An dieser Stelle tauchen in dem großen, jahrtausendalten Traum der Menschheitsseele nicht die Fratzen und geschminkten Totenmasken armer Prostitutionsopfer auf, sondern es schieben sich im Gegenteil Phantasmagorien von berückender Pracht ein, wunderbare Sehnsuchtsbilder des ekstatischen Schauens in ein höchstes Weltenglück.
Da wird paradiesische Himmelsseligkeit gemalt, in die der Brave nach seinem irdischen Tode eingehen soll. Der Mohamme¬ daner denkt sich ein Erwachen auf blumiger Wiese, wo ihn schöne Mädchen umringen, die Mädchen des Paradieses, die nicht als Ehefrau zu einem Einzelnen gehören und doch alle süßeste Harmonie und Seligkeit höchster Liebe ihn endlich ganz auskosten lassen. Der Orient hat das in glühenden Sinnen¬ farben ausgemalt. Aber auch Goethe träumte von der Houri, in deren Armen er aufwachen würde und die zu ihrem Dichter spräche: "Sing mir die Lieder an Suleika vor, denn weiter wirst du's doch im Paradies nicht bringen." Und wieder solche ins höchste idealisierten Flötenhausmädchen sind es, die im Traum des alten Germanen als Walküren den tapfer ver¬ bluteten Krieger empfangen zu ewiger freier Sonnenliebe in der ewigen Methalle von Walhall.
In unsern Tagen projiziert man solche Sehnsuchtsbilder nicht mehr gern in die Metaphysik. Man wirft ihr leuchtendes Farbenband in die reale Zukunft der Menschheit, in die große Artunsterblichkeit und ihren Fortschritt. Auch da aber erscheint das Houri-, das Walkürenideal. Das Weib, befreit von aller Trübe des Prostitutionshaften, aber auch befreit von den Schranken der Ehe, ganz Houri, ganz Walküre, das ins Kolossalische des Ideals gesteigerte Flötenhausmädchen. Es gehört jedem, dem es seine Liebe schenken will, und so lange wie es will. Seine freien Liebeskinder aber wachsen auf in der unendlich ausgegossenen Sonne der menschlichen Gemein¬ schaft, glücklicher als heute die so ungleich bedachten Ehekinder.
Erst in solchen Bildern wird die Frage glatt, ob nicht
An dieſer Stelle tauchen in dem großen, jahrtauſendalten Traum der Menſchheitsſeele nicht die Fratzen und geſchminkten Totenmasken armer Proſtitutionsopfer auf, ſondern es ſchieben ſich im Gegenteil Phantasmagorien von berückender Pracht ein, wunderbare Sehnſuchtsbilder des ekſtatiſchen Schauens in ein höchſtes Weltenglück.
Da wird paradieſiſche Himmelsſeligkeit gemalt, in die der Brave nach ſeinem irdiſchen Tode eingehen ſoll. Der Mohamme¬ daner denkt ſich ein Erwachen auf blumiger Wieſe, wo ihn ſchöne Mädchen umringen, die Mädchen des Paradieſes, die nicht als Ehefrau zu einem Einzelnen gehören und doch alle ſüßeſte Harmonie und Seligkeit höchſter Liebe ihn endlich ganz auskoſten laſſen. Der Orient hat das in glühenden Sinnen¬ farben ausgemalt. Aber auch Goethe träumte von der Houri, in deren Armen er aufwachen würde und die zu ihrem Dichter ſpräche: „Sing mir die Lieder an Suleika vor, denn weiter wirſt du's doch im Paradies nicht bringen.“ Und wieder ſolche ins höchſte idealiſierten Flötenhausmädchen ſind es, die im Traum des alten Germanen als Walküren den tapfer ver¬ bluteten Krieger empfangen zu ewiger freier Sonnenliebe in der ewigen Methalle von Walhall.
In unſern Tagen projiziert man ſolche Sehnſuchtsbilder nicht mehr gern in die Metaphyſik. Man wirft ihr leuchtendes Farbenband in die reale Zukunft der Menſchheit, in die große Artunſterblichkeit und ihren Fortſchritt. Auch da aber erſcheint das Houri-, das Walkürenideal. Das Weib, befreit von aller Trübe des Proſtitutionshaften, aber auch befreit von den Schranken der Ehe, ganz Houri, ganz Walküre, das ins Koloſſaliſche des Ideals geſteigerte Flötenhausmädchen. Es gehört jedem, dem es ſeine Liebe ſchenken will, und ſo lange wie es will. Seine freien Liebeskinder aber wachſen auf in der unendlich ausgegoſſenen Sonne der menſchlichen Gemein¬ ſchaft, glücklicher als heute die ſo ungleich bedachten Ehekinder.
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An dieſer Stelle tauchen in dem großen, jahrtauſendalten
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Totenmasken armer Proſtitutionsopfer auf, ſondern es ſchieben
ſich im Gegenteil Phantasmagorien von berückender Pracht ein,
wunderbare Sehnſuchtsbilder des ekſtatiſchen Schauens in ein
höchſtes Weltenglück.
Da wird paradieſiſche Himmelsſeligkeit gemalt, in die der
Brave nach ſeinem irdiſchen Tode eingehen ſoll. Der Mohamme¬
daner denkt ſich ein Erwachen auf blumiger Wieſe, wo ihn
ſchöne Mädchen umringen, die Mädchen des Paradieſes, die
nicht als Ehefrau zu einem Einzelnen gehören und doch alle
ſüßeſte Harmonie und Seligkeit höchſter Liebe ihn endlich ganz
auskoſten laſſen. Der Orient hat das in glühenden Sinnen¬
farben ausgemalt. Aber auch Goethe träumte von der Houri,
in deren Armen er aufwachen würde und die zu ihrem Dichter
ſpräche: „Sing mir die Lieder an Suleika vor, denn weiter
wirſt du's doch im Paradies nicht bringen.“ Und wieder
ſolche ins höchſte idealiſierten Flötenhausmädchen ſind es, die
im Traum des alten Germanen als Walküren den tapfer ver¬
bluteten Krieger empfangen zu ewiger freier Sonnenliebe in
der ewigen Methalle von Walhall.
In unſern Tagen projiziert man ſolche Sehnſuchtsbilder
nicht mehr gern in die Metaphyſik. Man wirft ihr leuchtendes
Farbenband in die reale Zukunft der Menſchheit, in die große
Artunſterblichkeit und ihren Fortſchritt. Auch da aber erſcheint
das Houri-, das Walkürenideal. Das Weib, befreit von aller
Trübe des Proſtitutionshaften, aber auch befreit von den
Schranken der Ehe, ganz Houri, ganz Walküre, das ins
Koloſſaliſche des Ideals geſteigerte Flötenhausmädchen. Es
gehört jedem, dem es ſeine Liebe ſchenken will, und ſo lange
wie es will. Seine freien Liebeskinder aber wachſen auf in
der unendlich ausgegoſſenen Sonne der menſchlichen Gemein¬
ſchaft, glücklicher als heute die ſo ungleich bedachten Ehekinder.
Erſt in ſolchen Bildern wird die Frage glatt, ob nicht
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/280>, abgerufen am 21.11.2024.
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