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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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mathematische Regelung, bei der keiner zu kurz käme. Nun
läßt sich das aber in verwickelteren Verhältnissen nicht mehr
so durchführen. Was thun? Raub entspricht den Sitten auch
nicht mehr. So wird wieder ein Kompromiß gesucht. Der
Werber muß dem Stamme irgend einen Ersatz geben. Auf
diesem naiven Standpunkte läßt sich sehr gut ein Menschenwert
in Ochsen verrechnen. Es gehört gar keine besondere Mi߬
achtung des Weibes dazu. Auch der Mann könnte nötigen
Falles genau so taxiert werden.

Bei den Zulukaffern heißt der Ehekauf Ukulobola. Alles
ist dabei festgeregelt. Der Durchschnittspreis der Frau schwankt
hier von 4 bis 6 Rindern, die Häuptlingstochter aber gilt
mindestens 25, oft 100. "Die tiefste Wurzel", sagt Ratzel sehr
gut, "hat diese Sitte dabei nicht etwa im Herzen der Männer,
sondern vielmehr in dem der Weiber, in welchen das Gefühl
ihres Wertes mit der Zahl der Rinder sich erhöht, um welche
sie gekauft werden. Ebensowenig würde in der Regel ein
Mann geneigt sein, eine Frau für nichts zu nehmen; er würde
sich selbst dadurch erniedrigt fühlen. Die Kraft gegenseitiger
Anerkennung gewinnt das Heiratsband erst durch diesen Kauf,
und Mann wie Frau würden sich nicht für regelrecht mit¬
einander verbunden halten, wenn jener nicht für diese etwas
gegeben oder mindestens versprochen haben würde." Ist die
Frau in der Ehe besonders leistungsfähig, was Arbeit und
Kindersegen angeht, so kommen nicht selten die Angehörigen
noch mit einer Nachforderung. Umgekehrt ereignet es sich, daß
der Mann dem Schwiegervater die Tochter als unbrauchbar
heimschickt und um Rückzahlung der Kaufsumme einkommt.
Geht der Alte nicht darauf ein, so degradiert jetzt der Mann
die Frau zur Sklavin; der Kauf, so lange er von beiden
Parteien zu Recht anerkannt war, bestätigte sie vielmehr gerade
als Nichtsklavin, als freie Frau!

Andererseits darfst du den Frauenkauf aber auch nicht zu¬
sammenwerfen etwa mit unserem Begriff der Aussteuer. Die Aus¬

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mathematiſche Regelung, bei der keiner zu kurz käme. Nun
läßt ſich das aber in verwickelteren Verhältniſſen nicht mehr
ſo durchführen. Was thun? Raub entſpricht den Sitten auch
nicht mehr. So wird wieder ein Kompromiß geſucht. Der
Werber muß dem Stamme irgend einen Erſatz geben. Auf
dieſem naiven Standpunkte läßt ſich ſehr gut ein Menſchenwert
in Ochſen verrechnen. Es gehört gar keine beſondere Mi߬
achtung des Weibes dazu. Auch der Mann könnte nötigen
Falles genau ſo taxiert werden.

Bei den Zulukaffern heißt der Ehekauf Ukulobola. Alles
iſt dabei feſtgeregelt. Der Durchſchnittspreis der Frau ſchwankt
hier von 4 bis 6 Rindern, die Häuptlingstochter aber gilt
mindeſtens 25, oft 100. „Die tiefſte Wurzel“, ſagt Ratzel ſehr
gut, „hat dieſe Sitte dabei nicht etwa im Herzen der Männer,
ſondern vielmehr in dem der Weiber, in welchen das Gefühl
ihres Wertes mit der Zahl der Rinder ſich erhöht, um welche
ſie gekauft werden. Ebenſowenig würde in der Regel ein
Mann geneigt ſein, eine Frau für nichts zu nehmen; er würde
ſich ſelbſt dadurch erniedrigt fühlen. Die Kraft gegenſeitiger
Anerkennung gewinnt das Heiratsband erſt durch dieſen Kauf,
und Mann wie Frau würden ſich nicht für regelrecht mit¬
einander verbunden halten, wenn jener nicht für dieſe etwas
gegeben oder mindeſtens verſprochen haben würde.“ Iſt die
Frau in der Ehe beſonders leiſtungsfähig, was Arbeit und
Kinderſegen angeht, ſo kommen nicht ſelten die Angehörigen
noch mit einer Nachforderung. Umgekehrt ereignet es ſich, daß
der Mann dem Schwiegervater die Tochter als unbrauchbar
heimſchickt und um Rückzahlung der Kaufſumme einkommt.
Geht der Alte nicht darauf ein, ſo degradiert jetzt der Mann
die Frau zur Sklavin; der Kauf, ſo lange er von beiden
Parteien zu Recht anerkannt war, beſtätigte ſie vielmehr gerade
als Nichtſklavin, als freie Frau!

Andererſeits darfſt du den Frauenkauf aber auch nicht zu¬
ſammenwerfen etwa mit unſerem Begriff der Ausſteuer. Die Aus¬

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[243/0257] mathematiſche Regelung, bei der keiner zu kurz käme. Nun läßt ſich das aber in verwickelteren Verhältniſſen nicht mehr ſo durchführen. Was thun? Raub entſpricht den Sitten auch nicht mehr. So wird wieder ein Kompromiß geſucht. Der Werber muß dem Stamme irgend einen Erſatz geben. Auf dieſem naiven Standpunkte läßt ſich ſehr gut ein Menſchenwert in Ochſen verrechnen. Es gehört gar keine beſondere Mi߬ achtung des Weibes dazu. Auch der Mann könnte nötigen Falles genau ſo taxiert werden. Bei den Zulukaffern heißt der Ehekauf Ukulobola. Alles iſt dabei feſtgeregelt. Der Durchſchnittspreis der Frau ſchwankt hier von 4 bis 6 Rindern, die Häuptlingstochter aber gilt mindeſtens 25, oft 100. „Die tiefſte Wurzel“, ſagt Ratzel ſehr gut, „hat dieſe Sitte dabei nicht etwa im Herzen der Männer, ſondern vielmehr in dem der Weiber, in welchen das Gefühl ihres Wertes mit der Zahl der Rinder ſich erhöht, um welche ſie gekauft werden. Ebenſowenig würde in der Regel ein Mann geneigt ſein, eine Frau für nichts zu nehmen; er würde ſich ſelbſt dadurch erniedrigt fühlen. Die Kraft gegenſeitiger Anerkennung gewinnt das Heiratsband erſt durch dieſen Kauf, und Mann wie Frau würden ſich nicht für regelrecht mit¬ einander verbunden halten, wenn jener nicht für dieſe etwas gegeben oder mindeſtens verſprochen haben würde.“ Iſt die Frau in der Ehe beſonders leiſtungsfähig, was Arbeit und Kinderſegen angeht, ſo kommen nicht ſelten die Angehörigen noch mit einer Nachforderung. Umgekehrt ereignet es ſich, daß der Mann dem Schwiegervater die Tochter als unbrauchbar heimſchickt und um Rückzahlung der Kaufſumme einkommt. Geht der Alte nicht darauf ein, ſo degradiert jetzt der Mann die Frau zur Sklavin; der Kauf, ſo lange er von beiden Parteien zu Recht anerkannt war, beſtätigte ſie vielmehr gerade als Nichtſklavin, als freie Frau! Andererſeits darfſt du den Frauenkauf aber auch nicht zu¬ ſammenwerfen etwa mit unſerem Begriff der Ausſteuer. Die Aus¬ 16*

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/257>, abgerufen am 21.11.2024.