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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Mensch einmal totgeschlagen, ein Kerabauochse geschlachtet oder
ein Hund nach Landesbrauch verbrannt worden ist, da dürfen
sie nicht vorbeigehen, da sonst das Kind gekrümmt sein wird
wie ein Sterbender. Kein Haus dürfen sie zimmern, kein
Dach decken, keinen Nagel einschlagen, sich in keine Thür und
auf keine Leiter stellen, kein Tabakblatt dürfen sie im Betel¬
sack brechen, -- am Kinde geschähe das alles in verhängnis¬
voller Weise mit. Der Nagel nagelt das Kind im Mutterleibe
fest und erst wenn der Vater ihn wieder auszieht, wird die
Geburt frei. Wenn sie in den Spiegel schauen, wird das
Kind scheel, wenn sie eine Krähe essen, so wird es krächzen,
wenn sie einen Affen greifen, so wird es einen Affenkopf
haben, wenn sie ein Schwein vom Leichenschmause essen helfen,
fliegt ihm die Krätze an, wenn sie einen Pisangbaum pflanzen,
wächst er in ihm zum Geschwür, wenn sie eine Bockkäferlarve,
den Leckerbissen des Landes, essen, so schlägt es ihm auf die
Brust, wenn sie eine Schlange schlagen, so schlagen sie ihm
die Lunge wund, wenn sie Öl keltern, so pressen sie ihm den
Kopf. Gehen sie an einem Ort vorbei, wo der Blitz einmal
eingeschlagen hat, so brennt ihnen das Kind kohlschwarz, wenn
sie eine Eule essen, so schreit es eulengleich. Wenn sie ein
dürres Feld anzünden und es verbrennen die Mäuse darin
mit, so ist's, als sei auch das Kind in der Flamme. Wehe
wenn einer über die ausgestreckten Beine des anderen tritt: er
flicht einen Knoten in das Kind, der die Geburt hemmt. Der
Ambon-Insulaner, der sonst harmlos am Abend vor die
Hütte trat, seine Notdurft zu verrichten, muß, wenn die Frau
schwanger ist, selbst bei diesem unschuldigen Akte Vorsichts¬
maßregeln treffen: entblößt er leichtsinnig vor der blanken
Mondscheibe sein Mannesglied, so sehen es die Mondfrauen
und fühlen sich beleidigt; an ihnen aber hängt Wohl und
Wehe der Geburt.

Sie sitzen überall, diese Geister. Dort die russische He¬
bamme trägt etwas eilfertig fort und murmelt dazu. Es ist

Menſch einmal totgeſchlagen, ein Kerabauochſe geſchlachtet oder
ein Hund nach Landesbrauch verbrannt worden iſt, da dürfen
ſie nicht vorbeigehen, da ſonſt das Kind gekrümmt ſein wird
wie ein Sterbender. Kein Haus dürfen ſie zimmern, kein
Dach decken, keinen Nagel einſchlagen, ſich in keine Thür und
auf keine Leiter ſtellen, kein Tabakblatt dürfen ſie im Betel¬
ſack brechen, — am Kinde geſchähe das alles in verhängnis¬
voller Weiſe mit. Der Nagel nagelt das Kind im Mutterleibe
feſt und erſt wenn der Vater ihn wieder auszieht, wird die
Geburt frei. Wenn ſie in den Spiegel ſchauen, wird das
Kind ſcheel, wenn ſie eine Krähe eſſen, ſo wird es krächzen,
wenn ſie einen Affen greifen, ſo wird es einen Affenkopf
haben, wenn ſie ein Schwein vom Leichenſchmauſe eſſen helfen,
fliegt ihm die Krätze an, wenn ſie einen Piſangbaum pflanzen,
wächſt er in ihm zum Geſchwür, wenn ſie eine Bockkäferlarve,
den Leckerbiſſen des Landes, eſſen, ſo ſchlägt es ihm auf die
Bruſt, wenn ſie eine Schlange ſchlagen, ſo ſchlagen ſie ihm
die Lunge wund, wenn ſie Öl keltern, ſo preſſen ſie ihm den
Kopf. Gehen ſie an einem Ort vorbei, wo der Blitz einmal
eingeſchlagen hat, ſo brennt ihnen das Kind kohlſchwarz, wenn
ſie eine Eule eſſen, ſo ſchreit es eulengleich. Wenn ſie ein
dürres Feld anzünden und es verbrennen die Mäuſe darin
mit, ſo iſt's, als ſei auch das Kind in der Flamme. Wehe
wenn einer über die ausgeſtreckten Beine des anderen tritt: er
flicht einen Knoten in das Kind, der die Geburt hemmt. Der
Ambon-Inſulaner, der ſonſt harmlos am Abend vor die
Hütte trat, ſeine Notdurft zu verrichten, muß, wenn die Frau
ſchwanger iſt, ſelbſt bei dieſem unſchuldigen Akte Vorſichts¬
maßregeln treffen: entblößt er leichtſinnig vor der blanken
Mondſcheibe ſein Mannesglied, ſo ſehen es die Mondfrauen
und fühlen ſich beleidigt; an ihnen aber hängt Wohl und
Wehe der Geburt.

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[317/0331] Menſch einmal totgeſchlagen, ein Kerabauochſe geſchlachtet oder ein Hund nach Landesbrauch verbrannt worden iſt, da dürfen ſie nicht vorbeigehen, da ſonſt das Kind gekrümmt ſein wird wie ein Sterbender. Kein Haus dürfen ſie zimmern, kein Dach decken, keinen Nagel einſchlagen, ſich in keine Thür und auf keine Leiter ſtellen, kein Tabakblatt dürfen ſie im Betel¬ ſack brechen, — am Kinde geſchähe das alles in verhängnis¬ voller Weiſe mit. Der Nagel nagelt das Kind im Mutterleibe feſt und erſt wenn der Vater ihn wieder auszieht, wird die Geburt frei. Wenn ſie in den Spiegel ſchauen, wird das Kind ſcheel, wenn ſie eine Krähe eſſen, ſo wird es krächzen, wenn ſie einen Affen greifen, ſo wird es einen Affenkopf haben, wenn ſie ein Schwein vom Leichenſchmauſe eſſen helfen, fliegt ihm die Krätze an, wenn ſie einen Piſangbaum pflanzen, wächſt er in ihm zum Geſchwür, wenn ſie eine Bockkäferlarve, den Leckerbiſſen des Landes, eſſen, ſo ſchlägt es ihm auf die Bruſt, wenn ſie eine Schlange ſchlagen, ſo ſchlagen ſie ihm die Lunge wund, wenn ſie Öl keltern, ſo preſſen ſie ihm den Kopf. Gehen ſie an einem Ort vorbei, wo der Blitz einmal eingeſchlagen hat, ſo brennt ihnen das Kind kohlſchwarz, wenn ſie eine Eule eſſen, ſo ſchreit es eulengleich. Wenn ſie ein dürres Feld anzünden und es verbrennen die Mäuſe darin mit, ſo iſt's, als ſei auch das Kind in der Flamme. Wehe wenn einer über die ausgeſtreckten Beine des anderen tritt: er flicht einen Knoten in das Kind, der die Geburt hemmt. Der Ambon-Inſulaner, der ſonſt harmlos am Abend vor die Hütte trat, ſeine Notdurft zu verrichten, muß, wenn die Frau ſchwanger iſt, ſelbſt bei dieſem unſchuldigen Akte Vorſichts¬ maßregeln treffen: entblößt er leichtſinnig vor der blanken Mondſcheibe ſein Mannesglied, ſo ſehen es die Mondfrauen und fühlen ſich beleidigt; an ihnen aber hängt Wohl und Wehe der Geburt. Sie ſitzen überall, dieſe Geiſter. Dort die ruſſiſche He¬ bamme trägt etwas eilfertig fort und murmelt dazu. Es iſt

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/331>, abgerufen am 21.11.2024.