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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Stamm zu Stamm standen sich also wieder gegenüber
wie Männchen und Weibchen in den Anfängen der Geschlechter¬
trennung, -- als die beiden Hälften eines höheren Liebes¬
individuums. Jeder Stamm war ein vielköpfiges Individuum
mit hermaphroditischem Bau gleich der Weinbergschnecke ge¬
worden, -- mit männlichen und weiblichen Geschlechtsteilen
in ein und demselben Körper. Wie bei den Schnecken durfte
aber auch hier der Hermaphrodit sich nicht selber befruchten,
sondern die Organe zweier Individuen mußten sich kreuzweise
berühren. So tauschten die Stämme ihr junges Volk übers
Kreuz aus.

Auf dieser Stufe ist klar, daß sich alle die Gegensätze
wiederholen mußten, die unten bei dem einfachen Anschluß des
Liebesindividuums dir entgegengetreten sind. Stamm zu Stamm
konnten in wilder Gegnerschaft stehen als einfache Individuen
wie die Spinnen und die Maulwürfe. Dann mußte auch die
Liebeseinheit sich in roher Form ertrotzen. Oder Stamm zu
Stamm konnten in einem annehmbaren Frieden leben, eine noch
wieder größere Genossenschaft von Stämmen konnte ein "Volk"
bilden, indem eine durchgehende Rechtsordnung die Dinge regelte.
Dann war der Umtausch des jungen Nachwuchses ein fried¬
liches Geschäft, das nur bestimmte totemistische und damit zu¬
sammenhängende wirtschaftliche Rechtsregelungen nötig machte.


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Stamm zu Stamm ſtanden ſich alſo wieder gegenüber
wie Männchen und Weibchen in den Anfängen der Geſchlechter¬
trennung, — als die beiden Hälften eines höheren Liebes¬
individuums. Jeder Stamm war ein vielköpfiges Individuum
mit hermaphroditiſchem Bau gleich der Weinbergſchnecke ge¬
worden, — mit männlichen und weiblichen Geſchlechtsteilen
in ein und demſelben Körper. Wie bei den Schnecken durfte
aber auch hier der Hermaphrodit ſich nicht ſelber befruchten,
ſondern die Organe zweier Individuen mußten ſich kreuzweiſe
berühren. So tauſchten die Stämme ihr junges Volk übers
Kreuz aus.

Auf dieſer Stufe iſt klar, daß ſich alle die Gegenſätze
wiederholen mußten, die unten bei dem einfachen Anſchluß des
Liebesindividuums dir entgegengetreten ſind. Stamm zu Stamm
konnten in wilder Gegnerſchaft ſtehen als einfache Individuen
wie die Spinnen und die Maulwürfe. Dann mußte auch die
Liebeseinheit ſich in roher Form ertrotzen. Oder Stamm zu
Stamm konnten in einem annehmbaren Frieden leben, eine noch
wieder größere Genoſſenſchaft von Stämmen konnte ein „Volk“
bilden, indem eine durchgehende Rechtsordnung die Dinge regelte.
Dann war der Umtauſch des jungen Nachwuchſes ein fried¬
liches Geſchäft, das nur beſtimmte totemiſtiſche und damit zu¬
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[239/0253] [Abbildung] Stamm zu Stamm ſtanden ſich alſo wieder gegenüber wie Männchen und Weibchen in den Anfängen der Geſchlechter¬ trennung, — als die beiden Hälften eines höheren Liebes¬ individuums. Jeder Stamm war ein vielköpfiges Individuum mit hermaphroditiſchem Bau gleich der Weinbergſchnecke ge¬ worden, — mit männlichen und weiblichen Geſchlechtsteilen in ein und demſelben Körper. Wie bei den Schnecken durfte aber auch hier der Hermaphrodit ſich nicht ſelber befruchten, ſondern die Organe zweier Individuen mußten ſich kreuzweiſe berühren. So tauſchten die Stämme ihr junges Volk übers Kreuz aus. Auf dieſer Stufe iſt klar, daß ſich alle die Gegenſätze wiederholen mußten, die unten bei dem einfachen Anſchluß des Liebesindividuums dir entgegengetreten ſind. Stamm zu Stamm konnten in wilder Gegnerſchaft ſtehen als einfache Individuen wie die Spinnen und die Maulwürfe. Dann mußte auch die Liebeseinheit ſich in roher Form ertrotzen. Oder Stamm zu Stamm konnten in einem annehmbaren Frieden leben, eine noch wieder größere Genoſſenſchaft von Stämmen konnte ein „Volk“ bilden, indem eine durchgehende Rechtsordnung die Dinge regelte. Dann war der Umtauſch des jungen Nachwuchſes ein fried¬ liches Geſchäft, das nur beſtimmte totemiſtiſche und damit zu¬ ſammenhängende wirtſchaftliche Rechtsregelungen nötig machte.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/253>, abgerufen am 21.11.2024.