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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Auch das Individuelle wird im tieferen Weltzusammenhange
keines sein. Bloß ein Stockwerk tiefer liegt es. Und die sicht¬
bare Welt ist das Produkt beider Stockwerke.

Aus jener Artentwickelung im Tierreich erwuchs -- der
Mensch. Auch in ihm walten beide Räder fort, das große
Stromrad oben, und das feine Quellrad in der Tiefe. Auch
er dehnt seine Welt zum Sozialen, dieses Soziale spannt sich
als Menschheit über die Erde und es bleibt darin die große
Verstandesklarheit offen waltender Gesetze und Vorgänge, --
fort und fort in diesen sozialen Körper mit seinen meßbaren
Gewichten aber mischen sich die wundersamen Imponderabilien
des Individuellen. Nicht nur wird der Mensch überhaupt immer
neu als Einzelzelle der Menschheit hier geboren, sondern es geht
auch in jede dieser Geburten ein das Geheimnis individueller
Besonderheit. Es waltet im Körper, es waltet im Geist. Es
baut das winzigste Fältchen deiner Hand, die kleinste Linie
deiner Nase.. Aber es baut auch jede Regung deines Geistes.
Wohl springst du alsbald mit deinem geistigen Erwachen ein
in das große soziale Stromnetz. Es giebt dir einen unend¬
lichen Schutzanhalt, es giebt dir die "Menschheit" als Hilfe,
als Hintergrund. Aber auch du giebst diesem Netz etwas un¬
schätzbar Köstliches: den Quellwert deiner neuen Persönlichkeit.
In diesem Quellwert kann der Umschwung zu einer neuen Welt
liegen, der Umschwung zu einer ganzen neuen Harmoniestufe
des Netzes. Aus solchen Quellwerten steigen die Genies, die
unschätzbaren Plusvarianten, die die fortschreitende Anpassungs¬
auslese in der Menschheit so gut braucht wie sie in Tier und
Pflanze die spontan auftauchenden zweckmäßigeren Körpervari¬
anten unumgänglich brauchte.

Niemals ist eine Unterdrückung dieser Individualwerte
durch das Soziale denkbar ohne Vernichtung des gesamten
Spiels.

Und wenn also jetzt die Ehe irgend einen Punkt hat, wo
sie auch beim Menschen doch dauernd verankert liegt auch in

Auch das Individuelle wird im tieferen Weltzuſammenhange
keines ſein. Bloß ein Stockwerk tiefer liegt es. Und die ſicht¬
bare Welt iſt das Produkt beider Stockwerke.

Aus jener Artentwickelung im Tierreich erwuchs — der
Menſch. Auch in ihm walten beide Räder fort, das große
Stromrad oben, und das feine Quellrad in der Tiefe. Auch
er dehnt ſeine Welt zum Sozialen, dieſes Soziale ſpannt ſich
als Menſchheit über die Erde und es bleibt darin die große
Verſtandesklarheit offen waltender Geſetze und Vorgänge, —
fort und fort in dieſen ſozialen Körper mit ſeinen meßbaren
Gewichten aber miſchen ſich die wunderſamen Imponderabilien
des Individuellen. Nicht nur wird der Menſch überhaupt immer
neu als Einzelzelle der Menſchheit hier geboren, ſondern es geht
auch in jede dieſer Geburten ein das Geheimnis individueller
Beſonderheit. Es waltet im Körper, es waltet im Geiſt. Es
baut das winzigſte Fältchen deiner Hand, die kleinſte Linie
deiner Naſe.. Aber es baut auch jede Regung deines Geiſtes.
Wohl ſpringſt du alsbald mit deinem geiſtigen Erwachen ein
in das große ſoziale Stromnetz. Es giebt dir einen unend¬
lichen Schutzanhalt, es giebt dir die „Menſchheit“ als Hilfe,
als Hintergrund. Aber auch du giebſt dieſem Netz etwas un¬
ſchätzbar Köſtliches: den Quellwert deiner neuen Perſönlichkeit.
In dieſem Quellwert kann der Umſchwung zu einer neuen Welt
liegen, der Umſchwung zu einer ganzen neuen Harmonieſtufe
des Netzes. Aus ſolchen Quellwerten ſteigen die Genies, die
unſchätzbaren Plusvarianten, die die fortſchreitende Anpaſſungs¬
ausleſe in der Menſchheit ſo gut braucht wie ſie in Tier und
Pflanze die ſpontan auftauchenden zweckmäßigeren Körpervari¬
anten unumgänglich brauchte.

Niemals iſt eine Unterdrückung dieſer Individualwerte
durch das Soziale denkbar ohne Vernichtung des geſamten
Spiels.

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[297/0311] Auch das Individuelle wird im tieferen Weltzuſammenhange keines ſein. Bloß ein Stockwerk tiefer liegt es. Und die ſicht¬ bare Welt iſt das Produkt beider Stockwerke. Aus jener Artentwickelung im Tierreich erwuchs — der Menſch. Auch in ihm walten beide Räder fort, das große Stromrad oben, und das feine Quellrad in der Tiefe. Auch er dehnt ſeine Welt zum Sozialen, dieſes Soziale ſpannt ſich als Menſchheit über die Erde und es bleibt darin die große Verſtandesklarheit offen waltender Geſetze und Vorgänge, — fort und fort in dieſen ſozialen Körper mit ſeinen meßbaren Gewichten aber miſchen ſich die wunderſamen Imponderabilien des Individuellen. Nicht nur wird der Menſch überhaupt immer neu als Einzelzelle der Menſchheit hier geboren, ſondern es geht auch in jede dieſer Geburten ein das Geheimnis individueller Beſonderheit. Es waltet im Körper, es waltet im Geiſt. Es baut das winzigſte Fältchen deiner Hand, die kleinſte Linie deiner Naſe.. Aber es baut auch jede Regung deines Geiſtes. Wohl ſpringſt du alsbald mit deinem geiſtigen Erwachen ein in das große ſoziale Stromnetz. Es giebt dir einen unend¬ lichen Schutzanhalt, es giebt dir die „Menſchheit“ als Hilfe, als Hintergrund. Aber auch du giebſt dieſem Netz etwas un¬ ſchätzbar Köſtliches: den Quellwert deiner neuen Perſönlichkeit. In dieſem Quellwert kann der Umſchwung zu einer neuen Welt liegen, der Umſchwung zu einer ganzen neuen Harmonieſtufe des Netzes. Aus ſolchen Quellwerten ſteigen die Genies, die unſchätzbaren Plusvarianten, die die fortſchreitende Anpaſſungs¬ ausleſe in der Menſchheit ſo gut braucht wie ſie in Tier und Pflanze die ſpontan auftauchenden zweckmäßigeren Körpervari¬ anten unumgänglich brauchte. Niemals iſt eine Unterdrückung dieſer Individualwerte durch das Soziale denkbar ohne Vernichtung des geſamten Spiels. Und wenn alſo jetzt die Ehe irgend einen Punkt hat, wo ſie auch beim Menſchen doch dauernd verankert liegt auch in

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/311>, abgerufen am 21.11.2024.