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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Aber wiederum höher hinauf verschiebt sich das Bild nun
mehr und mehr wirklich. Fasse ich es im Resultat zusammen,
wie es unsere höhere Kultur dir zeigt, so sind zwei Punkte
darin bezeichnend.

Auf der einen Seite wird das Weib immer mehr von
aller physischen Arbeit entlastet. Es erscheint uns auf gewisser
Kulturstufe nachgerade wie etwas Verrücktes, daß ein Weib
etwa in der Armee dienen sollte. Auf der anderen Seite aber
werden die Mutterfunktionen diesem Weibe immer schwerer
und schwerer, jede Menstruation macht sie zu einer Kranken,
jede Geburt ist ein Akt auf Leben und Tod, dem erst wieder
eine lange Rekonvaleszenz folgen muß, zum Säugen wird sie
vielfach überhaupt schon zu schwach, so daß die Kraft nicht ein¬
mal mehr ordentlich langt, auch nur diesen einen Pflichtenkreis
auszufüllen.

Ich kann mir nicht helfen: ich meine, der eine Punkt
erklärt den anderen, im Ganzen aber steckt eine gewisse Degene¬
rationserscheinung, die mit dem ursprünglichen Kraftstande des
Weibes gar nichts zu thun hat. Die Menschheit hat ihn erst
aufkommen lassen, und an ihr ist es jetzt, ihn auch allmählich
wieder auszumerzen.

Mehr und mehr haben wir das Weib ferngehalten von
der wirklich körperlich stählenden, gesund erhaltenden physischen
Arbeit. Ich erinnere nur an das alte Schreckenswort: der
Ofen und die Frau gehören ins Haus. Ja hinter den Ofen,
verpäppelt und verzärtelt bis über die Ohren, -- so hat man
lange genug das Mädchen gehabt, als Käfigvogel, dessen Kräfte
mit wahrem Raffinement nicht entwickelt wurden. Nun kam
die Zeit der Mutterpflichten -- und die unterdrückte, unentwickelte
Kraft versagte selbst da. Wenn aber das Kulturweib sich bei
der schlichten Mutterfunktion windet und dreht, als gehe
ihm eine fremde Teufelsmacht an den Kragen, statt daß es
hier gerade es selbst in der Blüte seiner Kraft ist, -- dann
kommt der neunmal Weise und redet vom "schwachen" Weibe,

Aber wiederum höher hinauf verſchiebt ſich das Bild nun
mehr und mehr wirklich. Faſſe ich es im Reſultat zuſammen,
wie es unſere höhere Kultur dir zeigt, ſo ſind zwei Punkte
darin bezeichnend.

Auf der einen Seite wird das Weib immer mehr von
aller phyſiſchen Arbeit entlaſtet. Es erſcheint uns auf gewiſſer
Kulturſtufe nachgerade wie etwas Verrücktes, daß ein Weib
etwa in der Armee dienen ſollte. Auf der anderen Seite aber
werden die Mutterfunktionen dieſem Weibe immer ſchwerer
und ſchwerer, jede Menſtruation macht ſie zu einer Kranken,
jede Geburt iſt ein Akt auf Leben und Tod, dem erſt wieder
eine lange Rekonvaleszenz folgen muß, zum Säugen wird ſie
vielfach überhaupt ſchon zu ſchwach, ſo daß die Kraft nicht ein¬
mal mehr ordentlich langt, auch nur dieſen einen Pflichtenkreis
auszufüllen.

Ich kann mir nicht helfen: ich meine, der eine Punkt
erklärt den anderen, im Ganzen aber ſteckt eine gewiſſe Degene¬
rationserſcheinung, die mit dem urſprünglichen Kraftſtande des
Weibes gar nichts zu thun hat. Die Menſchheit hat ihn erſt
aufkommen laſſen, und an ihr iſt es jetzt, ihn auch allmählich
wieder auszumerzen.

Mehr und mehr haben wir das Weib ferngehalten von
der wirklich körperlich ſtählenden, geſund erhaltenden phyſiſchen
Arbeit. Ich erinnere nur an das alte Schreckenswort: der
Ofen und die Frau gehören ins Haus. Ja hinter den Ofen,
verpäppelt und verzärtelt bis über die Ohren, — ſo hat man
lange genug das Mädchen gehabt, als Käfigvogel, deſſen Kräfte
mit wahrem Raffinement nicht entwickelt wurden. Nun kam
die Zeit der Mutterpflichten — und die unterdrückte, unentwickelte
Kraft verſagte ſelbſt da. Wenn aber das Kulturweib ſich bei
der ſchlichten Mutterfunktion windet und dreht, als gehe
ihm eine fremde Teufelsmacht an den Kragen, ſtatt daß es
hier gerade es ſelbſt in der Blüte ſeiner Kraft iſt, — dann
kommt der neunmal Weiſe und redet vom „ſchwachen“ Weibe,

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[287/0301] Aber wiederum höher hinauf verſchiebt ſich das Bild nun mehr und mehr wirklich. Faſſe ich es im Reſultat zuſammen, wie es unſere höhere Kultur dir zeigt, ſo ſind zwei Punkte darin bezeichnend. Auf der einen Seite wird das Weib immer mehr von aller phyſiſchen Arbeit entlaſtet. Es erſcheint uns auf gewiſſer Kulturſtufe nachgerade wie etwas Verrücktes, daß ein Weib etwa in der Armee dienen ſollte. Auf der anderen Seite aber werden die Mutterfunktionen dieſem Weibe immer ſchwerer und ſchwerer, jede Menſtruation macht ſie zu einer Kranken, jede Geburt iſt ein Akt auf Leben und Tod, dem erſt wieder eine lange Rekonvaleszenz folgen muß, zum Säugen wird ſie vielfach überhaupt ſchon zu ſchwach, ſo daß die Kraft nicht ein¬ mal mehr ordentlich langt, auch nur dieſen einen Pflichtenkreis auszufüllen. Ich kann mir nicht helfen: ich meine, der eine Punkt erklärt den anderen, im Ganzen aber ſteckt eine gewiſſe Degene¬ rationserſcheinung, die mit dem urſprünglichen Kraftſtande des Weibes gar nichts zu thun hat. Die Menſchheit hat ihn erſt aufkommen laſſen, und an ihr iſt es jetzt, ihn auch allmählich wieder auszumerzen. Mehr und mehr haben wir das Weib ferngehalten von der wirklich körperlich ſtählenden, geſund erhaltenden phyſiſchen Arbeit. Ich erinnere nur an das alte Schreckenswort: der Ofen und die Frau gehören ins Haus. Ja hinter den Ofen, verpäppelt und verzärtelt bis über die Ohren, — ſo hat man lange genug das Mädchen gehabt, als Käfigvogel, deſſen Kräfte mit wahrem Raffinement nicht entwickelt wurden. Nun kam die Zeit der Mutterpflichten — und die unterdrückte, unentwickelte Kraft verſagte ſelbſt da. Wenn aber das Kulturweib ſich bei der ſchlichten Mutterfunktion windet und dreht, als gehe ihm eine fremde Teufelsmacht an den Kragen, ſtatt daß es hier gerade es ſelbſt in der Blüte ſeiner Kraft iſt, — dann kommt der neunmal Weiſe und redet vom „ſchwachen“ Weibe,

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/301>, abgerufen am 21.11.2024.