung] Indeſſen: auch die umgekehrte Wirkung mußte ihren Weg nehmen, — nämlich die Beeinfluſſung des Sozialen durch das eindringende Eheprinzip. Die urſprünglich nicht erotiſche Genoſſenſchaft wurde zu¬ nächſt vielfach eine Genoſſenſchaft von Eheverbänden. Die jungen Tiere blieben bei der Maſſe, ſchloſſen wiederum Ehen innerhalb der Gemeinſchaft und ergänzten dieſe ſo immer wieder, wenn ältere Glieder durch Tod ausſchieden, aus ſich ſelbſt. Je regelloſer dabei auch die Ehe ſelbſt allmählich behandelt werden mußte im eben erzählten Sinne: das Geſamtbild eines ſolchen Stammes näherte ſich doch als Ganzes unaufhaltſam ſo immer mehr dem Bilde einer einzigen großen Familie. Und zwar nicht bloß für eine Generation, ſondern gerade fortgeſetzt von Generation zu Generation. Das junge Tiervolk paarte ſich immer wieder in die Gemeinſchaft hinein, — die Stammes¬ zugehörigkeit wurde eine immer engere wirkliche Blutsver¬ wandtſchaft. Da kommt noch einmal die Elefantenherde durch den indiſchen Urwald. Sie hat ſich etwas zerſtreut beim fröhlichen Äſteknacken. Aber der eingeborene Indier, der dich begleitet, wirft nur auf ein einziges Exemplar einen Blick und er weiß ſchon: es iſt der und der altbekannte Elefantentrupp. Woran

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/218>, abgerufen am 18.05.2024.